Neue Chancen durch Anlageverordnung und Solvency II
Insbesondere kleineren und mittelständischen Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Versorgungswerken wird damit der Zugang zu solchen kollektiven Anlageformen erleichtert. Für größere europäische Versicherungsunternehmen mit jährlichen Beitragseinnahmen mehr als 5 Mio. Euro oder Rückstellungen von mehr als 25 Mio. Euro gelten ab dem 1.1.2016 die Solvency II-Regelungen. Die Allokationsentscheidung ist danach 'nur' durch das 'prudent person principle' und die Eigenkapitalanforderungen (Solvency Capital Requirements – SCR) begrenzt.
Die Vorteile von Infrastrukturinvestments – wie geringes Risiko aufgrund von inelastischer Nachfrage, besondere Eignung zur Portfoliodiversifikation wegen geringer Korrelation mit anderen Assetklassen und vor allem stabile Cash-Flows aufgrund von Langzeitverträgen – passen gut zu den obersten Zielen Sicherheit, Beständigkeit, Verlässlichkeit sowie zum langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell institutioneller Investoren.
Trotz dieser Vorteile und Erleichterungen entfällt laut GDV zur Zeit weniger als ein Prozent der Kapitalanlagen der deutschen Versicherer auf die Bereiche Infrastruktur und Erneuerbare Energien.[1] Dieser Beitrag beleuchtet die Rolle der Risikostrukturierung als Qualitätsmerkmal und Wettbewerbsvorteil für Fondsanbieter im aktuellen regulatorischen Umfeld institutioneller Investoren.
Noch bestehende Investitionshindernisse
Für die Mobilisierung privaten Kapitals von institutionellen Investoren ist Rechtssicherheit eine zentrale Voraussetzung. Nach der Novellierung von Anlageverordnung und VAG ist diese Voraussetzung solange nicht erfüllt, bis das Kapitalanlagerundschreiben der BaFin von 2011 an die neue Rechtslage angepasst wurde. Diese Anpassung wird von institutionellen Investoren dringend erwartet.
Ein weiteres Hindernis ist in den SCR zu sehen. Obwohl Infrastrukturinvestments im Vergleich z.B. zu Hedgefonds als risikoarm gelten, liegt die erforderliche Kapitalunterlegung in Abhängigkeit von der Anlageform bei 39% (Debt) bis 59% (Equity) Der GDV hält vor dem Hintergrund der geringen Korrelation mit Entwicklungen an den Kapitalmärkten eine Kapitalunterlegung von 20 % für angemessen. [1,2]
Die EIOPA hat im März dieses Jahres ein Konsultationspapier zur Beurteilung von Infrastrukturanlagen unter Solvency II veröffentlicht. Die EIOPA IRSG (Insurance and Reinsurance Stakeholder Group) hat darauf in einem Meeting am 28.4.2015 u.a. die Revision der Kalibrierung nach dem Standardansatz diskutiert. Empfehlungen an die Europäische Kommission sind für 'Sommer 2015' geplant. [3]
Anreize durch öffentliche Förderung
Durch öffentliche Förderung sollen europaweit weitere Anreize für private Investoren geschaffen werden. So hat z.B. die „Task Force Investment“ unter Vorsitz der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Kommission Vorschläge zur Verbesserung der Bedingungen für Infrastrukturinvestitionen auf nationaler und europäischer Ebene ausgearbeitet. [4] Die Kommission und die EIB schätzen, gemeinsam mit privaten Investoren rund 240 Mrd. Euro für Infrastruktur und Innovationen bereitstellen zu können.
Zu diesem Zweck wurde auch der „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ (EFSI) eingerichtet. Es bestehen Überlegungen, dass EU-Mitgliedsstaaten mögliche Investitionsprojekte in eine EU-Projektdatenbank einstellen, die so für institutionelle Investoren europaweit zentral zugänglich werden.
Qualitätsmerkmal Risikostruktur
Da das bisherige Anlageumfeld primär im besonders risikoarmen Anleihebereich lag, ist die Risikostruktur von Infrastrukturinvestments für institutionelle Investoren aus mehreren Gründen schwierig zu beurteilen.
Die 'Anlageklasse' Infrastruktur ist als solche äußerst heterogen (von verschiedensten Formen der wirtschaftlichen Infrastruktur wie Verkehr/Transport, Energie, Ver-/Entsorgung, Erneuerbare Energien, Kommunikation, bis hin zu sozialer Infrastruktur), so dass entsprechend spezielles Know-how benötigt wird. Ferner ist eine Investition ist in diversen Anlagevehikeln möglich, z.B.:
*Investition in Infrastrukturbetreiber (z.B. über Aktien oder ETF)
*Direktinvestition in Infrastrukturprojekte (z.B. über Co-Investments, PPP)
*Investition als LP in ungelistete geschlossene Infrastrukturfonds (Dach- oder Single-Funds).
