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Gastbeitrag: Büroinvestments – warum Anleger den Faktor Psychologie nicht ignorieren dürfen

Jahrelang waren Büroimmobilien mit deutlichem Abstand die am häufigsten gehandelte Assetklasse auf den professionellen Immobilienmärkten. Inzwischen hat sich das jedoch geändert: Aktuellen Erhebungen von CBRE zufolge lag das Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2024 bei 1,3 Mrd. Euro. Damit bewegen sich Büroimmobilien aktuell auf Platz drei, hinter Einzelhandelsobjekten und Logistikimmobilien. Zu diesem Ergebnis führte nicht allein die bekannte Kombination aus verhaltenen wirtschaftlichen Fundamentaldaten, Zinsen und Baupreissteigerungen. Ein weiterer wichtiger Grund findet sich in der anhaltenden Unsicherheit der Investoren, wie viel Bürofläche in Zukunft noch benötigt wird.

Silvia Wolf

Tatsächlich verläuft die Rückkehr ins Büro in Deutschland schleppender als in anderen europäischen Ländern. Und wahrscheinlich werden – trotz einer gewissen Büropflicht – auch in Zukunft nur die wenigsten Unternehmen strikt auf eine 5-Tage-Woche im Büro bestehen. Vielmehr ist das Büro zu einem integralen Bestandteil einer hybriden und modernen Arbeitsweise geworden. Damit verbunden ist auch, dass einige Unternehmen kleinere, aber modernere Flächen benötigen, die den Leitgedanken von New Work entsprechen. Das ifo Institut hat in einer aktuellen Studie ermittelt, dass der absolute Büroflächenbedarf bis 2030 insgesamt um moderate 12% sinken könnte.

Auch die Generation Z setzt auf das Büro
Grundsätzlich jedoch sind die Büroräume der Dreh- und Angelpunkt im Arbeitsleben. Allein schon aus psychologischen Gründen wollen und benötigen Angestellte eine feste Arbeitsumgebung und den direkten Kontakt mit Vorgesetzten und Kollegen. Gerade die Generation Z, die als besonders remote-affin gilt, kann oft durch eine angenehme Büroatmosphäre in Kombination mit einer modernen und offenen Unternehmenskultur langfristig ans Unternehmen gebunden werden. Einer Umfrage des Softwareanbieters Adobe zufolge empfinden 81% der Gen-Z-Vertreter, die im Büro arbeiten, die dort gemachten Erfahrungen als wichtig. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele der nach 1997 Geborenen entscheidende Phasen ihrer Ausbildung oder ihres Studiums im Lockdown verbringen mussten und dementsprechend nicht dieselben Erfahrungen wie andere Generationen sammeln konnten.

Gerade mit Blick auf die Zukunft heißt das aber, dass fehlende Büroflächen ein Minuspunkt für Unternehmen sind, wenn es darum geht, gut ausgebildete und selbstbewusste Fachkräfte zu binden.

Erschöpfung und Druck sind generationenübergreifend
Zu viel Homeoffice wirkt isolierend und erschöpfend – ganz unabhängig vom Alter. Im Jahr 2021 wurde im „Hernstein Management Report“ erhoben, dass 51% der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter negative Effekte durch das Homeoffice an sich feststellten. Gerade nach einem Jobwechsel fällt es demnach „remote only“ deutlich schwerer, sich in ein neues Team einzufinden oder gar Freundschaften mit Kollegen zu schließen. Gleichzeitig reduziert sich so auch der kreative Ideenaustausch. Das Gespräch an der Kaffeemaschine kann nun einmal nicht durch einen Videocall oder ein Projektmanagement-Tool ersetzt werden.

Vielen Menschen gelingt es im Homeoffice zudem nur schwer, Privates und Berufliches voneinander zu trennen, wodurch der Leistungsdruck bei vielen zuzunehmen scheint. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigte auf, dass die enorme Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit und die fehlende räumliche Trennung dazu führen, dass 45% der Mitarbeiter nach Feierabend nicht mental abschalten können. Selbstbestimmtes Arbeiten kann also ab einem gewissen Grad auch zu negativen Effekten führen.

