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Kommentar: Griechenland – wen interessiert noch die Schuldfrage?

An der Lösung der Griechenland-Frage wird also die mittelfristige Entwicklung Europas entschieden. Mutet ironisch an, ist doch Griechenland weder geo-strategisch, noch wirtschaftlich ein relevanter Faktor. Wedelt hier der Schwanz mit dem Hund?

Markus Schuller

Nein. Griechenland dient als Reibebaum und Projektionsfläche für viele unaufgearbeitete Integrationsfelder, die sich Europa während der Ausarbeitung des Lissabon Vertrages offen ließ. Der <link users frank appdata local microsoft windows content.outlook a84l3sib>inspirierende Verfassungstext, als Ergebnis des Verfassungskonvents von 2002/03 unter der Leitung Giscard d´Estaing´s, wurde bis zur letztendlichen Beschlussfassung Ende 2007 stark verwässert. Die „Light“- Variante der Institutionenreform ist mitverantwortlich für das derzeitige Demokratie- und Solidaritätsdefizit zwischen den Mitgliedsländern. Es liegt also nicht nur an der Fehlkonstruktion des Maastrich Vertrages, mittels dem ein Währungsraum ohne adäquate Koordinations- und Sanktionsmechanismen geschaffen wurde. Bereits Robert Mundell, als geistiger Vater des Euros („<link http: robertmundell.net major-works a-theory-of-optimum-currency-areas>A Theory of Optimum Currency Areas“, 1961), wusste damals, wie wichtig Faktoren wie Arbeitskräftemobilität und fiskalische Steuerungsmechanismen sind, als Ausgleich zur Aufgabe von monetären Mechanismen auf nationaler Ebene.

Nun war die finale Mitgliederauswahl zur Euro-Einführung 1999 primär geprägt von politischen Gesichtspunkten (siehe Italien und Portugal). Gleiches galt für die Aufnahme Griechenlands im Jahr 2001. Man könnte meinen, die EU verstand ihre Bringschuld in der Reformierung der wirtschaftlichen und sozialen Integration Europas zur Schaffung eines stabilen Währungsraumes, als sie <link http: www.europarl.europa.eu summits lis1_de.htm>Anfang 2000 die Lissabon Strategie ins Leben rief. Der Europäische Rat trat am 23.-24. März 2000 in Lissabon zu einer Sondertagung zusammen, um für die Union ein neues strategisches Ziel zu vereinbaren und damit Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialen Zusammenhalt als Bestandteile einer wissensbestimmten Wirtschaft zu stärken. Ziel war es, die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

Wenig später, im Dezember 2001, verständigten sich die  Staats- und Regierungschefs der EU in der „<link http: european-convention.eu.int pdf lknde.pdf>Erklärung <link http: european-convention.eu.int pdf lknde.pdf>von Laeken zur Zukunft der Europäischen <link http: european-convention.eu.int pdf lknde.pdf>Union“ auf die Einberufung des zuvor erwähnten Verfassungskonvents zur Erarbeitung einer Verfassung für Europa. Anfang des letzten Jahrzehnts war die EU somit gewillt und auf gutem Weg, eine Institutionenreform und eine vertiefende Integration in Sozial- und Wirtschaftsangelegenheiten durchzuführen. Die EU hatte also die große Chance, in den Jahren nach der Euroeinführung jene Balance zwischen gemeinsamer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu etablieren, die ein gemeinsamer Währungsraum voraussetzt. Retrospektiv lässt sich sagen: als Tiger gestartet, als Bettvorläger gelandet.

Don´t get me wrong, Der Vertrag von Lissabon ist besser als jener von Nizza. Auch gab es beträchtliche Fortschritte im Durchsetzen eines Binnenmarkts und der wichtigen Erweiterung nach Osten. Doch so wie die Gewerkschaften in Deutschland und Österreich zu ängstlich waren im Umgang mit den Chancen der Osterweiterung (lange Übergangszeiträume), waren Rat und Kommission zu zögerlich in der Dimensionierung und Umsetzung ihrer Reformschritte (siehe Dilutierung des Verfassungsvertrages).

