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Kommentar: Ursachen der weltwirtschaftlichen Instabilität (Teil 3)

Im dritten und vorläufig letzten Teil der PSC Serie zu den weltweiten Ungleichgewichten, runden wir das Thema aus der Vogelperspektive ab und sehen uns mögliche Zieldefinition für die Reformagenda entwickelter Ökonomien an.

Markus Schuller

Das Fazit vom letzten PSC nochmals angeführt: „In unseren Volkswirtschaften ist ausreichend Vermögenssubstanz zur Lösung der Staatsschuldenkrise vorhanden. Bei kluger Vorgehensweise löst man mit dem bereits einsetzenden Vermögenstransfer von Privat zu Staat auch noch die sich ausweitende Imbalance in der Vermögensverteilung, um unsere Volkswirtschaften a) robuster und b) wettbewerbsfähiger zu gestalten. Kein Widerspruch.”

Fragestellung
Wie gestaltet man nun eine robustere, wettbewerbsfähigere Volkswirtschaft? Schweden darf als Vorbild im Zusammenführen von marktbezogenen und zugleich gemeinschafts-fördernden Elementen der Gesellschaftsstruktur genommen werden. John Mauldin, ein bekennender Anhänger der Republikaner, meinte in seinem <link http: www.johnmauldin.com frontlinethoughts a-random-walk-through-the-data-minefields>Marktkommentar vom Wochenende, die USA könnte zurzeit einen schwedischen Sozialisten als Präsidenten gut gebrauchen. Wie von ihm ausgeführt, ist Schweden die Neu-Interpretation der sozialen Marktwirtschaft gelungen. Bei einem <link http: epp.eurostat.ec.europa.eu tgm>niedrigen Gini-Index schaffte das Land zugleich, seine hohe Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (<link http: data.worldbank.org indicator ny.gdp.mktp.kd.zg>hier, <link http: www.indexmundi.com g>hier und <link http: www.tradingeconomics.com sweden gdp-growth>hier).

Weshalb ist es für die Wettbewerbsfähigkeit von großer Bedeutung, neben dem Stabilisieren von Staatshaushalten, zugleich auch an der Vermögensverteilung zu arbeiten? Es sollte für entwickelte Volkswirtschaften doch ausreichen, dem Markt Besserung in der Haushaltsdisziplin
mittels Sparpaketen und Schuldenbremsen-Treueschwüren im Verfassungsrang in Aussicht zu stellen. Zumal die makroökonomischen Indikatoren seit Wochen auf eine Entspannung der Wirtschaftslage hinweisen.

Die Erstanträge zur Arbeitslosenunterstützung in den USA fallen auf 348.000, dem niedrigsten Stand sein März 2008. Baubewilligungen für Wohnimmobilien steigen in den USA auf den höchsten Stand seit Oktober 2008. Die griechischen CDS Kontrakte sind geräuschlos gesettled. Die portugiesischen 10Y-Staatsanleihen fallen um 108 bps trotz der negativen Äußerungen von PIMCOs Mohamed El-Erian. Das französische Geschäftsklima hellt sich auf und notiert auf einem 4-Monats-Hoch. Das erste deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut erhöhte die deutsche Wachstumsprognose für 2012 und 2013, nachdem sich Ende 2011 die Aussichten noch eintrübten.


Konstruktive „green shoots“, wohin man auch blickt
Zeit also den Krisenmodus zu verlassen? Bei all der Inflation von Krisenbegriffen, darf der Überblick nicht verloren gehen. Wir befinden uns in den entwickelten Ländern weiterhin in der gleichen Deleveraging-Bewegung, die Ende 2008 einsetzte. Konsumenten und Produzenten fingen unmittelbar mit den Aufräumarbeiten ihrer Bilanzen an. Die Staatshaushalte stellten ihre Bilanzen als Kompensationsgefäße zur Verfügung und federten die Auswirkungen der diversen Subkrisen ab. Erst kürzlich nahmen sie den Deleveraging Pfad auf. Alle drei Säulen wurden dabei kräftig von ihren jeweiligen Notenbanken unterstützt.

