Das Buch beginnt mit einer detaillierten, größtenteils sehr informativen und mit interessanten Marktfakten angereicherten Darstellung der im institutionellen Anleihenhandel bestehenden börslichen und außerbörslichen Marktorganisation, Marktusancen und Handelsprozesse. Anschließend werden aus mikrostrukturtheoretischen Handelsmodellen auf überzeugende Art zehn plausible Hypothesen hinsichtlich des Einflusses öffentlicher Informationsereignisse auf den anschließenden Preisbildungsprozess und die Handelstätigkeit abgeleitet, die in der Folge empirisch überprüft werden. Im Zuge der Hypothesenbildung gibt der Autor einen kompetenten Überblick über die für den Untersuchungsgegenstand „Staatsanleihenhandel“ relevanten Modellklassen der mikrostrukturtheoretischen Forschung. Die eigene empirische Untersuchung basiert zum einen auf umfangreichen Transaktionsdatensätzen für den Bund-Futurekontrakt und für zwei Bundesanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit sowie auf einem umfassenden Datensatz mit ca. 500 makroökonomischen Informationsereignissen aus dem deutschen, europäischen und US-amerikanischen Wirtschaftsraum (z.B. Veröffentlichungen von US-Arbeitsmarktdaten, des Ifo-Geschäftsklimaindex oder des Geldmengenaggregats M3). Diese bemerkenswerte Datenbasis erlaubt die Analyse der präzisen zeitlichen Abfolge der Preisbildungs- und Handelsprozesse. Die im Rahmen der Studie betrachtete Untersuchungsperiode ist das Jahr 2001. Für die empirische Überprüfung der Hypothesen verwendet Herr Kesy eine Reihe unterschiedlicher multivariater Regressionsansätze.
Aus der empirischen Untersuchung resultieren zahlreiche weiterführende und statistisch hochsignifikante Erkenntnisse hinsichtlich des Preisbildungsprozesses und der Handelsaktivität der Marktakteure im Kassa- und Futurehandel von Bundeswertpapieren, welche der Autor übersichtlich in den Kontext der mikrostrukturtheoretischen Forschung im Anleihenbereich einzuordnen vermag. Herr Kesy kann so unter anderem belegen, dass im Bund-Futurehandel die im Anschluss an ein neues öffentliches Informationsereignis beobachtbare Renditeanpassung im Durchschnitt innerhalb von höchstens zwei Minuten erfolgt und unmittelbar auf den Überraschungsgehalt der neuen Information zurückzuführen ist. Diese nahezu informationseffiziente Preisanpassung geht jedoch aufgrund der bestehenden Unsicherheit einzelner Marktakteure sowie der Anpassung der Handelsbestände an die neue Informationslage einher mit einer über einen längeren Zeitraum phasenweise stark erhöhten Volatilität und einer regen Umsatzaktivität.
Auf deskriptiver, theoretischer und empirisch-analytischer Ebene vermag der Verfasser sehr anregende und sehr gut hergeleitete sowie vorbildlich dokumentierte Ergebnisse für die Preisbildungs- und Handelsprozesse des Sekundärmarktes für Bundeswertpapiere anzubieten. Das Buch leistet insgesamt einen beachtlichen und anspruchsvollen Beitrag zur Schließung einer Wissenslücke um das Funktionieren von Anleihensekundärmärkten. Es richtet sich sowohl an Praktiker, die an den Preisbildungsprozessen und Handelsaktivitäten im Anleihenhandel interessiert sind, als auch an das wissenschaftlich ausgerichtete Fachpublikum.
*) Dr. Volker G. Heinke, Diplom-Kaufmann, ist Abteilungsdirektor und Leiter der Hauptabteilung Asset-Liability-Management / Kapitalanlagen-Controlling bei der Provinzial NordWest Gruppe.
Informationsverarbeitung am Rentenmarkt
von Christop Kesy, in Reihe „Financial Research“, Bd. 7,
Hrsg.: Prof. Dr. Thorsten Poddig, Prof. Dr. Heinz Rehkugler
Uhlenbruch Verlag GmbH
2003
271 Seiten
59 €
ISBN 3-933207-38-X