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Kommentar: USA - Land der unbegrenzten Selbstverleugnung

Der amerikanische Traum galt lange Zeit als Narrativ der US Gesellschaft. Die soziale Klammer des Melting Pots USA. Doch seit Anfang der 1980er Jahre sehen wir eine sich dynamisierende Scherenbewegung in den sozialen und ökonomischen Ungleichgewichten. Arianna Huffington (Third World America, 2010), Raghuram Rajan (Fault Lines, 2010) and Robert Reich (Aftershock, 2010), stehen mit ihren prominenten Publikationen Pate für diese Entwicklung.

Markus Schuller

Die soziale Durchlässigkeit notiert auf einem Allzeit-Tief. In den USA geht es derzeit um mehr, als nur die Frage nach einer Double-Dip Rezession oder der nächsten Hilfsaktion durch Ben Bernanke. Es geht darum, ob eine Gesellschaft gewillt ist, sich nun endlich ihren Dämonen (Strukturdefiziten) zu stellen, um damit einen noch rascheren Bedeutungsverlust als dominierende Volkswirtschaft zu verhindern. Als die vier großen Strukturdefizite können veraltete Infrastruktur,destabilisierendes Steuersystem, ineffizientes Gesundheitssystem und überdimensioniertes Militär genannt werden.

Nach einer Reihe von „kicking-the-can-down-the road“-Maßnahmen in der Symptombehandlung (ausgenommen ARRA), befindet sich die USA nun in der glücklichen Lage, nicht mehr allzu viele Störgeräusche durch politische oder Notenbank-induzierte Interventionen erwarten zu müssen. Beide Institutionen haben ihre gewichtigen Bullets verschossen. Und man sah, dass es gut war. Beispielhaft die wirkungslosen Quantitative Easing (QE) Interventionen der US Notenbank. QE I endete im Frühjahr 2010. Unmittelbar im Anschluss fiel die 10y Treasury Yield um 160 Basispunkte. Nach Abschluss des QE II Aufkaufprogramms sahen wir das gleiche Muster, ein Abfall um 120 Basispunkte. Well done, really.

Übrig bliebe nun, die Behandlung der Symptome einzustellen, und sich in einem Kraftakt auf die Behebung der Strukturdefizite zu konzentrieren. Der unverantwortliche Verlauf der Verhandlungen zur Erhöhung der Schuldenobergrenze zeigte deutlich, wie gering das Problembewusstsein eines strukturellen Wettbewerbsnachteils derzeit noch ist. Präsident Obama benennt zwar seit seinem Wahlkampf die richtigen Themen, setzt die richtigen Reformagenda (Healthcare Reform, Green Energy Initative, etc), doch deren Umfang, respektive Wirkungsgrad in der Umsetzung ist marginal.

Sehen wir uns beispielhaft eines der genannten Defizite, die veraltete Infrastruktur an.

Modernisierung der Infrastruktur
Die USA ist bekannt für ihre 12-spurigen Highways als Ausdruck der Mobilitätsaffinität des Landes. Und doch erweist sich die Verkehrsinfrastruktur als Zeit- und damit Produktivitätskiller. Gemessen an den täglichen Pendeldauern in den Industrieländern, rangiert die USA nur knapp hinter Ungarn und Rumänien auf Platz drei. Ein Ranking, bei dem man nicht zwingend im Vorderfeld rangieren will. Gleiches gilt für die Verkehrssicherheit. Mehr Zeit auf schlechteren Straßen ergibt mehr Verkehrstote. Mit 15 Toten pro 100.000 Bürgern pro Jahr liegt die USA 60% über dem OECD Durchschnitt.  33.000 Menschen verunglückten in 2010 auf US-Straßen.

Der Schinenverkehr ermöglicht nur gerine Entlastung für das überlastete Straßennetz. Das Fehlen von Hochgeschwindigkeitsverbindungen verstellt die Schine als Mobilitätsalternative. Acela, Amerika´s schnellste und verlässlichste Verbindung, liegt im Nord-Osten und transportiert Passagiere mit durchschnittlich 112 Km/h. Frankreich´s TGV erreicht im Schnitt die doppelte Geschwindigkeit. Züge in den USA sind nicht nur langsam, sondern auch unpünktlich. Laut Eurostat erreichen Europa´s Züge eine Pünktlichkeit von 90%. In den USA liegt sie bei short-distance Verbindungen bei 77%. Long-distance ist noch unzuverlässiger.

Bleibt der Luftverkehr…
Die amerikanische Luftverkehrs-Kontrolle basiert noch immer auf einem boden-basierten System aus den 50er Jahren. Die veraltete Technik führt dazu, dass Linienflüge ineffiziente Routen nehmen müssen und Abstände zwischen Flugzeugen groß gehalten werden. Ergibt in Summe eine Reduktion an Flugzeugen in einem Flugsektor. Überbuchte Flughäfen, ein weiterer Flaschenhals, führen zu stundenlangen Verzögerungen für Reisende. Die seit 9/11 verschärften Sicherheits- und Immigration Checks runden das Bild ab.

Zudem kann die USA punkto Infrastruktur nicht die biologische Karte spielen, und auf eine degenerative Demographie-Entwicklung bauen. Dem Census Bureau folgend, wird die Bevölkerung bis 2050 um 40% wachsen.

Deutlich wird die strukturelle Vernachlässigung von Infrastrukturinvestments und deren Instandhaltung. Neuinvestition und Instandhaltung fielen im Jahr 2007 auf 2,4% des GDP  - ein Tiefststand seit dem 2. WK. Zum Vergleich: Europa wendete im gleichen Jahr 5% auf, China 9%. Speziell die Instandhaltung wird stark vernachlässigt. In 2006 investierte UK 23% per capita mehr in erhaltende Maßnahmen als die USA. Amerika´s Abhängigkeit vom Automobil als primäres Mobilitätsvehikel  ist auf einen Mangel an Alternativen zurückzuführen. In Europa und Japan wird prozentuell und sogar nominell (!) mehr in die Schiene investiert als in den USA.  Pläne, die Flugüberwachung auf eine moderne, Satelliten-basierte Technologie umzustellen, wurden wiederholt verschoben. Auch der aktuelle Fahrplan zur Umstellung könnte den Budgetkürzungsplänen der Federal Aviation Administration zum Opfer fallen. Noch Fragen?


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*) Markus Schuller (mhschuller(at)panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der verwendete Strategieansatz zur Allokationsbestimmung bezieht seine Robustheit aus dem Folgen von stabilen Megatrends. Der Ansatz nimmt bewusst Abkehr von Markowitz und anderen stark limitierenden Methoden und konzentriert sich auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (<link http: www.panthera.mc>www.panthera.mc).