Die Ergebnisse des EIOPA Stresstests waren „keine Überraschung“ für Georg Thurnes, Chefaktuar bei Aon Hewitt Deutschland und Mitglied des Vorstandes der aba. Den einzigen „Aha-Moment“ habe er beim Vergleich des BIP mit jenen Summen, die Unternehmen im Falle eines Stresstest-Szenarios zahlen müssen, gehabt, so Thurnes.
Gemäß dem Bericht über die Testergebnisse wären bis zu 45% des niederländischen BIP nötig, falls das schlimmste Szenario eintritt. In Großbritannien und Irland wären es 20% bzw. 30%. Für Deutschland wäre der Anteil des BIP vernachlässigbar gering, bei unter 5%.
Die EIOPA schreibt hierzu, dass die „relativ hohen Folgen für die Niederlande zum Teil der Größe des Pensionsfonds-Marktes geschuldet sind, sowie dessen regulatorischen Umfelds“. Es hat sich über die letzten Jahre nämlich nicht nur sehr viel Vermögen in der zweiten Säule des Pensionsystems des Landes angesammelt. Niederländische Pensionsfonds müssen auch zu mindestens 127% ausfinanziert sein, basierend auf einer marktkonsistenten Bewertung.
Die europäische Aufsichtsbehörde fasste zusammen, dass „die Resultate auch den Umstand widerspiegeln, dass nationale Bewertungsmethoden, nationale regulatorische Anforderungen und auch die Größe der IORP-Märkte in den einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind“.
Für Thurnes beweisen diese Zahlen, dass die „gesamten reale Risiken des Pensionssystems eines Landes nur bewertet werden können, wenn das gesamte Pensionssystem betrachtet wird“. Er hielt fest, dass die Niederlande, Großbritannien und Irland sich weniger auf die erste Säule für die Altersvorsorge verlassen als z.B. Deutschland. Und darüber hinaus wird in den EIOPA-Szenarien nur ein Teil der kapitalgedeckten Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland betrachtet, weil nicht alle Instrumente unter die IORP-Richtlinie fallen.
Christian Böhm, CEO bei der APK Pensionskasse in Österreich, befürchtet ebenfalls, dass die „nationalen Eigenheiten der verschiedenen Pensionssysteme auf europäischer Ebene nicht ausreichend bedacht werden.“ Ein Beispiel seien die EIOPA-Stresstests, die laut Böhm „ein Versuch sind, um nicht zueinander passende Systeme unter einer Überschrift zusammenzufassen“.
„Die zweiten Säulen sind vor allem deshalb in den einzelnen Ländern so unterschiedlich, weil die ersten Säulen so unterschiedlich sind“, erläuterte Böhm, dessen Pensionskasse derzeit rund 4,3 Mrd. Euro verwaltet.
Ein weiteres Problem sei, dass „sehr oft Lösungen zu Problemen gefunden werden, die nicht wirklich existieren“. Für den APK-Chef ist ein Beispiel die Frage nach grenzüberschreitenden Pensionsfonds: „Es muss nicht alles geändert werden, um grenzübergreifendes Pensionsgeschäft zu vereinfachen, weil es ohnehin nicht viel grenzüberschreitendes Pensionsgeschäft gibt.“ Und Böhm fügte hinzu, dass dies nicht vorrangig die Schuld der Pensionsgesetzgebung sei, sondern eine Steuerfrage, und „diese kann nicht mit einer EIOPA-Richtlinie repariert werden“.
Keine Überraschungen bei EIOPA Stresstests – aber Kritik
