IPE D.A.CH: Herr Scholz, Sie führen bei TELOS regelmäßig Befragungen und Markterhebungen im institutionellen Sektor durch. Wie nehmen Sie aktuell das Verhalten institutioneller Investoren wahr, was bewegt die Investoren?
Scholz: Eine gewisse Verunsicherung ist spürbar. Wenngleich die insbesondere im 1. Halbjahr vorherrschende Unschlüssigkeit langsam weicht.
IPE D.A.CH: Können Sie das bitte etwas konkreter ausführen?
Scholz: Gerne. Im ersten Quartal 2022, also zu Beginn des Ukraine-Krieges und der Energie-Krise hatten wir institutionelle Investoren zu ihren Anlageplänen mit Blick auf die nächsten 12 bis 18 Monate befragt. Damals gaben über alle Assetklassen hinweg gut 20% der Investoren an, dass sie unschlüssig sind, ob sie ihre Anlagequoten erhöhen, reduzieren und stabil halten sollen. Einen solch hohen Wert hatten wir in über 20 Jahren Spezialfondsmarktstudie noch nie. Inzwischen befassen sich die Anleger aber wieder konstruktiver und nach vorne gerichtet mit dem Thema Asset Allokation.
IPE D.A.CH: In welche Richtung wollen sich denn die institutionellen Anleger bewegen? Welche Anlagethemen stehen im Fokus?
Scholz: Lassen Sie mich zunächst kurz einen Blick in den Rückspiegel werfen. In all unseren Studien der letzten Jahre – inklusive der Alternative Studie aus Ende 2021/Anfang 2022 – haben die institutionellen Investoren Alternatives (Alternative Investments) als das Anlagesegment angegeben, in das sie verstärkt investieren wollen. Bislang waren die tatsächlichen Quoten nicht so stark gestiegen. Wenn ich mir allerdings die (vorläufigen) Ergebnisse unserer Ende Q2/Anfang Q3 durchgeführten Investorenbefragung anschaue, so kann ich diesmal einen deutlichen Anstieg der AI-Quoten feststellen. Im gleichen Maße sind die Quoten der Anleihen deutlich reduziert worden. Dies mag sicherlich auch auf Kursrückgänge im Segment der Anleihen zurückzuführen sein. Aber scheinbar sind diesmal auch tatsächlich in größerem Umfang neue Gelder in Alternatives geflossen.
IPE D.A.CH: Und wie sieht es nun nach vorne schauend aus?
Scholz: Wenden wir den Blick nun wieder in Fahrtrichtung und schauen durch die Windschutzscheibe. Hier bietet sich ein ähnliches Bild wie in den Vorjahren. Klassische Renten stehen auf der Beliebtheitsskala weiterhin sehr weit unten. Aktien stoßen durchaus weiterhin auf Interesse. Ganz klarer Favorit sind aber Alternatives (Private Debt, Private Equity und Infrastruktur) sowie Immobilien. Bei den Themen Währungen und Rohstoffe gibt es keine klare Tendenz.
IPE D.A.CH: Das sind spannende Ergebnisse. Sie sprachen kurz das Thema Rohstoffe an. Gibt es Ihrer Sicht Gründe für die Zurückhaltung institutioneller Investoren?
Scholz: Betrachtet man die Entwicklung der breiten Rohstoffindizes, die neben Volatilität eher überschaubare Ergebnisse geliefert haben und setzt diese nun in die klassischen Asset Allokation Optimierer ein, dann bekommen Rohstoffe ein sehr niedriges Gewicht. Da denken sich viele Anleger, dass eine solch geringe Beimischung keinen Sinn macht. Insbesondere dann nicht, wenn man wegen einer 0,x % Quote anschließend den internen Gremien erklären muss, warum man gegebenenfalls Verluste auf dieser Position hat. Ein weiter Hinderungsgrund sind ESG-Gesichtspunkte. Viele Rohstoffe, die gerade in den breiten Indizes prominent enthalten sind, kommen aus den Bereichen der fossilen Energie (Öl & Gas) und der Agrarrohstoffe (Weizen, Mais, Sojabohnen etc.). Beides sind Segmente, die unter Nachhaltigkeitsaspekten von vielen institutionellen Investoren gemieden werden.
IPE D.A.CH: Gibt es denn aus Ihrer Sicht überhaupt ESG-konforme Anlagemöglichkeiten im Bereich der Rohstoffe?
