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Kommentar: Die irische Wirtschaft bleibt ein Sorgenkind

Gerade erst machten die Iren am St. Patrick’s Day auf sich aufmerksam – die Wirtschaft der grünen Insel an der nördlichen Peripherie Europas war zuletzt dagegen seltener in den Schlagzeilen vertreten. Geht es mit der Konjunktur also wieder aufwärts?

Anthony Doyle

Ein kurzer Blick zurück: Im November 2010 war Irland pleite. Das Versprechen Dublins, für Bankenkredite geradezustehen, führte letztlich dazu, dass die Staatsschulden massiv anstiegen, bis die Regierung irgendwann nicht mehr zahlungsfähig war. Deshalb sollte Irland im Gegenzug für das internationale Rettungspaket in Höhe von 67,5 Mrd. Euro den Bankensektor verkleinern und restrukturieren. Darüber hinaus stimmte die Regierung zu, über vier Jahre einschneidende fiskalische und strukturelle Reformen einschließlich Sparmaßnahmen in Höhe von 15 Mrd. Euro umzusetzen. Zu diesem Zweck sollten die Staatsausgaben um 10 Mrd. Euro gekürzt und die Steuern um 5 Mrd. Euro erhöht werden. Dieses auf drei Jahre angelegte Hilfsprogramm wird Ende 2013 auslaufen.

Man hatte gehofft, dass Irland nach der Umsetzung dieser Reformen in der Lage sein würde, an die internationalen Kapitalmärkte zurückzukehren und dass die Anleger der irischen Regierung dann wieder Geld leihen würden. Diese Hoffnung erfüllte sich. So emittierte Irland zuletzt im Januar Anleihen im Wert von 2,5 Mrd. Euro mit einer Laufzeit bis 2017 und einer Rendite von 3,32%. Nun hofft man, im Jahr 2013 eine 10-jährige Anleihe (die möglicherweise als Benchmark dienen könnte) sowie vielleicht sogar ein inflationsgebundenes Papier begeben zu können.

Doch es gibt ein Problem: Irland kann die Milliarden aus dem Rettungspaket nicht zur Ankurbelung seiner Wirtschaft verwenden. Vielmehr wird dieses Geld von der Troika an Dublin überwiesen, in das irische Bankensystem gepumpt und von dort an die Besitzer irischer Bankenanleihen weitergeleitet. Die „einfachen Leute“ sehen keinen Cent davon. Dabei sollte das Rettungspaket ursprünglich auch den irischen Steuerzahlern zugutekommen und sie vor noch härteren Einsparungen bewahren.

Es ist deshalb keine Überraschung, dass alle Indikatoren momentan bestenfalls auf eine lediglich mäßige Erholungstendenz der Konjunktur hindeuten. Im Jahreszeitraum bis September 2012 ist Irland trotz einer hohen Arbeitslosigkeit und fiskalischer Sparmaßnahmen zwar um 0,8 Prozent gewachsen. Die Branchen Groß- und Einzelhandel, Transportwesen, Software und Kommunikation erleben einen gewissen Aufwärtstrend. Außerdem setzt die irische Regierung darauf, dass vor allem Pharma- und IT-Produkte stärker nachgefragt werden. Da aber viele wichtige Industriezweige in Irland – wie etwa der Pharmasektor – äußerst kapitalintensiv sind, werden in diesen Branchen tendenziell nur wenige Mitarbeiter beschäftigt.

Darüber hinaus befindet sich das Kapital in diesen Segmenten größtenteils in der Hand ausländischer Investoren, so dass die Gewinne der entsprechenden Firmen Irland verlassen. Deshalb ist das Bruttosozialprodukt, bei dem Einnahmen von Ausländern nicht berücksichtigt werden, ein wesentlich aussagekräftigeres Barometer für die wirtschaftliche Entwicklung Irlands. Und auf Basis dieser Kennzahl läuft es in Irland nicht allzu gut, denn die Wirtschaftsleistung liegt nach wie vor deutlich unter dem Vorkrisen-Trend.


Arbeitsmarkt erholt sich nicht
Am Arbeitsmarkt konnte der Abwärtstrend im letzten Jahr immerhin gestoppt werden. Zurzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei 14,2%, nach einem Höchststand von 15,0%. Viele Beobachter werten diese Verbesserung am Arbeitsmarkt als ein Anzeichen für eine Erholung der irischen Wirtschaft. Wir sind da allerdings nicht so sicher – denn auf Basis einer konstanten Erwerbsquote mit Stand September 2008 beträgt die Arbeitslosigkeit mittlerweile fast 19,5 Prozent; viel mehr als die die aktuelle Arbeitslosenquote vermuten lässt. Die Differenz entspricht etwa 140.000 Menschen. Aber wo sind diese Arbeitnehmer jetzt?

Möglicherweise haben sie Irland verlassen. Die Nettomigrationszahlen deuten darauf hin, dass zwischen 2009 und 2012 insgesamt 87.000 Menschen, die meist zwischen 15 und 44 Jahre alt waren, Irland den Rücken gekehrt haben. Mit dieser Nettoabwanderung, einer rückläufigen Erwerbsquote sowie einer zunehmendem Zahl entmutigter Arbeitnehmer lässt sich der Rückgang der irischen Arbeitslosenquote durchaus erklären. Das würde jedoch bedeuten, dass der Arbeitsmarkt sich gar nicht erholt. Auch die Lohn-Stück-Kosten sind in den letzten Jahren nur sehr schleppend zurückgegangen, und es wird wohl noch mindestens ein Jahrzehnt dauern, bis Irland wieder konkurrenzfähig ist. Dabei gilt Irland innerhalb der Eurozone als ein Land mit einem vergleichsweise flexiblen Arbeitsmarkt. Welche Hoffnung gibt es dann überhaupt noch für Italien, Griechenland, Spanien oder Portugal mit ihren relativ unflexiblen Arbeitsmärkten?


Sparmaßnahmen dämpfen Wachstumschancen
Tatsächlich muss man sich um die irische Wirtschaftgroße Sorgen machen. Benötigt werden Ankurbelungsmaßnahmen, keine Einsparungen. Denn ohne ein Konjunkturpaket wird das Wirtschaftswachstum in Irland entgegen der Prognosen des IWF auf absehbare Zeit unter dem langfristigen Durchschnitt bleiben.

Beginnen könnte man beispielsweise damit, dass man einen Teil des Erlöses, der aus der Aufnahme von Krediten zu extrem niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten resultiert, für die Ankurbelung der Wirtschaft einsetzt. Das 2,25 Mrd. Euro schwere Konjunkturprogramm aus dem letzten Juli war zwar ein guter Anfang, doch es braucht noch viel, viel mehr davon. Möglichkeiten gibt es viele – von einer Senkung der Einkommenssteuer, über den Ausbau der Infrastruktur bis zu einem Schuldenerlass für die Hauseigentümer.

Kritiker würden natürlich den Vertrauensverlust in die Kreditwürdigkeit Irlands ins Feld führen, ebenso wie den kräftigen Anstieg der Staatsanleiherenditen. Nun, hoffentlich würden die Ankurbelungsmaßnahmen wirken. Abgesehen davon hat EZB-Präsident Mario Draghi doch versprochen, „alles Notwendige“ zu tun – und noch bekräftigt: „Glauben Sie mir, es wird ausreichen“.

Falls sich Irland jedoch auch weiterhin Sparmaßnahmen auf die Fahne schreibt, wird die Wirtschaft zumindest im nächsten Jahrzehnt wohl kaum etwas zu lachen haben.

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*Anthony Doyle ist Fondsmanager Anleihen bei M&G Investments.