Tragen die Griechen mit ihrem Fehlverhalten im Aufschub von Strukturreformen im staatlichen, wie privaten Sektor, dem Ausnützen günstiger Refinanzierungkonditionen für Konsum-/Militärausgaben und dem Täuschen seiner europäischen Partner denn keine Verantwortung? Selbstverständlich tragen sie die. Bereits im Jahr 2000 hätte man hierzu mittels einer einfachen statistischen Methode, dem Benfordschen Gesetz, erkennen können, dass Griechenland´s Zahlen an die Eurostat manipuliert waren. Vier deutsche Forscher publizierten im Frühjahr 2011 die Studie „<link http: onlinelibrary.wiley.com doi j.1468-0475.2011.00542.x abstract>Facts and Fiction in EU-Governmental Economic Data“, in der sie sich die Statistiken der EU-Staaten aus den vergangenen elf Jahren vornahmen. Sie analysierten pro Land und Jahr 130 verschiedene Werte - beispielsweise den Schuldenstand, die Bargeldvorräte oder die Rentenansprüche pensionierter Beamter. <link http: www.handelsblatt.com politik oekonomie wissenswert fruehwarnsystem-fuer-schummel-staaten>Das <link http: www.handelsblatt.com politik oekonomie wissenswert fruehwarnsystem-fuer-schummel-staaten>Ergebnis ist eindeutig: Bei den griechischen Daten weichen die ersten Ziffern im Vergleich der Euro-Länder am stärksten von der Benford-Verteilung ab - ein starkes Indiz für kreative Buchführung. Abweichungen von der Benford-Verteilung sind natürlich nur ein Indikator für mögliche Manipulationen. Dennoch sei die Methode als erster Routinetest gut geeignet. Sie sollte mit einer Empfehlung an Eurostat zur Verwendung als Frühwarnsystem herangetragen werden.

As said, ohne Zweifel stehen die Griechen in der Verantwortung für ihr Verhalten. Ich ergänze in diesem PSC: aber nicht nur sie. In Griechenland <link http: www.youtube.com>verdienten europäische Banken und Unternehmen gut an der Konsumorientierung und den durch Zypern stets gerechtfertigten, überproportional hohen Militärausgaben. Unabhängig davon ob das Land in der Eurozone verbleibt, steht ihm weiter ein harter Anpassungsprozess bevor. Ich beneide die GriechInnen nicht um die Schwierigkeiten im alltäglichen Leben, die mit der Redimensionierung einher gehen. Die aktuellen „role models“ Estland und Irland zeigen, dass eine rasche Konsolidierung bei hartem Reformkurs von Bevölkerung und Investoren besser angenommen wird, weil eine schnellere Aussicht auf Besserung gegeben. <link http: www.stat.ee>Estland´s Wirtschaft schrumpfte 2008 um 3,7% und 2009 um <link http: www.stat.ee>14,3% (!)<link http: www.stat.ee>. Für 2011 wird ein Wachstum von 4,9% erwartet. Irland´s GDP schrumpfte 2008 um 3% und 2009 um 7%. Für 2011 wird ein Wachstum von 0,6% erwartet. Der Unterschied zu Griechenland? Erstens besitzen beide Ökonomien ein intaktes Wirtschaftsmodell, dass ihnen, nach harten und rasch umgesetzten Konsolidierungsschritten, nun wieder eine Wachstumsperspektive ermöglicht. Zweitens kommt in Griechenland erschwerend hinzu, dass sich der Mittelstand im Recht fühlt, die umfassenden Sozialleistungen und die gängige Steuerhinterziehung zu verdienen, als kleiner Trostpreis im Ausgleich für die von der <link http: www.zeit.de wirtschaft griechenland-volk-schuldfrage>Korruption am stärksten profitierenden Eliten. So erklärt sich die schleppende Umsetzung des von der Troika verlangten Reformprogramms. Dementsprechend nagend zieht sich die Rezession in die Länge <link http: epp.eurostat.ec.europa.eu tgm>2009 -2% | 2010 -4,5% | 2011e -3,5%.