Die Richtung stimmt. Also doch Zeit, den Krisenmodus zu verlassen. Leider nein. Die gegenwärtige Ruhe ist lediglich eine Verschnaufpause, die uns Zeit verschaffen würde, an den Strukturen unseres Gesellschaftssystems zu arbeiten. Denn in der aktuellen Phase bestimmen wir, wie gründlich die Aufräumarbeiten des letzten Zyklus durchgeführt werden. Wie reflektiert wir im Erkennen von reformbedürftigen Basisstrukturen sind. Wie konsequent wir an der Umsetzung neuer Strukturen arbeiten. Kurz, wie gut wir in der Lage sind, die Erkenntnisgewinne aus der letzten Krise in die Reformagenda hin zu einer robusteren, ausgewogeneren und wettbewerbsfähigeren Volkswirtschaft einzuarbeiten.

Nun wurden weltweit viele Reformprozesse von den G20 abwärts angestoßen. Reregulierungen mit einer Vielzahl von Akronymen, deren Aufzählung wir uns ersparen. Der Impuls war bei vielen richtig gesetzt. Deren Ausgestaltung ist noch lange nicht abgeschlossen. Alleine deshalb ist eine „Krise weg – Sonne scheint“ Mentalität grundlegend falsch. Sie würde lediglich den starken Lobbyverbänden die Tür noch weiter öffnen, Regulierungen zu deren Gunsten zu drehen, bei gleich lautenden Überschriften – the devil´s in the detail.

In den letzten beiden PSCs wurde deutlich, wie wenig sich die Regierungen bisher an die Kernthemen heranwagten. Nationale, wie internationale Imbalances blieben ausgespart. Speziell die Länder Zentraleuropas fühlten sich nicht tangiert, als es hieß, an die Strukturreformen zu gehen. „Nicht notwendig, weil schon erledigt“ war der Tenor in Deutschland, Holland, Österreich etc.. Nun, die OECD sieht dies anders. Zu Recht. Sie kritisierte Deutschland vor einem Monat scharf für seine <link http: www.ftd.de politik konjunktur :wirtschaftsbericht-oecd-verlangt-von-deutschland-umfassende-reformen>Reformkosmetik. Auch in Österreich sähe eine sich den Namen verdienende Föderalismusreform mehr vor, als ein paar Bezirksgerichte zusammenzulegen und Heeresspitäler zu schließen.

Nun soll man in beiden Ländern das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. In der Zielbestimmung „Haushaltskonsolidierung“ wurde 
handwerklich durchaus methodisch gearbeitet. So werden  “Zukunftsthemen“ wie Bildung, Pflege, Energieeffizienz extra gefördert, der Kostenauftrieb bei Pensionen durch die gesetzten Maßnahmen reduziert. Für die österreichischen Luftbuchungen „Finanztransaktionssteuer“ und „Steuerabkommen mit der Schweiz“ wird bald Ersatz notwendig sein. Man darf trotzdem davon ausgehen, dass in beiden Ländern die Haushalte spätestens bis 2016 als konsolidiert gelten.

Die Kritik der OECD setzt woanders an. Nutzen die Länder ihre derzeit vorteilhafte Position, um sich ihre starke Wettbewerbsposition auch künftig zu erhalten? Deren Analyse kam zu einem klaren Nein als Antwort.

Ein beispielhafter Aspekt ist die Anpassung der Absicherungssysteme auf die steigende volkswirtschaftliche Abhängigkeit von Exporten. Man erkennt klar ein deutliches Muster in der Strategie entwickelter Volkswirtschaften, ihre ökonomische Dynamik in zunehmendem Maße zu importieren. Der Welthandel trägt in der Zwischenzeit 50% zum weltweiten GDP bei – und dies trotz kaum liberalisiertem Dienstleistungsverkehrs.