Scholz: Nimmt man die EU-Taxonomie so darf man zumindest Gas nicht völlig ausschließen. Aber dies muss jeder Investor für sich selbst entscheiden. Ein anderer Rohstoffsektor ist der Bereich der Metalle. Diese werden gerade mit Blick auf die angestrebte Energiewende benötigt. Insofern wäre dies durchs ein auch unter ESG-Gesichtspunkten mögliches Anlagesegment. Letztendlich gibt es durchaus mehrere Möglichkeiten, auch unter Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien, in Rohstoffe zu investieren. Und das „Problem“ der schwachen Performance bei Rohstoffen haben wir nun auch nicht mehr – hier dürften die Optimierer nun höhere Quoten auswerfen.
IPE D.A.CH: Wie sieht es mit der Risikobereitschaft institutioneller Investoren aus?
Scholz: Gerade die Marktentwicklungen im ersten Halbjahr dürfte das Thema Risikomanagement befeuert haben. Anders als in den Vorjahren, in den Aktien kurzfristig stark gefallen waren und sich anschließend binnen kürzester Zeit wieder erholt hatten, hält die Schwächephase diesmal deutlich länger an. Zudem kommt bei steigenden Zinsen diesmal auch keine Unterstützung von der Rentenseite, so dass nur noch Alternatives für (eine technische) Stabilität in den Portfolios sorgen. Insofern überrascht es wenig, dass das Thema Risiko Management als zweitwichtigstes Anlagethema von den institutionellen Investoren genannt wurde – nur Infrastruktur lag höher. Hier wird es spannend zu beobachten sein, wie das Risikomanagement in einem neuen Zinsregime funktioniert. In die gleiche Richtung gehen letztendlich auch Overlay-Strategien, mittels derer das Risiko des Gesamtportfolios oder bestimmter Teile davon gesteuert werden soll.
IPE D.A.CH: Der Slogan von Telos lautet „Wir bilden die Brücke zwischen Investor und Asset Manager“ Welche Brücke sind Sie aktuell am Bauen?
Scholz: Hier arbeiten wir aktuell an mehreren Brücken – hoffentlich besser und schneller als das bei anderen Brückenarbeiten rund um Wiesbaden der Fall ist. Am 13. Oktober findet wieder die Wiesbadener Alternative Konferenz statt. Im Rahmen der Konferenz werden verschiedene Anlagethemen aus dem Bereich der Alternatives diskutiert. Neben den „Klassikern“ Immobilien, Infrastruktur, Private Debt und Equity auch Spezialthemen wie Rohstoffe, Agriculture/Timber und FX-Overlay. Als Hauptredner wird Dr. Thomas Krismer von der Munich RE über die Klimakrise und ihre Risiken referieren. Dabei geht es nicht nur um die ökologische Seite, sondern insbesondere auch um die ökonomischen Risiken. Zudem veröffentlichen wir in Kürze das 4. Telos ESG Kompendium und bereiten zudem ein Kompendium zum Thema Alternative Investments vor.
IPE D.A.CH: Ich vermute, Sie waren bei dem sonnigen Wetter viel mit dem Rennrad unterwegs.
Scholz: Das stimmt. Da mir die Hitze wenig ausmacht, bin ich einige schöne Touren gefahren. Dabei bin ich allerdings schon etwas nachdenklich geworden. Die Auswirkungen der hohen Temperaturen auf die Natur waren klar zu spüren. Einzelne Strecken waren wegen Waldbränden nicht befahrbar, die Brunnen im Trentino, an denen man normalerweise seine Trinkflaschen auffüllen kann, waren ausgeschaltet bzw. ausgetrocknet und durch Flussbetten flossen vielerorts nur noch spärliche Rinnsale. Allerdings bin ich nicht nur mit dem Rad unterwegs. Zur Abwechslung setze ich mich auch gerne mit einem interessanten Buch auf die Terrasse und genieße ein Kaltgetränk. Aktuell lese ich das zweite Buch von Guillaume Martin, einem bemerkenswerten Profi-Radsportler, der ein Philosophiestudium erfolgreich abgeschlossen hat und neben dem Radsport Bücher schreibt: „Die Gesellschaft des Pelotons: Eine Philosophie des Einzelnen in der Gruppe“. In dem Buch geht es um die Widersprüche einer Individualsportart, die (bei Rennen) in Mannschaften ausgetragen wird – quasi der Individualist in der Gruppe. Ich finde das Buch sehr interessant, zumal es auch zum Nachdenken und Reflektieren abseits des Radsports anregt.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
Veranstaltungshinweis: „Wiesbadener Alternative Konferenz“ am 13. Oktober 2022.
Mehr Informationen finden Sie hier.