Hedgework: Herr Dornseifer, Ende des Jahres 2003 überraschte der Gesetzgeber die Fondsbranche mit der Ankündigung, Hedgefonds in Deutschland zu erlauben. Wie haben Sie diese Nachricht damals persönlich aufgenommen?
Dornseifer: Ehrlich gesagt war das für mich zunächst nur eine Randnotiz. Ich arbeitete damals in einer internationalen Anwaltskanzlei und ein Hedgefonds war für mich schlichtweg eine spezifische Ausprägung eines Investmentfonds, nämlich ohne engmaschige Anlagerestriktionen. Für mich war es also logisch, dass diese auch in Deutschland aufgelegt werden. Erst ein gutes Jahr später, als ich dann zur BaFin wechselte, wurde mir die besondere regulatorisch-politische Brisanz für Hedgefonds in Deutschland richtig bewusst, die mich aber dennoch immer wieder verwundert hat.
Hedgework: Die ersten Gehversuche in Sachen Hedgefonds waren ja damals sehr bescheiden. Produkte aus dieser Zeit aus heimischer Produktion gibt es gar nicht mehr. Woran lag es, dass auch in dieser frühen Phase die anfängliche Euphorie über die Zulassung von Hedgefonds sehr schnell einer Ernüchterung gewichen ist?
Dornseifer: Es fehlte vor allem die Affinität zweier entscheidender Stakeholder: Politik und institutionelle Investoren. Gesetze bzw. Regulierung auf den Weg zu bringen war wenig glaubwürdig, wenn gleichzeitig undifferenziert die Heuschrecken verteufelt wurden. Wenn dann noch Aufsichts- und Steuerrecht nicht ineinandergreifen, muss man sich nicht wundern, dass das Kind nur krabbelt und eben nicht richtig laufen lernt. So viel zur Rolle der Politik. Gleichzeitig fehlte damals bei vielen institutionellen Investoren die Bereitschaft, sich ernsthaft mit Anlagen in Hedgefonds auseinanderzusetzen: Due Diligence, Risikomanagement, Tax Compliance etc. – eben alles nicht trivial. Long-only und dann noch Fixed-Income bereiten weniger Kopfzerbrechen.
Hedgework: Spätestens seit der Finanzkrise ab 2008 war der Begriff Hedgefonds in Deutschland geradezu tabuisiert. Für die Politik dienten die Fonds als Sündenböcke, obwohl die Industrie hierzulande noch in den Startlöchern steckte. War es für die Produktgattung einfach nur Pech, unter die Räder zu geraten?
Dornseifer: Ich glaube, nein. In den USA wurden Wildwestmethoden von Politik und Aufsicht zeitweilig ignoriert. Skandale und fragwürdige Gebührenstrukturen waren die Folge. Das hat an dem Ruf der gesamten Branche gekratzt. Und dann blieben viele Manager auch ihre Renditeversprechen schuldig.
Hedgework: Dennoch hat sich seit der Finanzkrise eine lebhafte Alternative-Investment-Industrie entwickelt. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hat hier auf der Suche nach Anlagealternativen Unterstützung geleistet. Von Real Assets bis hin zu Liquid Alternatives bietet die Branche den Investoren jedes erdenkliche Konstrukt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Dornseifer: Ich würde noch einen Schritt weiter zurückgehen. Die Euro-Krise hat zunächst deutlich gezeigt, wie gefährlich etwa eine Staatsfinanzierung durch Banken, Versicherungen & Co. ist. Nur wer sein Portfolio breit aufstellt und echt diversifiziert, ist krisenfest aufgestellt. Diese Erkenntnis war der Durchbruch für die vielfältige Welt der Alternative Investments. Gleichzeitig suchen Investoren immer häufiger auch maßgeschneiderte Anlagemöglichkeiten statt von der Stange. Diese Nischen wollen und müssen besetzt werden.
Hedgework: Nun hat ja auch die Entwicklung der Alternative-Investment-Industrie an sich in den vergangenen 15 Jahren große Sprünge gemacht. Was waren die wichtigsten Stationen?
Dornseifer: Auf der regulatorischen Seite würde ich auf jeden Fall die AIFM-Richtlinie nennen. Denn diese hat – endlich – einen verlässlichen und durchaus praxistauglichen Rahmen für entsprechende Fonds und deren Anleger geschaffen. Auch dies hat zum Umdenken bei den Investoren beigetragen. Auf der Anlageseite haben wir mit Private Debt und Faktor Investing zwei fundamentale Trends, die mittlerweile die AI-Branche beherrschen, aber schon vor längerer Zeit ihren Ursprung hatten. Für einen Verband reicht es nicht aus, derartige Trends nur zu beobachten, sondern man muss sie auch aktiv mitgestalten, wie beispielsweise der BAI bei der Einführung von Kreditfonds in Deutschland.
