In der aktuellen Debatte darüber, welche Parameter angewandt werden sollen, um die Solvenzquote von EbAV in Europa zu berechnen, haben die Aktuare ein Diskussionspapier erarbeitet, in dem sie die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA zu „Clarity before Solvency“, also Klarheit vor Solvabilität bei EbAV auffordern (<link http: actuary.eu documents aae-clarity-before-solvency-19-05-2015-final.pdf>Link zum Bericht auf Englisch).
Eine große Forderung der Aktuare ist, keinen einheitlichen Rechnungszins auf alle EbAV anzuwenden.
„Der Rechnungszins ist ein wichtiges Element der EIOPA-Debatte zum Holistic Balance Sheet (HBS) und es werden dabei zwei Arten von Rechnungszins diskutiert: ein risikoloser Zins und einer, der auf den erwarteten Erträgen aus Kapitalanlagen beruht“, erläuterte Falco Valkenburg, Vorsitzender des Pensions Committee der AAE, im Gespräch mit unserer Redaktion.
„Aber für uns gibt es keine Wahl zwischen den beiden Extremen. Der Rechnungszins sollte die Eigenheiten der Pensionszusage widerspiegeln, je nach Garantien, Nachschusspflicht, etc. – die EbAV setzt dabei nur die zugrunde liegende Pensionszusage um.“
Deshalb müsse die Diskussion viel eher basierend auf den Pensionszusagen, als auf den EbAV geführt werden, so Valkenburg.
Er hielt fest, dass für eine voll garantierte Zusage der risikolose Zins angewandt werden könnte und für ein reines (kollektives) DC-System, der Zins, der auf den Ertragszielen beruht.
„Allerdings sind die meisten Pensionszusagen in Europa irgendwo zwischen diesen beiden Modellen“.
„Sollte die EIOPA alle EbAV zwingen, den risikolosen Rechnungszins anzuwenden, dann werden damit alle Eigenheiten und Bedingungen einer Pensionszusage außer Acht gelassen und alle werden behandelt, als wären sie voll garantiert“, betonte der Aktuar.
Laut Valkenburg ist genau dies in einigen Ländern bei der ersten Quantitative Impact Study (QIS) der EIOPA passiert, in der ein risikoloser Zins zugrunde gelegt wurde.
„Die Ergebnisse haben die Ausfinanzierungslücken in einigen EbaV übertrieben dargestellt, aber die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den nationalen Bewertungen und dem Ansatz der EIOPA“, so ist Valkenburg überzeugt.
Er betonte, es sei wichtig, ein „wahres Bild“ der Verpflichtungen einer Pensionszusage zu erstellen. Mitglieder einer EbAV, sowie alle Beteiligten, müssten die Auswirkungen bestimmter Konditionen, die an eine Zusage geknüpft sind, verstehen.
„Sowohl Defined Benefit (DB) als auch DB-Risiken werden derzeit oft nicht vollständig verstanden und werden den Mitglieder nicht ausreichend kommuniziert“, zeigte sich der Aktuar besorgt.
Als Beispiel nannte Valkenburg Großbritannien, wo Renten zwar garantiert sind, aber wenn das Trägerunternehmen insolvent wird, werden die Zusagen an den Pensionssicherungsfonds PPF übertragen und um 10% gekürzt. Es stelle sich die Frage, ob die Mitglieder wirklich über dieses Risiko Bescheid wüssten.
„Wir sagen nicht, dass die eine Zusage besser ist als die andere – wir müssen nur Klarheit für alle Beteiligten schaffen, sodass jeder eine Basis hat, Maßnahmen zu ergreifen, sollte es notwendig werden.“
Dieses „Ergreifen von Maßnahmen“ könnte auch in Klagen vor Gericht wegen Nichterfüllung einer Zusage kumulieren. Derzeit geschehe in den Niederlanden ähnliches, wo Versicherer wegen ausstehender Zahlungen verklagt werden, so Valkenburg.
Aber er betonte, dass dies der Fall sei „wo sich Renten von Versicherungsverträgen unterscheiden, weil erstere eine Vereinbarung zwischen Sozialpartnern sind und Uneinigkeiten auch in diesem Rahmen geschlichtet werden können“.
„Dabei geht es nicht nur um die jetzige Generation, sondern auch die nächsten und wir reden über Milliarden an Euro, die diese Versprechen wert sind und die erst verdient werden müssen“, so Valkenburg.
Wenn schon ein leichter Anstieg des Rentenalters in Frankreich soziale Unruhen auslösen könne, dann könnte das noch viel schlimmer werden.
„Wir rufen zu einem Prozess auf, der mit Klarheit beginnt, zu Verständnis führt und dann zur Einigung anstelle von Gerichtsprozessen“, so der Aktuar.
Um Klarheit über die Bewertung zu erlagen, schlägt die AAE vor, dass entweder auf nationaler oder auf EU-Ebene Parameter für ALM-Studien zu den Verpflichtungen von einem unabhängigen Komitee aufgesetzt werden, „um die Anwendung von unausgewogenen oder zu optimistischen Parametern zu vermeiden“.
„ALM erlaubt Projektionen über die zukünftige Entwicklung von Mitgliedern und Vermögen eines Fonds. Der HBS-Ansatz zeigt jedoch nur die Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt und übersieht dabei, wie sich ein Fonds in Zukunft entwickeln kann“, erläuterte Valkenburg die Unterschiede.
In einem früheren Gespräch mit unserer Publikation zu den neuen Stresstest für EbAV, die die EIOPA vergangene Woche präsentiert hatte, hatte der Aktuar darauf hingewiesen, dass der HBS-Ansatz zwar „interessant“ sei, aber „noch nicht reif für den Einsatz“.
„Bei einer längerfristigen Betrachtung von Pensionsvereinbarungen, z.B. mit einem ALM, das auf angemessenen Parametern beruht, werden wir feststellen, dass die meisten Pensionszusagen nicht ausreichend finanziert sind“, so der Aktuar.
Allerdings erläuterte er, dass alle Beteiligten „nicht sehr erpicht sind auf vollständige Transparenz“, aber er betonte, dass „der Schmerz nicht vergeht, nur weil man abwartet“.
Seiner Ansicht nach ist das Problem „für neue Zusagen relativ leicht lösbar“, sobald Klarheit etabliert wurde. Aber dennoch „müssen wir uns noch mit den bereits gemachten Zusagen auseinandersetzen“.
Auf der technischeren Ebene fügte Valkenburg hinzu, dass Klarheit über Verpflichtungen auch bedeute, dass keine verzerrenden Parameter wie die „Counter Cyclical Premium“ oder die „Matching Premium“, die unter Solvency II zum Einsatz kommen, auf Bewertungen von Pensionszusagen angewandt werden dürfen.
„Verstecken wir doch nicht die Wirklichkeit, indem wir solche Prämien anwenden. Wir sollten lieber den ‚richtigen’ Wert ausweisen, einen objektiven Wert – und wenn es eine große Ausfinanzierungslücke gibt, dann können sich die Sozialpartner entscheiden so etwas wie die ‚Counter Cyclical Premium’ einzusetzen, um Parameter festzulegen, ab wann Maßnahmen zu setzen sind“, erläuterte Valkenburg abschließend.
Hintergrund: Europäische Aktuarsvereinigung AAE warnt vor einem einheitlichen Rechnungszins für alle Pensionsfonds in Europa
