Bei individuellen Wahlmöglichkeiten in Rentensystemen müssen immer die Auswirkungen auf das Gesamtsystem analysiert werden und die Menschen müssen in ihren Entscheidungen mit „Leitplanken“ geführt werden. Dies war die Lektion, die man aus dem Vortrag von Prof. Monika Bütler, Direktorin am Schweizer Schweizerisches Institut für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität St. Gallen, mitnehmen konnte.
Sie bestätigte bei der PPCmetrics-Konferenz in Zürich, dass viele Menschen in Vorsorgefragen keine Entscheidung treffen und fügte als Beispiel die Wahl zwischen Verrentung und Kapitalauszahlung hinzu: „Je mehr man Menschen zu einer Entscheidung zwingt, desto kleiner wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Verrentung wählen.“
Sie zitierte eine Untersuchung von Daten über Mitglieder diverser Pensionskassen, die einen stark unterschiedlichen Verrentungsgrad aufwiesen.
Bütler erläuterte, dass jene mit der geringsten Verrentungswahrscheinlichkeit zu einer Entscheidung gezwungen worden waren, während für die anderen die Verrentung die Standardlösung war.
Die Wahl hänge sehr stark auch von der Fragestellung ab und davon welche Entscheidung als Standard oder „default“ dargestellt werde, so die Wissenschafterin.
Im Schweizer „Rentenausweis“, den jeder Versicherte erhält, wird der Information über Verrentung mehr Raum gegeben als jener zum Kapitalbezug. Wenn Menschen mehr Informationen über Verrentung bekommen, dann wählen sie diese“, so Bütlers Fazit.
Allerdings warnte sie, dass einige der Entscheidungen, die Menschen treffen, „zu rational und strategisch“ seien und damit „der Allgemeinheit schaden können“. Als Beispiel nannte sie die sogenannten „Ergänzungsleistungen“ (EL), also Notfallzahlungen für Menschen, deren Renteneinkommen aus der ersten und zweiten Säule unzureichend ist.
Für Menschen ohne zusätzliches Vermögen in einer dritten Säule und einer niedrigen Rente aus der ersten und zweiten Säule kann der Kapitalbezug der Bezüge aus der betrieblichen Altersvorsorge günstiger sein, weil sie nach Aufbrauchen dieser Mittel die EL beziehen können.
Eine Lösung wäre, die Verrentung obligatorisch zu machen, zumindest bis zu einem gewissen Einkommensgrad.
Bütler erwähnte auch eine deutliche Absenkung des Umwandlungssatzes als weiteres Beispiel.
Ein solcher traf einige Versicherte in den Jahren 2003/04 und führte zu einem drastischen Anstieg in Kapitalbezügen und der Anteil der Verrentungen erholte sich über die nächsten Jahre nur sehr langsam.
Wahlmöglichkeiten und das Verhalten von Menschen bei Entscheidungen wird im Schweizer Pensionssystem immer wichtiger und das nicht erst seit 2010, als eine Mehrheit der Menschen eine weitere Absenkung des Umwandlungssatzes ablehnte, was nun zu noch drastischeren Kürzungen führt.
Ferner ist es so, dass immer mehr Pensionskassen darüber nachdenken, sogenannte 1e-Pläne, benannt nach einem Gesetzesabschnitt, einzuführen, die individuelle Wahlmöglichkeiten, das Risikoprofil der Anlage betreffend, einführen.
Dieser Schritt ist umstritten, weil viele Kritiker, darunter auch Wissenschafter, argumentieren, dass die Menschen diese Wahl nicht treffen können.
Bütler bestätigte, dass das Schweizer Sozialministerium jetzt mehr als jemals zuvor an den Studien interessiert sei und die Ergebnisse ihrer Arbeit nachfrage.