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Kommentar: Ursachen der weltwirtschaftlichen Instabilität (Teil 2)

Im zweiten Teil der PSC Serie zu den weltweiten Ungleichgewichten sehen wir uns heute die Verschuldungssituation entwickelter Volkswirtschaften und deren wachstumshemmender Effekte an.

Markus Schuller

Als Ausgangspunkt verwenden wir jene Publikation von Cecchetti, Mohanty und Zampolli, die Ende August 2011 in Jackson Hole präsentiert wurde. In „<link http: www.bis.org publ othp16.pdf>The Real <link http: www.bis.org publ othp16.pdf>Effects<link http: www.bis.org publ othp16.pdf> <link http: www.bis.org publ othp16.pdf>of<link http: www.bis.org publ othp16.pdf> <link http: www.bis.org publ othp16.pdf>Debt“ rechnen sie vor, dass in OECD Ländern im Verlauf der letzten 30 Jahre ab einer Höhe von 100% Staatsschulden / GDP, 90% Unternehmensschulden / GDP und 85% Haushaltsschulden / GDP eine verminderte Wachstumsleistung zu erkennen ist. Das aktuelle Bild in Europa ist gemischt. Mit 77%/100%/64% kann Deutschland relativ entspannt vorwärts blicken.

UK hingegen reizt die Grenzen mit <link http: www.guardian.co.uk news datablog feb europe-government-debt>85,2% (Q3/11)/126%/106% über Gebühr aus. Eine Konsequenz dieser Studie: Spanien und Italien können und müssen sich selbst helfen. Die ECB Aufkäufe sind lediglich von temporärem Effekt, weil Markt wie ECB wissen, dass die Zentralbank weder Mandat noch Kapazität für signifikante Auffangmaßnahmen hat.

Großbritannien
Sehen wir uns beispielhaft UK an, weil eines der verdeutlichenden Beispiele innerhalb der OECD. Mit 85,2% an Staatsschulden/GDP, 126% Unternehmensschulden/GDP und 106% Haushaltsschulden/GDP rangiert die Volkswirtschaft an, respektive über den in der Studie genannten Schwellen. Wir sehen hier dynamisch ansteigenden Pfade der Schuldenquoten und international vergleichsweise hohe Niveaus.

Die rechtfertigende Logik von Schulden, öffentlich, wie privat, ist das Vorziehen von Investitionen, also das Schaffen von langfristigem ökonomischen Mehrwert, sei es zum Beispiel durch den Aufbau neuer Produktionskapazität (Unternehmen), dem Ausbau der öffentlichen Infrastruktur (Staat) oder der Schaffung eines Eigenheims (Haushalt).

Diese Logik ist nicht falsch. Wie sieht nun die Vermögensbilanz, also die Habenseite, aus? Das Netto-Haushaltsvermögen der UK Haushalte, also bereits abzüglich der Haushaltsschulden, beträgt über 500% des GBP (!).

Ein Vielfaches der Haushaltsschulden. Ein Einzelfall? Aus <link http: www.spiegel.de wirtschaft soziales>dem Spiegel (15.02.) zitiert: „Rund 10.000.000.000.000 Euro besitzen die Deutschen. In Worten: zehn Billionen. Auf diesen Wert summierte sich das Geld- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte im dritten Quartal 2011, wie der Bundesverband Deutscher Banken auf Basis von Bundesbank-Daten mitteilte. Zieht man die 1,5 Bio. Euro Kreditschulden ab, bliebe ein Nettovermögen von rund 8,5 Bio. Euro. Sachvermögen wie Autos, Möbel, Schmuck und Kunstsammlungen noch gar nicht eingerechnet. [...] Das Vermögen der deutschen Sparer würde reichen, um die Staatsschulden der Bundesrepublik von knapp 2,1 Bio. Euro viermal zurückzuzahlen. Oder die Verbindlichkeiten aller 17 Euro-Staaten zu übernehmen.“

„<link http: www.google.com>Öffentliche Armut, privater Reichtum“ war eine bekannte These in den 50er und 60er Jahren. Diese Beschreibung passt auch auf die Entwicklungstrends von Staatsverschuldung und Staats-vermögen einerseits sowie Privatvermögen andererseits über die letzten Jahrzehnte in Deutschland. Nein, die positive Vermögenssituation der Haushalte in den UK ist keine Ausnahme, sondern die OECD Regel.

Nun sind die im Spiegel aufgestellten Vergleiche durchaus als Milchmädchen-Rechnungen einzuordnen. Und trotzdem wird eines klar: Der Konsument nennt ein großes Haushaltsvermögen sein Eigen, zwar stark ungleich verteilt (siehe PSCs <link http: gallery.mailchimp.com b5fe847c725a4736c12990218 files ps_commentary_12_11_warren_buffett_hat_recht_verteilungsgerechtigkeit_ii.pdf>hier und <link http: panthera.mc home wp-content uploads>hier), aber trotzdem in Summe als Manövriermasse vorhanden.

