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Spekulation vs. Kapitalanlage, 4. und letzter Teil

Im vierten Teil der Serie geht Mark Robertson, unabhängiger Finanzjournalist und Finanzanalyst bei Vontobel Asset Management, Inc., New York von 1991–2000, auf die „wahren“ Merkmale eines Investors ein.

Im «Owner’s Manual» von Berkshire Hathaway liefert Warren Buffett ein interessantes Zitat, das unseres Erachtens die Haltung eines wahren Investors gegenüber dem Markt definiert: "Als Anteilseigner von sagen wir Coca-Cola oder Gillette sehen wir Berkshire als einen nicht geschäftsführenden Partner zweier aussergewöhnlicher Unternehmen, in denen wir unseren Erfolg an der langfristigen Entwicklung der Unternehmen messen und nicht an den monatlichen Veränderungen ihrer Aktienkurse. Uns würde es sogar überhaupt nichts ausmachen, wenn es mehrere Jahre keinen Handel oder keine Kursnotierungen für die Aktien dieser Unternehmen gäbe. Sofern unsere langfristigen Erwartungen positiv sind, bedeuten uns kurzfristige Kursveränderungen überhaupt nichts, es sei denn, sie böten uns eine Gelegenheit, unseren Anteil zu einem attraktiven Preis aufzustocken."

Warum halten wir dieses Zitat für so interessant? Zunächst werden Aktionäre als nicht geschäftsführende Partner eines Unternehmens definiert. Sie sind nicht in die Zuschauerrolle verdammt, wie die Besucher von Belmont Park oder Aqueduct Race Park; im übertragenen Sinne sitzen sie zusammen mit dem Manager im Sattel, der die Peitsche schlägt und die Zügel in der Hand hält. Investoren betrachten Aktien als Anteilsrechte, nicht nur als Papierschnipsel, die mit einem Preis versehen sind. Zweitens, Investoren sind an den langfristigen Perspektiven eines Unternehmens sowohl interessiert als auch darüber informiert. Es ist unmöglich, den Wert eines Unternehmens rational zu ermitteln, sofern man sich nicht damit auseinander gesetzt hat, was das Unternehmen macht und welche Faktoren seine Profitabilität beeinflussen. Schliesslich geht Buffett auf temporäre Risiken und Kursvolatilitäten ein; die Tagesschwankungen eines Kurses, welche die Akteure am Optionsmarkt und Market Timer so entzücken, interessieren ihn nicht. Er bringt kurzfristiges Handeln nicht mit langfristiger Kapitalanlage durcheinander. Um einen Fabelvergleich von Aesop zu bemühen, Investoren haben mehr gemeinsam mit Schildkröten als mit Hasen. Letztendlich ist der Trennungsstrich zwischen Kapitalanlage und Spekulation mitunter schwer zu ziehen, genauso wie die Grenze zwischen Vernunft und Unvernunft nicht immer leicht auszumachen ist. Zur Unterscheidung lässt sich allgemein sagen, wie es ein Richter des Supreme Courts einmal in einer berühmten Bemerkung über Pornografie tat, "ich weiss es, wenn ich es sehe". Wie die vorangegangenen Beispiele zeigen, erfordern aus unserer Sicht alle Kapitalanlagen einen rationalen Versuch der Bewertung des Anlagegegenstands auf der Grundlage einer gründlichen und durchdachten Analyse aller relevanten Faktoren. Die Definition eines wertorientierten Anlegers sollte nicht vom KGV oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis der Aktien seines Portfolios abhängen. Sie sollte sich nach der Befolgung eines Anlageprozesses richten, der den Marktwert mit dem fairen Wert vergleicht und der eine Anlageentscheidung dann und nur dann auslöst, wenn zwischen beiden eine erhebliche Differenz besteht. Diese Differenz, die Sicherheitsmarge, bietet das doppelte Versprechen von Kapitalschutz und angemessener Rendite. Anleger, die nicht den Wert ihrer Bestände ermittelt haben, sind in unseren Augen keine Anleger – sie haben spekuliert.

Dies war der vierte und letzte Teil der Serie „Spekulation vs. Kapitalanlage“.