Dies führt dazu, dass Risikostruktur und Renditeerwartungen institutioneller Investoren häufig nicht zusammenpassen.
Neben den vehikelspezifischen Risiken spielen bei Infrastrukturinvestments vor allem projektspezifische Risiken eine Rolle. Nicht weniger als rund 15 Risikoarten werden für internationale Infrastrukturprojekte typischerweise genannt, die im GDV-Positionspapier teilweise zusammengefasst sind. [2] Dazu zählen grundsätzlich alle Möglichkeiten für eine Beeinträchtigung der Cash-Flows bis hin zum Ausfall, z.B. Input-Risiken, Technikrisiken, Betriebs- und Wartungsrisiken, Risiken höherer Gewalt oder auch regulatorisch-politische Risiken (wie rückwirkende Reduzierung von Förderungen oder Vergütungen – Beispiel Spanien – oder zusätzliche Steuern – Beispiel Italien).
Die Risikostrukturierung muss diese möglichen Cash-Flow-Beeinträchtigungen widerspiegeln und die Risiken so verteilen, dass eine Investition für institutionelle Investoren im Vergleich zu anderen Fonds und anderen Anlageformen ausreichend attraktiv ist. Für Fondsanbieter wird die Bewertung der Risiken der Projektbeteiligungen und ihre Strukturierung zum entscheidenden Qualitätsmerkmal und Wettbewerbsfaktor. Die Bedeutung der Risikostrukturierung verlangt dabei eine strategische Entscheidung vor und zunächst unabhängig von der Ausfertigung der Verträge.
Ausblick für institutionelle Investoren
Vor dem Hintergrund eines verbesserten Angebotes sowie rechtlich-regulatorischer Erleichterungen können folgende Leitfragen bei der Allokationsentscheidung hilfreich sein:
Welche Rolle soll das Infrastrukturinvestment im Gesamtportfolio übernehmen? Soll neben der Renditeerzielung vor allem der 'alternative' Charakter von Infrastrukturinvestitionen genutzt werden? Welche Anlagevehikel bieten dann eine möglichst geringe Korrelation mit anderen Assets im Portfolio und damit den gewünschten Diversifikationsbeitrag?
Müssen die Renditeerwartungen noch angepasst werden? Das Risiko-Rendite-Profil von Infrastrukturinvestitionen hängt sowohl vom Infrastrukturtyp als auch vom Anlagevehikel ab. Die Suche nach höheren Renditen muss grundsätzlich auch mit der Bereitschaft einhergehen, höhere Risiken einzugehen als bei den bisherigen Anleiheinvestitionen.
Wie soll der Zielkonflikt SCR versus Renditeerzielung gehandhabt werden? Eine Reduzierung oder Minimierung der SCR impliziert in der Regel auch eine geringere mögliche Rendite. Inwieweit wird die Absicht, dem Niedrigzinsumfeld im Anleihemarkt zu entgehen, konterkariert, wenn z.B. anleiheähnliche Fremdkapitalinstrumente oder Genussscheine gewählt werden?
Wird weitere Kompetenz für die Risikobeurteilung benötigt? Eine mögliche Infrastrukturinvestition konkurriert bei der Allokationsentscheidung mit anderen Anlageformen in der gleichen Kategorie nach Anlageverordnung bzw. nach Solvency II mit sämtlichen Anlagemöglichkeiten, für die eine ausreichende Eigenkapitalunterlegung vorgehalten werden kann. Die Kompetenz der Risikobeurteilung ist daher für alle Anlagemöglichkeiten erforderlich, auch bei Anwendung des vom GDV vorgeschlagenen Infrastrukturrisiko-Moduls. [2]
Wie bei allen Investments sind die Risiken auch bei Infrastrukturinvestitionen gleichermaßen vielschichtig wie das Instrument, d.h. sie sind auf allen Ebenen des Anlagevehikels bis hin zum Underlying zu betrachten. Nach Solvency II ist z.B. für Marktrisiken bei Fondsinvestments ein Look-Through-Ansatz anzuwenden. Vor der Allokationsentscheidung in Fonds können Risiken im Rahmen der Due Diligence (DD) untersucht und bei der Managerselektion berücksichtigt werden. Zur Managerselektion können ferner unabhängige Ratings von Anbietern wie Scope, TKL, G.U.B. herangezogen werden.