Karrieresprungbrett Büro
Neben dem besseren Teambuilding ist die individuelle Weiterentwicklung ein wichtiger Aspekt, der für das Büro spricht: Wer vor Ort ist und gesehen wird, dessen Leistungen werden gewürdigt. Wer hingegen überwiegend oder ausschließlich im Homeoffice arbeitet, erhält seltener Feedback und entwickelt sich entsprechend langsamer. Daher wird er womöglich bei anstehenden Beförderungen übersehen. Zusätzlich ist es im Büro möglich, den Vorgesetzten oder den Teammitgliedern beim Arbeiten über die Schulter zu schauen. Das heißt wiederum für Arbeitgeber, dass eine hochwertige und moderne Büroumgebung gerade die besonders ehrgeizigen Nachwuchstalente beziehungsweise die High-Performer anzieht.

Die Qualität der Büros ist entscheidend
Dabei ist es wichtig, dass das Büro alle Qualitäten mitbringt, die eine offene, kommunikative Arbeitsweise gewährleisten – und sich zudem positiv auf das Wohlbefinden der Anwesenden auswirkt. Neben hochwertigen Baumaterialien und einem angenehmen Raumklima sollte das Büro in Sachen Design und Funktionalität exakt mit der Kultur und den Prozessen des jeweiligen Unternehmens übereinstimmen. Zudem ist die Standortqualität bezüglich der Nachbarschaft von Bedeutung. Ob ein Büro besser in der Innenstadt oder in einem wachsenden Randbezirk sein sollte, ist von Unternehmen zu Unternehmen und auch von Branche zu Branche unterschiedlich. In jedem Fall aber ist die urbane Vielfalt aus Mobilität, Gastronomie, Einzelhandel sowie Kultur- und Freizeitangeboten entscheidend dafür, ob sich die Arbeitnehmer wohlfühlen oder nicht.

Stützt der Vermietungsmarkt die Investmentmärkte?
Mittel- bis langfristig werden sich Unternehmen nicht an den kurzfristigen wirtschaftlichen Herausforderungen, sondern an den grundlegenden psychologischen Effekten orientieren (müssen). Dementsprechend sind Unternehmen mit veralteten Flächen dazu angehalten, früher oder später in moderne Büroräumlichkeiten umzuziehen. Jedoch bildet sich aktuell ein sehr deutliches Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage heraus: Aufgrund fehlender Investitionen werden zurzeit kaum neue Büroprojekte in Angriff genommen, und nur wenige der bereits angestoßenen Projekte können zeitgerecht fertiggestellt werden. Dementsprechend wird die Pipeline für zeitgemäße und zertifiziert nachhaltige Büroflächen kaum gefüllt sein. Die vom ifo Institut analysierten 12% an Flächeneinsparungen werden hingegen überwiegend im Segment der älteren Bestandsimmobilien realisiert werden.

Spätestens mit Erholung der Wirtschaft und dem Einpendeln der Zinsen auf einem niedrigeren Niveau wird die Nachfrage- die Angebotsseite schnell übertreffen. Dann wiederum werden nicht nur die Mietpreise stark steigen, sondern auch die Investitionen wieder hochgefahren – oder anders gesagt: Es setzt die genaue zyklische Gegenbewegung von dem ein, was wir gerade erleben. Spätestens dann wird sich auch zeigen, dass die zögerliche Haltung der Investoren weitgehend unbegründet ist.

Sowohl für Investoren als auch für Mieter kann es sich jetzt also durchaus lohnen, gezielt antizyklisch zu agieren und entweder einen Umzug oder aber ein Investment in ein entsprechend zertifiziertes Gebäude vorzunehmen. Ob ein Investor dabei die Bodenbildung der Preise exakt trifft oder um wenige Monate verfehlt, ist auf lange Sicht unerheblich. Gleiches gilt für einen Mieter, der sich jetzt ohne allzu starke Konkurrenz langfristig Flächen sichern kann, die die Akquisition von neuem Personal und das Wachstum seines Kerngeschäfts begünstigen.

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*) Silvia Wolf, Head of Acquisition and Business Development, ROSA-ALSCHER Group