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Kommentar: Wer war nochmal Berlusconi? Italien, eine Makroanalyse

Auch wenn Papandreou mit seinen Volten in Griechenland die Schlagzeilen der internationalen Nachrichten bestimmt, ist das Land selbst lediglich Pojektionsfläche für die Verhandlungen zu einer umfassenderen Institutionenreform innerhalb der Eurozone, bei gleichzeitiger Sicherung der volkswirtschaftlichen Solvenz der relevanten Miglieder Spanien, Italien und Frankreich.

Markus Schuller

Nun befindet sich Spanien bereits <link https: twitter.com>in Mitten seines Konsolidierungspfades, wenn auch unter <link http: www.zeit.de c-spanien-revolution>großen Schmerzen. Nach anfänglichem Zögern, aufgrund der anstehenden Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2012, macht auch Nicolas Sarkozy ernst und versucht Frankreichs Triple-A Rating mit dem „<link http: www.spiegel.de politik ausland>strengsten Sparpaket seit 1945“ zu retten.

Bleibt Italien. Berlusconi konnte seit Jahresbeginn neben <link http: www.eu-infothek.com article berlusconis-neues-sparpaket-unter-dach-und-fach>Sparpaketsankündigungen im Frühsommer, <link http: www.zeit.de wirtschaft italien-euro-krise>kalmierenden Briefen an die Eurozonen-Partner und <link http: www.n-tv.de politik merkel-dementiert-entschuldigung-article4632326.html>persönlicher Wehleidigkeit, keinen substanziellen Beitrag leisten, um der italienischen Volkswirtschaft wieder eine Perspektive zu geben. Die Märkte sind dementsprechend nervös. Die 10Y Staatsanleihen notieren gestern (Montag) bei einer <link http: www.bloomberg.com quote gbtpgr10:ind>Yield von 6,66%. Ergibt einen <link http: www.bloomberg.com quote gdbr10:ind>Spread von 4,88% (!) zu deutschen 10Y GovBonds. Attention: als Irland´s Spread zu Deutschland 450 bps erreichte, erhöhte <link https: twitter.com>LCH Clearnet die Margin Requirements für irische Staatsanleihen.

Seit dem G20 Summit in Cannes (Polizeiaufgebot in Monaco war dementsprechend hoch – als ob hier eine OccupyMonaco Bewegung zu erwarten wäre …) steht Italien nun unter Beobachtung von <link http: www.spiegel.de wirtschaft soziales>EU Kommission und IMF. Erstaunlich, wie gering das Problembewusstsein beim drittgrößten Mitglied der Eurozone immer noch ist. Anstatt an einer Lösung zur Behebung der Wettbewerbsnachteile zu arbeiten, wird das Schicksal des Landes auf <link http: online.wsj.com article>Berlusconi´s Rücktritt oder Verbleib im Zusammenhang mit der <link http: derstandard.at regierungskrise-italien-berlusconi-treue-silvio-ist-am-ende>heutigen Abstimmung abhängig gemacht. Dabei ist Berlusconi Ausdruck eines Systems und nicht das Problem selbst – mehr dazu auf der nächsten Seite. Auch versucht die Bevölkerung, im Schulterschluss mit den Gewerkschaften, erworbene Rechte zu schützen, anstatt darüber nachzudenken, wie das Land aus seiner Trägheit befreit werden kann.

<link http: derstandard.at vertrauen-liegt-darnieder-italien-muss-rekordzinsen-zahlen>Eine aktuelle Aufzählung: „Diese Woche sind mehrere Protestaktionen gegen die Regierung Berlusconi geplant. Studentendemonstrationen sind am heute in Rom vorgesehen. Damit wollen die Studenten gegen die von der Regierung geplanten Kürzungen im Bildungswesen protestieren. Am Freitag ist eine Protestkundgebung gegen die Macht der Finanz vor dem Sitz der Notenbank in Rom vorgesehen. Von heute bis Freitag bleiben die Zapfanlagen im ganzen Stiefelstaat gesperrt. Der Verband der italienischen Tankstellenpächter hat ein Paket von insgesamt 15 Streiktagen beschlossen. Protestiert wird gegen die Liberalisierungsmaßnahmen der Regierung, die laut den Tankstellenwächter die Zukunft von 25.000 Unternehmen und 140.000 Jobs gefährden.“ Ende der Aufzählung. Das fehlende Problembewusstsein ist offensichtlich. Eine stabile gesellschaftliche Allianz für einen harten Reformkurs ist von Signifikanz für dessen Gelingen. Portugal, Irland und Island stehen dafür Pate. In Griechenland benötigte es 1,5 Jahre, bis die größte Oppositionspartei sich Ende letzter Woche für eine Beteiligung an der nationalen Kraftanstrengung entschied. Wie werthaltig ihr Committment ist,  bleibt abzuwarten.

Zurück zu unserem italienischen Patienten.

Sehen wir uns im heutigen PSC die tatsächlichen Macro-Problemfelder des stolzen Landes an.

Italien wächst nicht. Das Land hat von 2000-2010 real kein Wirtschaftswachstum generiert und liegt damit im Europäischen Vergleich abgeschlagen an letzter Stelle.

Trotztdem wurde das Land lange Zeit als stabil eingestuft. Italien ist zwar mit 119% (2010) seines GDPs verschuldet. Dem steht aber ein <link http: www.ftd.de politik europa :schuldenkrise-beinahe-ein-heimspiel-fuer-axel-weber>Nettoprivatvermögen von <link http: www.ftd.de politik europa :schuldenkrise-beinahe-ein-heimspiel-fuer-axel-weber>180% des GDPs <link http: www.ftd.de politik europa :schuldenkrise-beinahe-ein-heimspiel-fuer-axel-weber>gegenüber - Deutschland und Frankreich kämen jeweils nur auf <link http: www.ftd.de politik europa :schuldenkrise-beinahe-ein-heimspiel-fuer-axel-weber>ca. 140%.