Bevor ich zu den Lösungswegen komme, noch ein paar Zeilen an die populistischen Marktschreier der „<link http: www.spiegel.de politik deutschland>weshalb <link http: www.spiegel.de politik deutschland>zahlen wir für die Fehler <link http: www.spiegel.de politik deutschland>anderer“-Fraktion in den Kernländern der Eurozone. Wie zuvor aufgezeigt, ist die Schuldfrage langweilig, weil einfach zu beantworten. Lassen Sie mich als Agnostiker die Bibel zitieren: „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“. Zudem wird im öffentlichen Diskurs weitgehend ausgeblendet, wie groß der ökonomische Vorteil einer Eurozugehörigkeit auch für die Kenrländer ist. <link http: www.welt.de wirtschaft article13591854 euro-bringt-wohlstandsgewinn-in-milliardenhoehe.html>Der <link http: www.welt.de wirtschaft article13591854 euro-bringt-wohlstandsgewinn-in-milliardenhoehe.html>Euro hat Deutschland nach Berechnungen der staatlichen Bankengruppe <link http: www.welt.de wirtschaft article13591854 euro-bringt-wohlstandsgewinn-in-milliardenhoehe.html>KfW (!) <link http: www.welt.de wirtschaft article13591854 euro-bringt-wohlstandsgewinn-in-milliardenhoehe.html>in den vergangenen beiden Jahren einen Wohlstandsgewinn von 50 bis 60 Milliarden Euro gebracht. Um diesen Betrag wäre die wirtschaftliche Leistung mit der D-Mark weniger gestiegen. Das sagte KfW-Chefvolkswirt Norbert Irsch der «Frankfurter Rundschau». Die Summe hat das Institut in einer Studie zum Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung mit und ohne Euro ermittelt. Irschs Fazit: Die Euro-Rettung lohne sich, nicht nur für Deutschland, sondern für jedes einzelne Mitgliedsland der Euro-Zone.

Die Debatte um den „Dammbruch Transferunion“ ist akademisch. Fragen Sie französische Bauern, woher sie einen Gutteil ihrer Einkünfte erhalten. Fragen Sie ehemalige Ziel 5b Gebiete wie die Steiermark in Österreich, ob sie die EU Strukturfonds Gelder zur Entwicklung und strukturellen Anpassung der ländlichen Gebiete gerne angenommen haben.  Kurz, sie existiert bereits. Der nun zur Debatte stehende Umfang ist größer, keine Frage. Aber das „ob“ ist seit vielen Jahren entschieden. Relevanter wäre eine eingehende Debatte über die notwendigen supranationalen Checks & Balances bei der anstehenden Vertiefung. Auch die Diskussion um einen griechischen Default ist von Unkenntnis gezeichnet. Mit Einbeziehung privater Investoren ist Griechenland technisch bereits <link http: www.guardian.co.uk business jul fitch-puts-greece-on-restricted-default>seit Ende Juli im „Restricted Default“. Also sprechen wir lediglich über die Höhe eines Haircuts. Und hier ist klar, dass die geplanten 21% an Wertberichtigung nicht genug waren, um dem Land eine Perspektive zu geben, ohne von den Schuldenverpflichtungen erdrückt zu werden. Faktisch scheint sich der Wertverlust <link http: www.heute.de zdfheute inhalt>ohnehin näher bei 8% denn bei 21% bewegen, sollten die Berechnugnsparameter nicht nochmals nachjustiert werden.

