Die Asset Allocation – die Vermögensaufteilung auf Hauptanlageklassen wie Aktien, Renten oder Immobilien – stellt die wichtigste Stufe im Investmentprozess institutioneller und privater Anleger dar, da durch sie die Wertentwicklung des Vermögens maßgeblich bestimmt wird. Dabei hängen die Entscheidungen im Rahmen der Asset Allocation wiederum neben der Risikotoleranz des Anlegers und seinem Zeithorizont insbesondere von seinen Erwartungen bezüglich der zukünftigen Wertentwicklung der Anlageklassen ab.
Vor diesem Hintergrund kommt der Erwartungsbildung für die Asset Allocation eine hohe Bedeutung zu, weshalb in der Praxis intensives Research durchgeführt und komplizierte quantitative Prognosemodelle erstellt werden. Die Umsetzung der geschätzten, erwarteten Renditen in Portfoliostrukturen, also die Portfoliokonstruktion, erfolgt bei der auf Markowitz zurückgehenden Portfoliotheorie im Zuge einer Optimierung der Portfoliogewichte. Diese Methode ist aber kaum für den Praxiseinsatz problematisch, da die Portfoliogewichte überaus sensitiv auf kleinste Änderungen in den Prognosen reagieren. Deshalb ist das resultierende Portfolio ist in der Regel schlecht diversifiziert und intuitiv kaum nachvollziehbar.
An dieser Problematik setzt die Arbeit an und füllt damit eine Lücke in der wissenschaftlichen Literatur zur Portfoliokonstruktion, die seit den grundlegenden Arbeiten von Markowitz nur relativ wenige Weiter- und Neuentwicklungen hervorgebracht hat. Dabei werden zunächst die bestehenden Methoden aufgearbeitet und zu systematisiert, um anschließend praxistaugliche Ansätze zu entwickeln. Besonders hervorzuheben ist, dass Modelle konzipiert werden, die mit qualitativen Prognosen umgehen können. Denn in der Praxis ziehen es Portfoliomanager zunehmend vor, statt numerischer Prognosen („Aktien erzielen im nächsten Jahr einen Mehrertrag von X % gegenüber Staatsanleihen“) eher Richtungsprognosen („Aktien werden im nächsten Jahr einen höheren Ertrag als Staatsanleihen erzielen“) zu formulieren.
In der Arbeit werden zahlreiche Ansätze zur Berücksichtigung von Schätzfehlern diskutiert bzw. neue Ansätze entwickelt. Hierzu zählen bspw. Heuristische Ansätze (Einführung von Restriktionen, Resampled Efficiency), Bayes‘sche Ansätze, Mean/LPM-Optimierung, Bootstrapping oder szenariobasierte Portfoliooptimierung. Anhand von zahlreichen Fallstudien und empirischen Untersuchungen wird jeweils dargestellt, welche Implikationen sich für das Anlegerportfolio ergeben. Es wird aufgezeigt, dass die Berücksichtigung von Schätzfehlern zu deutlich unterschiedlichen Portfoliostrukturen führt. Erstaunlicherweise würde beispielsweise ein Anleger im Rahmen seiner Strategischen Asset Allocation eine Aktienquote wählen, die – anders als gemeinhin angenommen - entweder nur moderat mit dem Anlagehorizont zunimmt oder sogar fällt. Die resultierenden Portfoliostrukturen sind zudem ausgewogener, was deutlich mehr Akzeptanz bei institutionellen Anlegern hervorrufen dürfte als die klassische Markowitz-Optimierung. Im Rahmen der empirischen Untersuchung stellt der Autor fest, dass die Performance in einem out-of-sample Test in der Mehrzahl der Fälle gesteigert werden, und in allen Fällen werden das Umschichtungsvolumen reduziert und damit die Transaktionskosten gesenkt.
Die auf einem hohen Niveau verfasste Arbeit behandelt ein zentrales Problem des Portfoliomanagements und leistet einen wesentlichen Beitrag für die Investmentpraxis. Es ist damit für private und institutionelle Anleger sowie Forscher und Studierende der Finanzierungs- und Portfoliotheorie gleichermaßen empfehlenswert.
*)Dr. Volker G. Heinke, Diplom-Kaufmann, ist Abteilungsdirektor und Leiter der Hauptabteilung Asset-Liability-Management / Kapitalanlagen-Controlling bei der Provinzial NordWest Gruppe.
Asset Allocation und Prognoseunsicherheit
von Dr. Ulf Herold, Bd. 19 der Reihe „Portfoliomanagement“
Hrsg.: Prof. Dr. Lutz Johanning, Prof. Dr. Raimond Maurer, Prof. Dr. Markus Rudolf
Uhlenbruch Verlag GmbH
2004
98 €
ISBN 3-933207-44-4