Hedgework: Ein Fondsmanager hat unter der heutigen Regulierung gegenüber früher gewöhnlich mehr Möglichkeiten, bei sich ändernden Marktbedingungen flexibel darauf zu reagieren. Während des Platzens der sogenannten Tech-Bubble in den Jahren 2000 bis 2003 klebte er ja geradezu fest an seiner Benchmark. Ist die Fondsindustrie mit der Entwicklung der vergangenen 15 Jahre insgesamt ein Stück sicherer für den Anleger geworden? Oder bedarf es spezieller Produkte aus dem AI-Bereich?
Dornseifer: Zunächst einmal kann man auch heute nicht das Risiko ausschließen, aufs falsche Pferd zu setzen. Auf der anderen Seite ist der ETF-Boom meines Erachtens ein guter Beleg dafür, dass Benchmarks für Anleger weiterhin eine sehr große Rolle spielen. Mit anderen Worten: im Grundsatz ist zwar die Anlagesicherheit verbessert worden, etwa durch Zulassungsverfahren, Due Diligence und Risikomanagement-Prozesse, Anforderungen an die Bewertung und Controlling oder Reporting; auf der anderen Seite wird aber von Mechanismen zur Verlustabsicherung, unter anderem durch Long-Short-Strategien, zu wenig Gebrauch gemacht. Eventuell bringen hier die Robo-Advisor den nächsten Entwicklungsschritt, insbesondere auch für Retail-Anleger.
Hedgework: Ein kurzer Ausblick. Was werden die großen Themen für die Alternative-Investment-Industrie in den nächsten Jahren sein?
Dornseifer: Die Digitalisierung ist längst auch in der Asset-Management-Branche angekommen. Die Begriffe FinTech und natürlich Blockchain sind in aller Munde. Die gesamte Finanzbranche beschäftigt sich mit neuen Geschäftsmodellen, Technologien und Prozessen und jeder versucht zu antizipieren, ob und inwieweit man selbst betroffen ist. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Wertpapiere und andere Assets digitalisiert sind und somit auch deren Erwerb, Handel und Verwahrung, gegebenenfalls auch deren steuerliche Erfassung revolutioniert werden. Smart Bonds, Kryptoanleihen, Futures auf Bitcoins etc. sind die Vorboten dieses neuen Technologiesprungs und manche Marktteilnehmer prophezeien, dass schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren Wertpapierurkunden aus den Tresoren von Clearstream & Co. ganz verschwinden und eben in die Blockchain wandern. Gleichzeitig wird sich die gesamte Wertschöpfungskette der Asset-Management-Branche verändern.
Hedgework: Das heißt?
Dornseifer: Der gesamte Anlageprozess wird betroffen sein, insbesondere durch künstliche Intelligenz, die bislang ungeahnte Analyseprozesse ermöglichen wird. So neu ist das Thema natürlich auch nicht, denn Trendfolgemodelle etc. gibt es schon seit langem. Es sind aber vor allem die technischen Parameter, die sich dramatisch verändern, beispielsweise durch Quantencomputer. Mein Fazit lautet daher: Auch der Alternativen-Investments-Branche stehen extrem spannende und heraufordernde Jahre bevor!
Hedgework: Herzlichen Dank für das Gespräch.
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*) Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V., Bonn. Nach seinem Studium in Bonn, Dublin und Lausanne arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in den Gebieten Gesellschafts- und Wertpapierrecht. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als stellvertretender Referatsleiter bei der BaFin im Grundsatzreferat Investmentaufsicht und als Repräsentant im Investment Management Committee der Organisation der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Investment- und Gesellschaftsrecht und Herausgeber von Kommentaren zum KAGB und zur AIFM-Richtlinie.
Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) ist die assetklassen- und produktübergreifende Interessenvertretung für Alternative Investments in Deutschland. Der Kreis der Verbandsmitglieder setzt sich aus allen Bereichen der professionellen Alternative-Investment-Branche zusammen. 170 nationale und internationale Unternehmen sind derzeit Mitglied im BAI, der 1997 in Bonn gegründet wurde.
„Der AI-Branche stehen herausfordernde Jahre bevor“

Frank Dornseifer*