Auch ist die aggregierte Bilanzsumme des italienischen Finanzsystems bedeutend kleiner als jene der Peer und in ihrer Höhe durchaus manageable.

Nahezu <link http: epp.eurostat.ec.europa.eu cache ity_offpub ks-sf-11-003 en ks-sf-11-003-en.pdf>60% der Staatsanleihen werden von italienischen Investoren gehalten. Alles Argumente für ein stabiles Italien. Weshalb nun aber der Druck seitens des Finanzmarktes?

Die lange mit Stabilität interpretierte, beruhigende Aussendarstellung der italienischen Volkswirtschaft verdeckte den tatsächlichen Zustand eines verfilzten Politiksystem, bei zugleich <link http: www.imf.org external pubs ft reo eur eng pdf ereo1011.pdf>schleichendem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit seit Anfang der 1990er. 

Dem Glaubwürdigkeitsverlust der italienischen Politik, die überfälligen Institutionen-/Strukturdefizite aufarbeiten zu können, folgte nun der Vertrauensverlust des Marktes.

Als Konsequenz des Vertrauensverlusts folgt eine sich nun selbst verstärkende Verschlechterung der Finanzierungskonditionen. Anders als in Deutschland, Frankreich und UK, war die Staatsverschuldung Italiens zwischen 2007-2011 nicht von Stimuli, Bankenrettungen und Steuerausfällen geprägt, sondern nahezu ausschließlich von steigenden Refinanzierungskosten. Hier schließt sich der Kreis mit dem Bond Spread.

Der IMF analysierte in seinem Oktober Report (<link http: www.imf.org external pubs ft reo eur eng pdf ereo1011.pdf>Regional Economic Outlook Europe) präzise, wo die Treiber der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit Italiens zu finden sind (gekürzte Fassung | in EN):

v  Inefficient public expenditure and a complex tax system hinder fiscal consolidation and growth. Italy scores poorly in terms of the quality and efficiency of public expenditure, and it stands out among countries with the highest tax burden and lowest tax compliance (EC, 2009).

v  Overall, progress on improving public expenditure has been limited, although some steps have been taken to improve the budget classification, institutionalize spending reviews, and reorganize public administration.

v  Further fiscal consolidation is constrained by the size of transfers to subnational governments, large entitlement programs, and the sizable interest expenditure.

v  Finally, the tax system is unduly complex and prone to abuse. This limits labor utilization, promotes evasion, and limits the ability to reduce the debt relative to GDP and attract FDI into the country.

v  Labor productivity is low and falling. Limited labor market reforms have not prevented real wage growth from outpacing the modest productivity gains, causing unit labor costs to increase.

v  Increasingly, firms are unable to compete with low-cost producers in the global market as Italy’s pattern of export specialization in low-skill labor-intensive goods has contributed to weak productivity growth.

v  Labor participation is low. For instance, the labor participation of women is constrained by the lack of a family policy and formal child care structures. In addition, old age participation is reduced by a pension system that until recently favored early retirement.

v  Innovation in new dynamic firms is low. A series of factors hinder innovation by Italian SMEs. Until recently, the barriers to business creation were significant, and the experience with “one-stop shops” (introduced in 2005) to reduce these barriers has been varied (OECD, 2009). In addition, until 2006, bankruptcy legislation also hindered exits, as entrepreneurs were exposed to risky criminal proceedings, putting personal wealth at risk.

v  At present, the equity market is underused and venture capital market is slow to develop. This is partly due to a still embryonic market of institutional investors, lack of regulations encouraging investment in SMEs, and weak corporate governance practices, despite adopted regulations that follow OECD best-corporate governance practices (OECD, 2009).

v  Civil courts remain inefficient (OECD, 2009). Regulations aimed at protecting the privileges of judges and lawyers (in terms of pay and status) imply that the average duration of cases is the highest in Europe. Claims are usually settled out of court through private negotiations.

v  The inefficiency of the civil justice system amplifies the problems caused by the aforementioned underdeveloped capital markets and weak corporate governance, and it represents another bottleneck keeping firms from growing beyond the threshold below which family control is still an effective organizational form for enforcing contracts.

Zusammengefasst:
Italien leidet an einem Vertrauensverlust seitens des Marktes. Das Land hätte ausreichend volks-wirtschaftliche Substanz, um die vom IMF ge-zeigten Defizite aufarbeiten zu können. Das Para-doxon: Strukturreformen benötigen Zeit. Zugleich drängt die Zeit für unmittelbare Ergebnisse, weil ECB/EFSF Italien bei weiter steigenden Refinanz-ierungskosten nicht auffangen werden können.

Ob Italien mit oder ohne Berlusconi in die Umsetzung geht, ist nicht von entscheidender Relevanz. Das politische System Italiens muss sich nun unmittelbar als handlungsfähig erweisen. Das gleiche System also, das sich in den letzten zwanzig Jahren hierzu als unfähig erwies. Der IMF wird sich ebenso beweisen müssen, ob er es schafft, eine der größten entwickelten Volkswirtschaften der Welt an die Hand nehmen und entscheidend führen zu können.


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*) Markus Schuller (mhschuller(at)panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der robuste Strategieansatz ergibt sich durch das Abbilden stabiler Megatrends im Multi-Asset Format auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (<link http: www.panthera.mc>www.panthera.mc).