Wie reagiert die britische Regierung nun auf den Bedarf eines volkswirtschaftlichen Deleveragings? <link http: conservativehome.blogs.com thetorydiary cameron-sets-out-his-three-pronged-plan-to-revive-britains-economy.html>Cameron benannte seinen Plan Ende Oktober in einer FT open-ed. Letztendlich will er sparen, das Sozialsystems reformieren, die Infrastruktur modernisieren und Exporte in Emerging Markets stimulieren. Nun liegen die ersten beiden in unmittelbarem Wirkungsbereich einer Regierung. Die “fiscal consolidation requirements” weisen für UK den dritthöchsten Konsolidierungsbedarf im strukturellen Defizit der Primärbilanz aus.  Machbar, aber eben nur mit der Konsequenz, für seinen Fokus auf Infrastruktur kaum noch Mittel zur Verfügung zu haben. Diese wiederum würden benötigt werden, um mehr als nur den pharmazeutischen Sektor als wettbewerbsfähige, produzierende Exportindustrie für Abnehmer in den Emerging Markets anbieten zu können. Ein vicious circle.

Wahrscheinlicher Ausweg zur Zeitgewinnung? Eine innerbritische Transferunion von Privatvermögen in Richtung Staat. Auf Steuererhöhungen reagieren Briten not amused. Es gibt ohnehin elegantere Wege. Neben dem bereits aktiven Inflationseffekt, beschrieb Carmen Reinhart in einem <link http: www.bis.org publ work363.pdf>BIS Paper Anfang Dezember eine noch geschicktere Form. Sie geht davon aus, dass sich die großen Volkswirtschaften bald auf einen Bretton-Woods-alike Mechanismus einigen werden. Zwei Tage später, wohl unabhängig von einander, <link http: www.bankofengland.co.uk publications fsr fs_paper13.pdf>publizierte die Bank of England ein Paper, das zur gleichen Einsicht gelangt. Die Bindung an einen Commodity- oder Währungsbasket (ie IMF SDR) könnte einen Entschuldungseffekt bewirken.

Inflationseffekt und Währungsentwertung als zwei “elegante Ansätze” zur Umschichtung von Privat auf Staat. Der Erste ist in UK im Gange, am Zweiten scheint derzeit gearbeitet zu werden. Eine unorthodoxe, neuartige Strategie der britischen Regierung? Dies kann verneint werden. Auch die USA setzten nach dem 2. WK auf Wachstum, Inflation und Währungseffekt (Bretton Woods I), um sich zu entschulden.

Notenbanken
Welche Rolle spielen die Notenbanken im Umschichten von Privat- auf Staatsvermögen? Neben den historisch niedrigen Zinssätzen von Fed, BoE und ECB, engagiert sich derzeit speziell die Letztere in der Liquiditätsversorgung von Banken und damit indirekt auch in der kurzfristigen Staatsfinanzierung (Stichwort: Fristenkongruenz).

Nun der Reihe nach. Die ECB versorgt  europäische Banken derzeit mit ausreichend Liquidität als Kompensation für den dysfunktionalen Inter-Bankenmarkt (sh. 1%/3y/EUR 489 Mrd Tender vor Weihnachten). Die Banken scheinen Gefallen an den aggressiven Interventionen Mario Draghi´s gefunden zu haben. Die ECB befindet sich damit in Mitten der indirekten Staatsfinanzierung. EU Repräsentanten und ECB produzieren zwar weiterhin Sprechblasen zum Thema “Unabhängigkeit”, doch seit dem Abgang von Jürgen Stark (eh. ECB Chef-Ökonom) und Axel Weber, verstummte die Kritik prominenter ECB-Insider. Ein ziemlich banaler Hütchenspieler Trick.

Trotzdem scheint er zu funktionieren. Die Fed wurde für ihre massive Ausweitung der Bilanzsumme nach Krisenausbruch heftig kritisiert. Die ECB erweist sich als noch aggressiver und wird derzeit ob ihrer Umsicht gelobt.

Trotz der derzeit massiven ECB Interventionen kommt es zu keiner inflationstreibenden Liquiditätsschwemme für die Realwirtschaft. Die sinkende Geldmenge M3 weist in der Eurozone eher auf eine Kreditverknappung hin. In den USA entspannt sich der M3 Shortage langsam.

Fazit:
In unseren Volkswirtschaften ist ausreichend Vermögenssubstanz zur Lösung der Staatsschuldenkrise vorhanden. Bei kluger Vorgehensweise löst man mit dem bereits einsetzenden Vermögenstransfer von Privat zu Staat auch noch die sich ausweitende Imbalance in der Vermögensverteilung, um unsere Volkswirtschaften a) robuster und b) wettbewerbsfähiger zu gestalten. Kein Widerspruch. Die Auflösung hierzu kommenden Monat im 3. Teil der PSC Serie zu den weltweiten Imbalances.


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*) Markus Schuller (mhschuller(at)panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der robuste Strategieansatz ergibt sich durch das Abbilden stabiler Megatrends im Multi-Asset Format auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (www.panthera.mc).