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Gastbeitrag: Solvency II und die daraus resultierenden Herausforderungen

Am 1. Januar 2013 soll das EU-Projekt Solvency II in Kraft treten. Die Solvabilitätsvorschriften werden Versicherer animieren, das interne Risikomanagement zu verbessern und zugleich das Aufsichtsrecht in Versicherungen grundlegend reformieren.

Solvency II strebt die Harmonisierung der Aufsicht im Europäischen Wirtschaftsraum (EU+Island+Norwegen+Liechtenstein) an. Um widersprüchliche Handlungsvorschriften für den Versicherungs- und Bankensektor zu vermeiden, soll der Verbraucherschutz mit Regelungen für Kreditinstitute in Einklang gebracht werden. Auf Basis dessen werden in allen EU-Mitgliedsstaaten wirtschaftliche und risikobasierte Anforderungen zur Leistungsfähigkeit eingeführt.

 

Elodie Laugel (oben) und Gilles Dauphine

Der Solvency II Ansatz
Solvency II wird die Versicherungsbranche verändern und in allen EU-Mitgliedstaaten wirtschaftliche, risikoorientierte Eigenmittelanforderungen umsetzen. Die Richtlinien gelten für alle Versicherungsunternehmen, einschließlich der Rückversicherer. Im Gegensatz zu Solvency I findet hier eine marktnahe Bewertung aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten statt. Wenn auch die Mehrheit der Versicherungsunternehmen die maßgeblichen Bestimmungen befürwortet, wird auch Kritik an den Konsequenzen laut: Die Versicherer müssen künftig strikte Eigenkapitalanforderungen erfüllen, um als solvent eingestuft zu werden. Diese Regelungen wurden im Anschluss an die jüngste Finanzkrise sogar noch verschärft. Seitdem haben Aufsichtsbehörden, die Europäische Kommission und die Versicherungsbranche in mehreren Diskussionsrunden zusätzliche Anpassungen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund wird derzeit geprüft, wie die Gliederung der Geschäftsbereiche und das Marktrisiko anzupassen sind.

Widerspruch Kurzfristansatz?
Solvency II definiert als risikoorientierte Methodik die Auswirkungen von Investitionen auf die Solvenz und hindert Versicherungsunternehmen nicht an der Investition in bestimmte Anlageformen. Die Solvenzbedingungen, die Investitionen an den Finanzmärkten standardmäßig erfüllt sein müssen, sind auf kurze Sicht festgelegt: Versicherungsgesellschaften müssen über ausreichend freies Kapital verfügen, um im Falle eines plötzlichen Extremereignisses Verluste decken zu können. Dieser Kurzfristansatz steht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Ziel der von Versicherern getätigten Investitionen, die lang- oder mittelfristig orientiert sind, um Fristenkongruenz mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft herzustellen. Diese Diskrepanz stellt eine Herausforderung dar, denn es gilt langfristige wirtschaftliche Ertragsziele mit kurzfristigen Beschränkungen abzustimmen und dabei gleichzeitig einen optimalen Ausgleich zwischen Erträgen und Sollvorgaben zu gewährleisten.

Die Solvency-II-Quote

Inwieweit die vorhandenen Eigenmittel die Solvabilitätsanforderungen nach Solvency II übersteigen, beschreibt die sogenannte Solvency-II-Quote. Um diese zu maximieren, werden Versicherer eine zu kurzsichtige Herangehensweise vermeiden müssen. Es geht darum das Verhältnis von Risiko und Ertrag zu optimieren. Der Ertrag ist die wirtschaftliche Kapitalrendite und das Risiko steht für die Vorgaben von Solvency II, also das als Solvenzkapitalanforderung definierte extreme wirtschaftliche Risiko. Die Maximierung kann durch die Steigerung der Ertragserwartungen im Hinblick auf die Solvency-II-Solvabilitätsanforderung oder durch die Reduzierung der Solvenzkapitalanforderung für dieselbe Ertragserwartung erzielt werden. Die Steuerung der Solvency-II-Quote auf ein bestimmtes Niveau ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig müssen Versicherer dieses Niveau im Zeitverlauf so stabil wie möglich halten.

Definition möglicher Lösungsansätze
Im Hinblick auf das Marktrisiko gibt es mehrere Lösungen um diese Ziele weiterhin zu erreichen und dabei gleichzeitig den Anforderungen von Solvency II zu genügen. Diese lassen sich folgendermaßen einordnen (dabei ist zu beachten, dass Versicherer neben den aufsichtsrechtlichen Beschränkungen auch diverse Rechnungslegungsvorschriften berücksichtigen müssen. Bei der Ausarbeitung von Investmentlösungen muss man daher begreifen, wie sich diese Lösungen auf Bilanzierung und Rechnungswesen eines Unternehmens auswirken werden):

1. Asset-Allokations-Lösungen
Die Vermögensstrukturierung wird angepasst, um so die Solvency-II-Quote durch bestmögliche Diversifizierung zu optimieren.

2. Auf Derivaten und Strukturation basierende Lösungen
*Die Solvenzkapitalanforderung für das Marktrisiko wird durch den Einsatz von Hedging-Instrumenten gesenkt, um so eine Absicherung gegen Abwärtsrisiken zu schaffen.

3. Dynamische / aktive Strategien
*Die Strategien werden darauf ausgerichtet, den wirtschaftlichen Ertrag und damit die Volatilität der vorhandenen Mittel zu steuern und zu begrenzen.
*Ein bestimmtes aktives Einzeltitelauswahlverfahren wird umgesetzt, um die Erwartungen an das wirtschaftliche Kapital zu verbessern und die diesbezügliche Volatilität zu minimieren.

Fazit:
Solvency II verlangt von Versicherungsgesellschaften ihre Risikomanagementprozesse zu verbessern, um so auch Extremrisiken zu berücksichtigen. Dennoch sollten sich Versicherer nicht allein auf die Risikoreduzierung fokussieren. Die Zweischneidigkeit die sich daraus ergibt - dass Versicherer einerseits größeren Wert auf Kontrolle und Steuerung über einen kurzen Zeithorizont legen müssen, längerfristige Zielsetzungen aber zu einer höheren Risikoneigung führen werden -  ist somit Folge der Solvency-II-Quote der betreffenden Gesellschaft. Eine niedrige Solvabilitätsquote könnte eine geringere Risikoneigung implizieren, während Versicherer mit einem höheren Eigenmittelanteil es sich leisten können, größere Risiken bei ihren Geschäften einzugehen. Dies bedeutet, dass Investoren ihre strategischen Risikobudgets regelmäßig anpassen müssen, um der ungewohnten Risikoaversion Rechnung zu tragen. Die Konzentration auf Marktrisiken ist auch nur ein Teil des Gesamtbildes für Versicherer. Solvency II wird die Handlungsart von Versicherungsgesellschaften verändern Diese werde die Gliederung ihrer Geschäftsbereiche sowie die Aufteilung der Solvenzkapitalanforderungen zwischen Markt- und Versicherungsrisiko wohl neu überdenken müssen.

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*) Elodie Laugel, Head of Financial Engineering und Gilles Dauphine, Head of Structuring, beide AXA Investment Managers