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Kommentar: Kommt die Bankenunion?

Wir stehen also am Abgrund. George Soros und Christine Lagarde schafften es mit ihren „weniger als 3 Monate Zeit“ Sagern auf die Titelseiten. Abgesehen von externen Warnern wie Präsident Obama oder die beiden zuvor genannten, steigen auch Qualitätszeitungen wie Die Welt in die Krisensemantik ein, indem sie sich, nach dem noch weitestgehend undefinierten 100 Mrd. Euro Rahmen für Spanien, um das AAA Rating Deutschlands sorgt. In diesem Fall ein unnötiger Aufschrei.

Markus Schuller

Deutschland finanziert sich am kurzen Ende nominell bei null, real zu negativen Raten. Historische Tiefststände. Eine Krisendividende für das Land, auf die gerne vergessen wird. Deutschland notiert bei einem Budgetdefizit von 1% (Ende 2011) und einem öffentlichen Schuldenstand in Höhe von 81,2%, respektive 2088 Mrd. Euro (<link http: de.statista.com statistik daten studie umfrage entwicklung-der-staatsverschuldung-in-deutschland>Ende 2011). Folgen Sie mir bei einer Milchmädchenrechnung: von Mitte 2008 bis heute fiel die „10y Yield“ der deutschen Bundesanleihen von 4,5% auf derzeit 1,5%. Am kurzen Enden, nehmen wir die 2Y <link http: www.bloomberg.com quote gdbr2:ind chart>Yield, sahen wir am 1. Juni kurzzeitig sogar eine negative Yield ausgewiesen. Seitdem notieren wir nahe Null, nach einem Hoch im Sommer 2008 bei rund 4,5%. In der Jahresvorausschau der Finanzagentur des Bundes (Emissionshaus von Bundesstaatsanleihen) wird für 2012 ein Emissionsvolumen <link http: www.bundesbank.de redaktion de downloads service bundeswertpapiere>von 250 <link http: www.bundesbank.de redaktion de downloads service bundeswertpapiere>Mrd. Euro erwartet, etwa 25% des gesamten Bundesanleihebestands (ca. 50% werden durch andere Finanzierungsinstrumente abgedeckt).

Mischt sich nun die durchschnittliche Zinsbelastung für die öffentlichen Schulden um nur 1% nach unten (konservativ gerechnet), ergibt dies eine jährliche Belastungs- reduktion von rund 20 Mrd. Euro. Deutschland ersparte sich in den letzten 3 Jahren seine Garantien/Beiträge zu EFSF und ESM durch die Reduktion der Zinsbelastung auf ihre öffentlichen Schulden. Kein Ende dieser „Krisendividende“ in Sicht.

Noch ein Punkt zum möglichen, aber unwahrscheinlichen AAA-Verlust Deutschlands. Die USA verloren bei Standard & Poors im Sommer 2011 ihr AAA. Seitdem sind die 10y Renditen von 2,25% auf 1,66% gesunken. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns auf beiden Seiten des Atlantiks in einer Deleveraging Phase befinden, die tendenziell deflationär und nicht inflationär wirkt – Krugman schreibt unablässig darüber. Bei dem gegenwärtigen Marktumfeld ist „flight to safety“ ein stabiler Trend. Deshalb würde sich selbst bei dem unwahrscheinlichen Fall einer Abstufung Deutschlands vorläufig nichts ändern.

Die Welt ist nicht die einzige Zeitung, die sich zuletzt mit fehlender redaktioneller Weitsicht auszeichnete. Um den Anspruch einer Qualitätszeitung halten zu können, sollte sie ihren Lesern besser klarlegen, dass es für Europa entweder ein Mehr oder ein Weniger an Integration gibt. Das gegenwärtige Äquilibrium ist unhaltbar. Eine höhere Integration macht ökonomisch, politisch und militärisch Sinn. Also kann es nur eine Richtung geben. Somit muss die Devise für Deutschland/Österreich/Holland/etc. lauten: möglichst gute Konditionen für den nächsten Integrationsschritt auszuhandeln. Deutschland profitierte in den Nullerjahren indirekt signifikant von der Dividende, die die Südländer durch den für sie zu niedrigen Risikoaufschlag einstreichen konnten. Die deutsche Exportstatistik spricht eine klare Sprache.

Es war für die Bundesrepublik bereits damals rentabel. Und jetzt profitiert das Land nochmals durch den vorhin beschriebenen Effekt. Nothing wrong with being on the winning side. Nur ist die Jammerei in manchen Blättern erstaunlich, hält doch die Gruppe rund um Deutschland alle Asse in der Hand. Sie braucht sie nur spielen wollen.


INSIDE BRUSSELS
Was wird derzeit diskutiert? Wer spielt welche Karten? Wann kommen die Asse zum Vorschein?