Wäre ein 50%iger Haircut ein Problem? Nur mehr für wenige, aber systemrelevante Banken und Versicherungen, wie zum Beispiel BNP Paribas und Deutsche Bank. Beide schrieben bisher lediglich die geforderten 21% auf ihren Bestand ab. Die Allianz hingegen schrieb seine bereits stark verminderten Griechenland Positionen im Q2/2011 <link http: www.finanzen.net nachricht aktien update-allianz-nettogewinn-sinkt-wegen-griechenland-abschreibung-1250514>um mehr als 50% ab. Die <link http: www.handelsblatt.com unternehmen banken streit-um-griechenland-abschreibungen>Müncher Rück ebenso. Auch die <link http: www.unternehmer.de>DZ Bank schrieb in Q2 auf Marktwerte ab.

Eine Griechenland Lösung muss folgende Komponenten inkludieren:
a)    Weiterhin Reformdruck auf das Land ausüben und ihm gleichzeitig mit Investitionsimpulsen eine Wachstumsperspektive ermöglichen – Barroso kündigte ein Programm an, blieb aber bis dato säumig.

b)    Europ. Banken & Versicherungen müssen zumindest 50% auf ihre Positionen abschreiben – Regierungen/EFSF und ECB sollen im Vorfeld liquiditätssichernde Maßnahmen für exponierte Banken &Versicherungen treffen. Der zweite ESM Stresstest lieferte ausreichend Datenmaterial, um Szenarien durchspielen zu können.

c)    EFSF/ESM mit einem Mandat ausstatten, mit dem er künftig, gleich der ECB, unabhängig in die Souveränität der Mitgliedsländer eingreifen kann.

Leistbar & Machbar? Die 100% - 90% - 85% Formel
Die EU steht in der Pflicht, zeitgleich die Liquidiät einzelner Mitglieder des Euroraumes zu sichern und die Integrationsversäumnisse der letzten zehn Jahre aufzuholen, als Teil der Liquiditätssicherung einzelner Euroländer. Reziprozität par excellence.

Die kleine Schweiz zeigt mit ihrer mutigen Eurobindung, dass beherztes Vorgehen vom Markt akzeptiert wird. Zudem hat Europa ausreichend ökonomische Substanz, die Euro-Peripherie auf ihrem Konsolidierungskurs zu begleiten, ohne selbst Schwierigkeiten mit seinem Potenzialwachstum zu bekommen. Belegt im Paper von Cecchetti, Mohanty und Zampolli, dass Ende August in Jackson Hole präsentiert wurde. In „<link http: www.bis.org publ othp16.pdf>The Real Effects of Debt“ rechnen sie vor, dass in OECD Ländern im Verlauf der letzten 30 Jahre ab einer Höhe von 100% Staatsschulden/GDP, 90% Unternehmenschulden/GDP und 85% Haushaltsschulden/GDP eine verminderte Wachstumsleistung zu erkennen ist. Das aktuelle Bild in Europa ist gemischt. Mit 77%/100%/64% kann Deutschland relativ entspannt vorwärts blicken. UK hingegen reizt die Grenzen mit 89%/126%/106% über Gebühr aus.

Eine Konsequenz dieser Studie ist eindeutig: Spanien und Italien können und müssen sich selbst helfen. Die ECB Aufkäufe sind lediglich von temporärem Effekt, weil Markt wie ECB wissen, dass die Zentralbank weder Mandat noch Kapazität für signifikante Auffangmaßnahmen hat. Bei beiden ist es eine Frage des Wollens. Spanien machte frühzeitig seine Bereitschaft klar, und befindet sich auf einem guten Konsolidierungspfad. Italien ist der Elefant im Raum. Berlusconi´s Spiel mit dem Feuer scheint das letzte Aufflackern eines alten Mannes zu sein, der, bei ausreichend Marktdruck, sich in kleinen Schritten in die richtige Richtung bewegt.

Indeed, we are living in financial times.


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*) Markus Schuller (<link>mhschuller@panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der robuste Strategieansatz ergibt sich durch das Abbilden stabiler Megatrends im Multi-Asset Format auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (<link http: www.panthera.mc>www.panthera.mc).