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Schweiz: Reform der Altersvorsorge noch immer auf Eis

Die erste Säule soll zuerst angegangen werden, aber Experten sind uneinig über Dringlichkeit für Änderungen zur zweiten Säule.

Vier Monate nach dem gescheiterten Referendum über eine umfassende Reform der Schweizer Altersvorsorge herrscht Uneinigkeit darüber, wie weiter vorgegangen werden soll.

Am 24. September lehnten die Schweizer Wähler das Reformpaket „Altersvorsorge 2020“ ab, das – wie viele sich einig sind – zu komplex war und sowohl Änderungen für die erste als auch die zweite Säule umfasste.

Sogar unter Pensionskassenexperten herrscht keine Einigkeit darüber, wie dringend eine Reform der beruflichen Vorsorge, das BVG, ist, wie unsere Redaktion in verschiedenen Gesprächen herausgefunden hat.

„Obwohl sie wünschenswert wäre, ist eine Reform der technischen Parameter nicht dringend, vor allem nicht, wenn der Preis ein neues, komplexeres System ist“, sagte Peter Zanella, Geschäftsführer bei Willis Towers Watson Schweiz.

„Der obligatorische Minimum-Umwandlungssatz muss so bald wie möglich herabgesetzt werden“, erklärte Heinz Rothacher, Geschäftsführer der Schweizer Beratungsgesellschaft Complementa.

Der Umwandlungssatz wird angewendet, um die jährlichen Rentenzahlungen aus dem angesparten Kapital zu errechnen und wird beim Eintritt in die zweite Säule festgesetzt.

Gesetzlich müssen die Pensionskassen die obligatorischen Rentenzahlungen zu einem Satz von 6,8% errechnen, der – wie alle Experten sich einig sind – im derzeitigen Marktumfeld zu hoch ist.

Allerdings können, weil die meisten Arbeitgeber in der Schweiz mehr als die obligatorischen Grundbeiträge in eine Pensionskasse einzahlen, können Anbieter einen niedrigeren Umwandlungssatz für diese Zusatzzahlungen festsetzen.

Zuletzt hat die UBS Pensionskasse eine neue Rekordkürzung auf 4,42% angekündigt.

Laut Zanella ist dieser Satz „sehr gering und nur berechtigt, wenn zukünftig basierend auf dem Anlageerfolg Rentenanpassungen vorgenommen werden“.

Laut Rothacher geht die UBS mit dieser Kürzung „davon aus, dass das Zinsniveau für eine sehr lange Zeit so niedrig bleiben wird wie heute, was die zukünftige Wirklichkeit vielleicht nicht korrekt abbildet.“ Deshalb könne es sein, dass der neue Satz „zu niedrig“ sei.

Laut Rothacher werden die Kürzungen, die diverse Pensionskassen vornehmen, „negative Auswirkungen haben, weil sich Arbeitnehmer vielleicht fragen, warum sie in dieser sehr starren zweiten Säule sparen sollen“, so Rothacher.

Er berechnete, dass ein Umwandlungssatz von knapp über 4,4% nur einer Langzeit-Performance von 1,5% entspricht.

„Das Vertrauen in die berufliche Vorsorge ist in Gefahr“, so Rothachers Warnung.

Zanella betonte, dass „es noch weiter möglich ist, das Problem des Minimum-Umwandlungssatzes zu umschiffen – aber warum sollten wir.“

Er würde sich wünschen, dass dieser technische Parameter aus dem Gesetz herausgenommen wird, vor allem für jene Arbeitnehmer in Branchen mit niedrigem Durchschnittseinkommen. Diese zahlen selten mehr als das Minimum in die Pensionskassen.

„Diese Menschen leiden am meisten, weil Pensionskassen, die nur mit den Minimum-Beiträgen der obligatorischen Vorsorge arbeiten können, das Vermögen der aktiven Mitglieder verwenden müssen, um Renten zu zahlen“, erläuterte Zanella.

Sowohl er und Rothacher sind sich einig, dass es höhere Transparenz dahingehend geben sollte, was ein höherer Umwandlungssatz tatsächlich für Menschen bedeutet – besonders für die jüngere Generation, die letztendlich niedrigere Renten erhalten wird.

Das dringendere Problem ist im Moment jedoch die finanzielle Situation des Reservefonds der ersten Säule, dem AHV, der um das Jahr 2024 eine Finanzierungslücke aufweisen wird, wenn eine neue Pensionierungswelle anrollt.

Kurz vor Weihnachten hat der Schweizer Sozialminister Alain Berset einen neuen Reformvorschlag unterbreitet, der die erste Säule priorisiert.

Allerdings muss dieser erst diskutiert und in ein Gesetz gegossen werden. Deshalb kann es noch dauern, bis eine neue Reform kommt – und dann stehen 2019 Wahlen an.

Egal wann letztlich die Reform kommt. Zanella hofft, dass es „nicht zu viele neue Regulierungen“ geben wird, die die Komplexität erhöhen.

Rothacher betonte, dass Stiftungsräte nicht auf die Schweizer Regierung deuten können, sondern so bald wie möglich die technischen Parameter anpassen sollen.

Aber er fügte hinzu: „Rentner in eine separate Pensionskasse auszulagern hilft nur mittelfristig. Das Problem wird sich nach rund einem Jahrzehnt wiederholen.“