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Analyse: Pensionsreform ist das kleinste Problem nach den Wahlen in Österreich

Die Rechten gewannen die meisten Stimmen aber die Regierungsbildung wird noch einige Zeit dauern – Zeit, die in der Diskussion über das Rentensystem fehlt.

Aus den Wahlen am vergangenen Sonntag ging die rechte FPÖ mit knapp 29% der Stimmen und dem höchsten Zugewinn an Wählern als Gewinner hervor. Es ist der größte Sieg einer Partei aus dieser Seite des politischen Spektrums seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die konservative ÖVP erreichte den zweiten Platz mit 26%, gefolgt von der sozialistischen SPÖ (21%). Die Grünen, die die letzten vier Jahre lang das Land gemeinsam mit der ÖVP regiert hatten, fielen auf 8% zurück. Die liberal-konservativen Neos sind die einzige andere Partei, die neben der FPÖ Stimmengewinne zu verzeichnen hatte und liegt jetzt bei 9%.

Der österreichische Vorsorgeverband, die Vertretung der Pensions- und Vorsorgekassen sagte gegenüber IPE: „Wir möchten mit allen Parteien, die in die Regierung kommen, eine professionelle Gesprächsebene aufbauen.“

Vor der Wahl hatte der Vorsorgeverband ein Reformpapier für die neue Regierung vorbereitet, in dem Schlüsselforderungen zusammengefasst wurden. Jede einzelne davon sind schon lang auf der Agenda des Verbandes, aber nur wenige sind jemals von Regierungen diskutiert geschweige denn umgesetzt worden.

Die Hauptforderung ist „eine Pensionsreform über alle drei Säulen hinweg“ und „der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge als wichtige Ergänzung zur staatlichen Pension“. Allerdings fehlt im jüngsten Reformpapier die Terminologie „Obligatorium“, die in früheren Pressaussendungen zu finden war.

Der Vorsorgeverband hielt gegenüber IPE in einem Statement fest, dass „die konkrete Ausgestaltung durch die Alterssicherungskommission erfolgen soll“. Dieses Gremium aus Beamten, Akademikern und Experten soll die Regierung in Sachen Pensionen beraten.

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Für alle Reformvorschläge, die hauptsächlich Änderungen im Steuersystem sowie eine Forderung nach mehr Wahlmöglichkeiten für Rentner in der Veranlagung beinhalten, braucht der Vorsorgeverband starke Unterstützung im Parlament.

Allerdings haben, unter allen Parteien, die für eine Koalition in Frage kommen, nur die Neos bisher wirkliches Interesse an einer Rentenreform gezeigt. Sie sind die einzige Partei, die regelmäßig an Diskussionsrunden zu dem Thema teilgenommen hat oder auch selbst Presseveranstaltungen dazu abgehalten hat.

Theoretisch stehen sowohl die FPÖ als auch die ÖVP hinter einer Stärkung der Zweiten Säule. Nur die SPÖ ist überzeugt, dass die Erste Säule fast perfekt ist und auch die Grünen sind mit dem Status Quo weitgehend zufrieden.

„Eine tragfähige Reform müsste – wie zum Beispiel vor Jahren in Schweden – von einer großen Mehrheit der im Parlament vorhandenen Parteien getragen werden“, so der Vorsorgeverband in einer Antwort auf eine Anfrage von IPE. „Dann hätte diese Reform Kraft und auch einen entsprechenden Rückhalt in der Bevölkerung.“

Allerdings glaubt derzeit niemand daran, dass es schnell zu einer Regierungsbildung kommen wird. Nach den letzten Wahlen im Jahr 2019 hatte es 100 Tage gebraucht, bis die ÖVP und die Grünen sich auf eine Koalition einigen könnten.

Dieses Mal besteht die Schwierigkeit darin, dass alle Parteien eine Koalition mit der FPÖ unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden Herbert Kickl ausgeschlossen haben. Dieser wird von vielen als zu weit rechts angesehen.

Eine Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos oder Grünen ist möglich und wird angedacht. Aber jegliche Lösung wird Zeit brauchen – Zeit, die für die Diskussion über eine dringend notwendige Reform des Rentensystems fehlt.