Die generellen Aussagen und erstes Marktfeedback gehen derzeit unisono dahin, dass die Regelungen der neuen AnlV „in die richtige Richtung“ gehen. Dafür gibt es bekanntlich zwei Gruppen von Argumenten:
Erstens: Das derzeit niedrige Zinsniveau und die bislang vorherrschende Ausrichtung der Anlageportfolien von Versicherungsunternehmen und versicherungsförmigen Altersversorgungs- und Altersvorsorgeinstitutionen erfordert dringend Anlage-Alternativen, die mit besseren Rendite-Risiko-Erwartungen einhergehen; die neue AnlV regelt Möglichkeiten in diese Richtung.
Zweitens: Sachinvestitionen und insbesondere Infrastrukturprojekte bedürfen europaweit einer breiteren Kapital- und Investorenbasis. Da die Finanzierung durch die öffentliche Hand zunehmend schwieriger wird sowie Renovierungsstau und Anpassungen an deutlich gewachsenen Bedarf nicht vorgenommen werden (können), ist jede Form zukünftiger Finanzierung durch andere Eigen- und Fremdkapitalgeber zu begrüßen.
Bei Investoren spielt die Frage der Vehikel und möglichen Implementierung von Investitionsideen mittlerweile eine mindestens ebenso große Rolle wie die Dimensionen Rendite und Risiko.
Gleichwohl ist auch durch die neue Anlageverordnung nicht davon auszugehen, dass sich ein „Investitionsstau“ auflöst oder mit großer Dynamik Neuausrichtungen der Portfolios innerhalb weniger Monate zu beobachten sein werden.
Die bisherige Unklarheit darüber, wie die AnlV konkret aussehen wird, hat zwar zu einer zusätzlichen Verlangsamung von Allokations-Entscheidungen geführt; die nun erfolgte Regelung ist aber (a) immer noch so kompliziert und (b) unvollständig in Bezug auf finale Regelungen wie Solvency II und BAFin-Rundschreiben, dass nicht von einer „Welle“ oder dem „Platzen eines Knotens“ auszugehen ist. Der Trend in Richtung alternativer Assetklassen wird sich stetig fortsetzen, zumal ab 2016 die Solvency-II-Regelungen weitere Auswirkungen in Bezug auf die Eigenkapitalkosten haben werden.
Bei der Einschätzung der neuen AnlV sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
In weiten Teilen bewerkstelligt die neue AnlV „nur“ die Umsetzung von Änderungen, die sich aus dem verabschiedeten KAGB und den Neuregelungen zu Investment-Fonds (UCITS bzw. AIF) ergeben haben: an dieser Stelle war Regelungsklarheit dringend erforderlich; diese ist jetzt gegeben.
Positiv zu vermerken ist, dass die (EWR domizilierten) 'echten' AIF (die auf die neue 7,5%-Quote anzurechnen sein werden, AnlV Nr. 17) als regulierte Vehikel nicht das Problem des VAG-Reportings haben werden (kein Durchschauprinzip und Anrechnung der einzelnen Wertgegenstände). Die finale Handhabung in den Details der Tagesarbeit ist jedoch bis zu einer konkreten Auslegung durch die BaFin noch offen.
Wichtig wird daher sein, wie und wie schnell die BaFin in einem die offenen Auslegungsfragen klärenden Rundschreiben das konkrete Tagesgeschäft für die Kapitalanleger, Initiatoren und Asset Manager ausgestaltet.
Aus Investorensicht bleibt das Problem, dass es eine Zeitlang dauern wird, bis sich ein gewisser Standard in der Form der Angebote herausgebildet haben wird, der eine leichtere Vergleichbarkeit und reduzierten Implementierungsaufwand ermöglicht.
Die Abwägung von Rendite-Risiko-Erwartungen, die Due Diligence der Produkte und Anbieter und die offenen Implementierungsfragen erschweren eine zügige Substituierung von klassischen Fixed Income-Allokationen durch Sachwert-, PE- und Infrastrukturinvestments. Eine zeitige Remedur der mit der Niedrigzinsphase einhergehenden Probleme ist also – leider – nicht zu erwarten.
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*) Dr. Oliver Roll ist CEO von 4AlphaDrivers (<link http: www.4alphadrivers.com>www.4alphadrivers.com)