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Buchbesprechung: "Animal Spirits” von George A. Akerlof und Robert J. Shiller

Ein aktuelles und politisches Buch, wenn auch aus sehr amerikanischer Perspektive.

Dr. Oliver Roll

Das Buch: George A. Akerlof, Robert J. Shiller: "Animal Spirits. How Human Psychology drives the Economy, and why it matters for Global Capitalism", Princeton University Press, Princeton, 2009, xiv + 230 p.

Der Rezensent:
Dr. Oliver Roll, Managing Director, TELOS GmbH

Die Rezension
Kein sehr dickes, aber ein 'gewichtiges', weil interessantes und vor allem aktuelles Buch von Akerlof und Shiller, welches gerade zur rechten Zeit kommt. Robert Shiller kennt man vor allem seit seinem Bestseller "Irrational Exuberance"; George Akerlof erhielt 2001 den Wirtschafts­nobelpreis und ist durch seine harsche Kritik an der Bush-Regierung auch hierzulande bekannt geworden. Mittlerweile liegt das Buch als "Animal Spirits. Wie Wirtschaft wirk­lich funktioniert" in Deutsch vor (bei Campus erschienen) – hier wird nur die englische Originalversion besprochen. Diese hat aber immerhin schon ihren Eintrag in der englischen Version der Wikipedia gefunden!

Die eingangs abgegebene Bewertung dieser Neuerscheinung gründet allerdings auf der Tat­sache, dass es sich um ein "essayistisches" Büchlein handelt. Zentrale These ist, dass die bisherigen wirt­schafts­wissen­schaftlichen Analysen viel zu wenig jene „Animal Spirits“ in Rechnung – besser: in Betracht – ziehen, als dies zur Erklärung von Krisen und Konjunkturzyklen, ja der gesamten Wirtschaftsentwicklung nötig ist. Dabei darf man im Deutschen „Animal" nicht etwa mit „tierisch" verwechseln; Animal Spirits stehen übersetzt eher den „Lebensgeistern" oder dem Begriff der „Vitalität" nahe und beziehen sich im hiesigen Kontext auf einen von John Maynard Keynes geprägten Begriff in dessen Opus Magnus von 1936. Darin hatte Keynes jene Emotionen zusammengefasst, die sich in so etwas wie dem „Konsumenten­klima" wiederfinden.  Nach Akerlof und Shiller gehören dazu Vertrauen, Versuchungen, Neid, Ärger, Illusionen und so weiter – damit auch deutlich negativere „mentale" Zustände als bei Keynes (Auch „Animal Spirits" findet man als eigenen wirtschaftswissenschaftlichen Begriffseintrag in der englischen Wiki­pedia).

Akerlof und Shiller geht es nun darum, diese Dimensionen in die Erklärungsmodelle unseres Wirt­schafts­lebens stärker zu integrieren, ja zu einer zentralen und erklärenden Kategorie zu machen: Animal Spirits sind die Ursachen, wenn es zu Zyklen, Übertreibungen und großen Wirtschaftskrisen kommt. Und weiter: Erst durch die Berücksichtigung dieser Animal Spirits ergeben sich nach­voll­ziehbare Erklärungen für das Auftreten dieser Krisen. Dies hat dann ebenso folgerichtig Auswirkungen auf die Rezepturen, wie sol­chen Entwicklungen und Krisen – beispielsweise von politischer Seite – zu begegnen ist: Daher kommen die Autoren zu einer ganz deutlichen Favori­sierung des „guten alten" Keynesian­ischen Instrumentariums.

Das lässt sich sehr schön in einer Matrix zeigen. Akerlof und Shiller beleuchten kritisch, dass bisherige Wirtschaftstheorien, -analysen und so weiter von zwei zentralen Annahmen ausgegangen sind: (1.) Das für das Wirt­schafts­geschehen entscheidende Verhalten der Menschen wird ausschließlich durch ökonomische Motive beeinflusst und  (2.) alle Menschen entscheiden und handeln rational. Dass im realen Leben die zweite Hypothese eine hoffnungs­lose Verzerrung der Realität ist, ist klar – jedoch geht 'die' Wirtschaftstheorie davon aus, dass sich in einem gewisser­maßen statistischen Effekt die nicht-rationalen Elemente irgendwie ausgleichen und in Erklärung des makro­ökonomischen Geschehens insgesamt keine Rolle spielen. Gehen wir nun davon aus, dass Menschen ökonomische und nicht-ökono­mische Motive haben sowie rational und auch nicht-rational handeln können, so findet sich die bisherige Wirtschaftswissenschaft nach Akerlof und Shiller nur in einem der vier gedanklich entstandenen Quadranten.

Ich würde das so formulieren: Akerlof und Shiller wollen Wirtschaftsanalysen viel mehr als Sozial­wissen­schaft­ler betreiben. Wirtschaftspolitik muss ebenfalls in ihrer Ausgestaltung viel mehr als bisher diese mentalen Aspekte be­rück­sichtigen. Sehr überzeugend finde ich, wie sie die Rolle von Zutrauen (Confidence) und dessen Multi­plikatoren, Fair­ness, Korruption und Arglist, Geldillusion und Ge­schichten (ja: stories!) belegen. Mit diesen Kate­gorien von Animal Spirits gehen sie daran, wirt­schafts­politisch äußerst relevante Fragestellungen zu durch­leuchten: Warum es große Depressionen gibt, was die Wirkmöglichkeiten der Geldpolitik ausmacht, warum Immo­bilienmärkte heftigen Zyklen unterliegen und warum bestimmte Gesellschaftsgruppen in Armut gefangen scheinen. Diese und an­dere Fragen von Arbeitslosigkeit bis Sparverhalten – davon einige aus sehr amerikanischer Perspektive – werden erfrischend und ohne theo­retische Über­frachtung durchleuchtet.

Gleichwohl bleiben die eben nur essayistisch diskutierten Analysen und vorgeschlagenen politischen und sozialen Maßnahmen ein wenig an der Oberfläche. Ob die aufgeführten Dimensionen der Animal Spirits ausreichend sind, ob sie vielleicht viel zu allgemein sind, bleibt auch nach der Lektüre des ganzen Buches eine offene Frage. Mir erschließt sich nur eine sehr vage Vorstellung davon, wie diese Größen „operabel" in der Wirtschaftsanalyse, noch mehr in der Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Politik gemacht werden können. Die Kluft zwischen essayistischer Erwähnung, Illus­tration mit Beispielen und andererseits der wirk­lichen Entwicklung einer anderen Art von Ökonomik ist doch noch sehr groß. Darüber können auch über 20 Seiten Referenzen, die immerhin bis 1632 zurückdatieren, nicht hinweghelfen. Gefallen hat mir, wie die Autoren die Bedeutung von „Stories" in ökonomischen Zusammenhängen hervorheben – auch wenn sie gerade dies für meinen Geschmack viel zu kurz tun. Die Frage bleibt jedoch, ob die Analyse von wirtschaftlichen Entwicklungen mit Hilfe der Animal Spirits doch nicht selbst nur ein genüsslich zu lesendes „Story-telling" bleibt. Genüsslich und mit (mentalem!) Gewinn zu lesen ist es jedenfalls.