Um wieder auf unser Eingangsbeispiel Schweden zurückzukommen. Es reicht nicht mehr, die auf dem Generationenvertrag basierenden Sozialsysteme durch eine Ausweitung von Durchrechnungszeiträumen, kaufkraftparitätischen Leistungsverkürzungen und Beitragserhöhungen zu strecken. Ein Beispiel. Die deutschen und österreichischen Versuche ein privates Element in die Altersvorsorge einzubauen, scheiterten an der stümperhaften Ausgestaltung der Produkte, die sich wiederum lediglich an den gesetzlichen Vorgaben orientierten. Letztendlich war es ein gutes Geschäft für Produktanbieter und Vertriebsstrukturen. Nur der Bezieher profitierte nicht. Ein gewisses Maß an Naivität an das Gute darf erlaubt sein, um davon auszugehen, dass dies nicht die Intention der Gesetzgeber war.

Wie machen es die Schweden?
Aus Mauldin´s Aufzeichnungen zitiert: „What current retirees get is a direct function of what current employees pay. If during a recession the revenue goes down, then the social security payments go down. You can actually have a case where your retirement pension goes down within a given year rather than up, if the country is in recession. In essence, their social security costs are indexed to GDP“. Gute Idee!

Dank seiner volkswirtschaftlichen Elastizität schaffte Schweden mit +5,6% Wirtschaftswachstum einen der stärksten Turnarounds in 2010, bei einem Einbruch in 2008/09 der mit jenem in Deutschland vergleichbar war. Schweden war Anfang der 1990er ein Sanierungsfall. Eine hausgemachte Bankenkrise half als Denkanstoß zu out-of-the-box Maßnahmen. Dies darf als Hinweis darauf verstanden werden, dass binnen relativ kurzer Zeit Veränderung möglich wird, wenn ausreichend Wille in einer Gesellschaft vorhanden ist.

Europa hat es als Gemeinschaft noch einfacher als Schweden damals, sich an Strukturreformen zu versuchen, weil es an eigenen Beispielen lernen könnte. Italien arbeitet unter Monti daran. Spanien wird zunehmend dazu gezwungen. Die PIGs sind inmitten des schmerzhaften Anpassungsprozesses.
In den Kernländern Kontinentaleuropas ist hingegen das Problembewusstsein hierzu schwach ausgeprägt. Wie könnte auf europäischer Ebene eine Beschleunigung der Lernerfahrung erzielt werden?

Angela Merkel scheint diese Woche der Aggregation von EFSF und ESM via Treffen der Finanzminister zustimmen zu wollen. Ein vernünftiger Schritt. Das europäische Makrogefüge ist immer noch sehr instabil.

Es ist davon auszugehen, dass wir in Griechenland, Portugal und Irland weitere Hilfsmaßnahmen sehen werden. Der harmlose Contagion-Effekt von griechischen CDS Kontrakten lädt alle drei ein, sich an weiteren, lokal akzeptierten Formen eines Schuldenschnitts zu versuchen. ESM und EFSF bleiben in ihrem derzeitigen Format lediglich Hilfskonstruktionen, auch wenn der ESM als permanenter Schirm aufgesetzt ist. Ebenso dient die vereinbarte Schuldenbremse zwar als politisches Commitment, nicht aber als Substitut für institutionelle Reformen in Richtung Fiskalunion (siehe <link http: www.welt.de wirtschaft article13922644 eu-laender-nehmen-schuldenbremse-nicht-ganz-ernst.html>Aufweichungsversuche von Spanien und Ungarn).

Ein ESM mit dem Mandat als innereuropäisches IMF Äquivalent und Eurobonds als Finanzierungspool sollten, neben der ECB, den verstärkten Regulierungsbehörden und dem traditionellen Dreieck Rat/Parlament/Kommission ein Institutionengefüge bilden, mit Hilfe dessen sich Europa auf die Reform seiner strukturellen Defizite konzentrieren könnte.

Es bleibt viel zu tun.


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*) Markus Schuller (<link>mhschuller@panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der robuste Strategieansatz ergibt sich durch das Abbilden stabiler Megatrends im Multi-Asset Format auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (www.panthera.mc).