Ausblick für Fondsanbieter
Mit dem Inkrafttreten des KAGB in 2013 haben sich die Möglichkeiten für Fondsanbieter grundsätzlich erweitert und Chancen für neue Produkte ergeben. Als Orientierung für attraktive Fondsprodukte können auch folgende Merkmale dienen, die der GDV für 'weitgehend risikoarme' Anlagen in Infrastruktur vorgeschlagen hat, für die eine Eigenkapitalunterlegung von 20 % vertreten wird [1,6]:
*Anlageobjekt aus dem Bereich von Infrastruktur oder Erneuerbare Energien;
*nicht börsennotiert;
*langfristig prognostizierbare operative Zahlungsströme;
*niedriges Ausfallrisiko (im Vergleich zu anderen Anlageklassen);
*niedrige Korrelationen mit anderen Anlageklassen;
*reguliertes Geschäftsumfeld oder öffentliche Garantien;
*Marktverhältnisse nahe an einem natürlichen Monopol oder unelastische Nachfrage oder langfristige Verträge / Konzessionen oder gesetzliche Abnahmeregelungen;
*keine nennenswerten Projekt- oder Bau-Risiken;
*keine nennenswerten Risiken durch Elementarschäden oder Diebstahl / Vandalismus (ggf. versichert);
*maximaler Fremdfinanzierungsgrad von 60% (d. h. Hebelung auf max. das 2,5-Fache);
*Lage des Anlageobjektes in einem OECD-Mitgliedstaat.
Die BaFin hat schließlich am 13.Mai die geänderte Verwaltungspraxis zur Vergabe von Darlehen für Rechnung des Investmentvermögens bekanntgegeben, so dass nunmehr auch die Vergabe von Darlehen für Rechnung von AIF möglich ist. [5]
Anbieter von Infrastrukturfonds können sich gegenüber institutionellen Anlegern vor allem über folgende Faktoren differenzieren:
*Identifikation und Sicherstellung von geeigneten Infrastrukturprojekten;
*Strategische Risikostrukturierung der Projekte, d.h. Definition klarer Strukturierungsanforderungen VOR der rechtlichen Vertragsausarbeitung;
*Durchsetzbarkeit der zugrunde liegenden Verträge;
*Prozessalignments wie z.B.: Matching von Kapitalabrufzeiten/Einzahlungsregeln des Fonds mit internen Prozessen des institutionellen Investors, Look-Through-Ansatz im eigenen Geschäftsmodell berücksichtigen und entsprechende datentechnische Unterstützung des institutionellen Investors bei der Erfüllung der Solvency II-Anforderungen bereitstellen.
Fondsanbieter, die sowohl über operatives Know-how verfügen, als auch eine attraktive Risikostrukturierung anbieten können, werden ihr Angebot am ehesten am Markt durchsetzen können. Die Spezifikation der gewünschten Risikostrukturierung ist dabei keine rein rechtliche Angelegenheit, sondern primär eine strategische Entscheidung, die nicht erst mit der vertraglichen Umsetzung in Angriff genommen werden sollte.
Quellenangaben:
[1] GDV-Postitionspapier, <link http: www.gdv.de wp-content uploads gdv-positionspapier-infrastruktur-investments-2014.pdf>
www.gdv.de/wp-content/uploads/2014/08/GDV-Positionspapier-Infrastruktur-Investments-2014.pdf
[2] GDV, Vorschlag für eine angemessene Solvenzkapitalanforderung für langfristige Investitionen in Infrastruktur oder Erneuerbare Energien, <link http: www.gdv.de wp-content uploads gdv_vorschlag_infrastruktur_unter_solvencyii_2013.pdf>www.gdv.de/wp-content/uploads/2014/01/GDV_Vorschlag_Infrastruktur_unter_SolvencyII_2013.pdf
[3] Die weitere Entwicklung kann auf der Webseite der EIOPA verfolgt werden: <link https: eiopa.europa.eu regulation-supervision insurance investment-in-infrastructure-projects>
eiopa.europa.eu/regulation-supervision/insurance/investment-in-infrastructure-projects
[4] Final Task Force Report, <link http: ec.europa.eu priorities jobs-growth-investment plan docs special-task-force-report-on->
ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-investment/plan/docs/special-task-force-report-on-
<link http: ec.europa.eu priorities jobs-growth-investment plan docs special-task-force-report-on-investment-in-the-eu_de.pdf>investment-in-the-eu_de.pdf[5] vgl. <link http: www.bafin.de shareddocs veroeffentlichungen de meldung meldung_150513_verwaltungspraxis_kreditfonds.html>
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*) Dr. Elke Wolf bietet Strategieberatung für Assetmanager mit dem Schwerpunkt 'International Relations and Regulation'. Sie verfügt über Erfahrung in der unabhängigen Beratung von Finanzdienstleistern seit 1998 (www.wolf-managementconsulting.de)