Bankenunion
Wir können uns lange darüber auslassen, wie spät und zaghaft die nationalen Re- präsentanten auf europäischer Ebene reagierten, anstatt zu versuchen die Handlungs- und Deutungshoheit wiederzugewinnen. Nein, dies ist keine „Im Nachhinein weiß man immer alles besser“- Aussage. Bereits im Frühjahr 2010 wurde z.B. hier im PSC auf die Notwendigkeit eines geordneten Defaults von Griechenland, Irland und Portugal hingewiesen. Ein Beispiel für die Nachlässigkeit der Politik? Die von Kommissar Barnier letzte Woche vorgestellten Pläne zur Bankenunion lagen zuvor fast zwei Jahre fertig in seiner Schublade, blockiert von nationalen Egoismen. Als nun Spanien unter Zugzwang kam, wurden sie plötzlich reaktiviert – siehe Barros´s Aufruf in der <link http: www.ft.com intl cms s ccb2fda0-b3cd-11e1-8b03-00144feabdc0.html>Financial Times am Montag. Die politischen Entscheidungsträger erscheinen als Schüler, die kurz vor der Zeugnisverteilung erkennen, dass sie doch unterjährig hätten lernen sollen. Surprise...

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Implementierung der Bankenunion? Die ECB befürwortet den Barnier/Barroso-Plan. Sie würde weitere Kompetenzen zugesprochen bekommen. Nach derzeitigem Stand dürfte wohl die erste Phase, nämlich eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht, beim Treffen der Staats- und Regierungs- chefs Ende Juni abgesegnet werden. Taxierter Beginn der Aufsicht: 1. Januar 2013!

Großbritannien könnte sich auch die Zustimmung zu einer vollständigen Umsetzung der Bankenunion vorstellen (inkl. gemeinsamer Einlagensicherung), bei der man zwar außerhalb bleibt, diesen Integrationsschritt aber nicht blockiert. Im Gegenzug für diese Zustimmung würde sich die Cameron Regierung Fortschritte bei der EU27 Markt- liberalisierung für Financial Services wünschen. Deutschland begrüßt den Plan, will derzeit aber nicht über eine gemeinsame Aufsicht hinaus gehen, weil diese keine Vertragsänderung bedürfe. Man kann diese defensive Haltung auch den noch laufenden innerdeutschen ESM-Verhandlungen mit der Opposition geschuldet sehen. Vielleicht ergibt sich noch eine offensivere Haltung in den vorbereitenden Verhand- lungsrunden zur Ratssitzung Ende Juni. Wäre zu befürworten. Denn, je mehr von Barnier’s Paket umgesetzt wird, desto größer der „circuit breaker“ Effekt – also der Aussicht darauf, die Bankenkrise in den Südländern in den Griff zu bekommen.


Gemeinsame Verschuldung
Im aktuellen Spiegel wird berichtet, dass EU-Kommissionspräsident Barroso, EU-Ratspräsident Van Rompuy, Euro-Gruppenchef Juncker und ECB Präsident Draghi, an einer „echten Fiskalunion” arbeiten, in der die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht mehr selbständig neue Schulden machen dürfen. Auch andere Quellen in Brüssel bestätigen dies informell. Darin dürften nationale Parlamente nur noch über die von Einnahmen gedeckten Ausgaben bestimmen. Eine Verschuldung müsste bei der Gruppe der Euro-Finanzminister angemeldet werden. Diese würde darüber entscheiden, ob die zusätzlichen Ausgaben gerechtfertigt wären. Auf Basis der dann aggregierten Finanzierungsbedarfe würden Eurobonds aufgelegt. Als Kontrollorgan soll ein neues Gremium mit Vertretern der nationalen Parlamente fungieren. Der daraus resultierende europäische Haftungsverbund würde nur für neue Schulden gelten. Die alten müssten weiter national refinanziert werden. Dieser Ansatz klingt verfolgenswert.

Augenmerk muss auf die operationale Effizienz und die demokratische Legitimation dieses Entscheidungsorgans gelegt werden. Man darf auf das ausgearbeitete Konzept gespannt sein. Denn erst die Details werden wohl darüber bestimmen, ob die Gruppe rund um Deutschland mit dieser Form der Fiskalunion leben wird können.


Grexit
Derzeit kursieren in Brüssel Meldungen über ein außerordentliches Treffen der Euro- gruppen Vertreter, kurz nachdem die ersten Ergebnisse der am Sonntag statt- findenden Parlamentswahl in Griechenland feststehen – möglicherweise bereits am Sonntagabend. Ziel ist das Akkordieren der weiteren Vorgehensweise. Die EU Kommission bereitet sich in der Zwischenzeit intern auf mögliche Nachverhandlungen vor.

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*) Markus Schuller (mhschuller(at)panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der robuste Strategieansatz ergibt sich durch das Abbilden stabiler Megatrends im Multi-Asset Format auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (www.panthera.mc).