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Wege aus der Krise: Das institutionelle Depotbankgeschäft als Opportunität für Geschäftsbanken

Viele Kreditinstitute haben aufgrund des Aufbrechens der Wertschöpfungskette im Asset Management ihre Geschäftspolitik in den vergangenen Jahren weg vom „low margin“ Geschäft mit administrativen Themen konsequent auf das „high margin“ Geschäft mit Fokus auf Vermögensverwaltung und das Asset Management in Form von Spezialfonds ausgerichtet, um sich neue Ertragsquellen zu erschließen. Untergeordnete Themen wie die KAG- oder Depotbankfunktion wurden weitgehend aufgegeben und an andere Service Provider ausgelagert.

Durch die zunehmende aufsichtsrechtliche Regulierung als Folge der Lehman-Krise geraten viele Institute nun zunehmend wieder in eine Sackgasse, da die Konzeption und der Vertrieb von Fondsprodukten erheblich erschwert wird (s. aktuelle Diskussion zur Umsetzung des AIMF Richtlinie), aber auch Investoren zunehmend informierter, kritischer und anspruchsvoller werden.

Eine wichtige, aber oftmals vernachlässigte Ertragsquelle in der Wertschöpfungskette für Fonds bleibt auch weiterhin die Depotbankfunktion. Traditionell ist mit dem Depotbankgeschäft nicht nur der Handel für die Fondsbestände verbunden, sondern der Kunde kann auch (weitgehend) nichtregulierte Direktbestände verwalten lassen kann. Sofern die Depotbank darüber hinaus noch ein übersichtliches, kompaktes und leicht verständliches Reporting in deutscher bzw. in der heimischen Sprache liefern kann, hat sie eine gute Ausgangsbasis aus der bestehenden Kundenbeziehung ein aktives Cross-Selling mit weiteren Bankprodukten zu betreiben.

In der aktuellen Marktsituation, die noch von den Unsicherheiten durch die Euro Schuldenkrise geprägt ist und in welcher der Absatz von Fondsprodukten teilweise zäh und schleppend verläuft, muss das Augenmerk nun darauf liegen zunächst Vermögensgegenstände in jeglicher Form zu akquirieren und sich im Dienstleistungsangebot breiter zu positionieren, um eine kritische Masse bei den Assets under Management zu erreichen, die es der Bank erlauben würde sich als Anbieter für institutionelle Mandate nachhaltig zu positionieren.

Da in der Regel bestehende Kundenbeziehungen wertvoller sind als potenzielle Zielkunden, denen man in einer langwierigen Akquisitionsphase und mit vielen Besuchen vor Ort die jeweiligen Fondsprodukte, Zertifikate oder strukturierte Produkte „kalt“ anbieten möchte, ist es immer erstrebenswert, dass ein Anleger zunächst ein normales Geschäftskonto oder ein Depot bei einer Bank eröffnet. Aus einer bestehenden Geschäftsbeziehung hat die Bank eher die Möglichkeit, den Anleger auf weitere Dienstleistungen anzusprechen und sie zu bewegen weitere Assets auf die Bank zu übertragen.

Eine Rückbesinnung auf die ureigenste Tätigkeit als Bank, ein „Back to the Roots“ scheint daher der Weg aus der Krise zu sein. Zunächst ist es notwendig, kurz auf den weitgehend üblichen Vertriebsprozess im Banken- bzw. im Fondssektor einzugehen, um die notwendigen Schritte abzuleiten. Im Bestreben sich einer vermeintlich lästigen Admin- oder Depotbankfunktion zu entledigen, kann man häufig beobachten, dass Anbieter erst einmal von sich ausgehen und eine „Ich“-bezogene industrielle Absatzorientierung im „high margin“ Geschäft in den Vordergrund stellen. Aus dieser „Ich“-Bezogenheit etwas verkaufen zu müssen, tendieren Anbieter vor lauter Plan- und Absatzzahlen, Marktanteilen und Controlling leicht dazu, die emotionalen Bedürfnisse Ihrer Kunden aus den Augen zu verlieren. Dabei klaffen oft auch Selbstbild und Fremdbild auseinander. Der Anbieter möchte sich gerne neu erfinden und versucht das Image eines Spezial- oder Nischenanbieters zu leben, ist aber in den Augen der Kunden mit diesem Selbstbild nicht notwendigerweise authentisch.

Erschwerend kommt hinzu, dass wenn auch die Mitarbeiter keine Wertschätzung erfahren und sie diese dann ihrerseits nicht an die Anleger transportieren können, die Anleger sich ihrerseits verschließen und die Produktpalette dann nicht „abgekauft“ wird.

Ein nachhaltig erfolgreicher Vertrieb muss zwingend auch die Gefühlswelt bei Investoren berücksichtigen und nicht nur abstrakte Zielgrößen. Es ist erwiesen, dass jeder Mensch unbewusst Gefühle und Emotionen in seine Entscheidungen einbringt, auch in der Geschäftswelt. Der rationale Investor scheint daher eher ein Mythos denn Realität zu sein. Die Emotionen und Wünsche der Anleger müssen von der Bank wahrgenommen und „einfühlsam“ zur Kenntnis genommen werden, damit eine dauerhafte und prosperierende Kundenbeziehung möglich ist.

Die Depotbank als Teil der gesamten Wertschöpfungskette im Bankbetrieb nimmt für Anleger durchaus eine wichtige emotionale Rolle ein. Die Depotbank steht für die ureigene Eigenschaft und Fähigkeit einer Bank, Vermögenswerte zu bewahren und zu schützen. Der Wunsch nach Sicherheit und Vertrauen kann nur die Depotbank erfüllen, was auch tief in der Erwartungshaltung von Menschen verwurzelt ist. Man denke hier an die Antike, wo ursprünglich Tempel und religiöse Einrichtung die Rolle eines „custody and safe keepings“ übernommen haben. Der (Geld-)Tempel als Ort der Sicherheit und des Vertrauens, sozusagen unter einem göttlichen, absoluten Schutz ist im kollektiven Bewusstsein stark verankert.

Neben dem emotionalen Aspekt für die Anleger kommt der Depotbankfunktion eine oft unterschätzte Bedeutung für den Bankvertrieb zu: sie ist eine der kostengünstigsten Vertriebswege für eine Bank, um an Assets under Management zu gelangen. Da man diese Funktion relativ unabhängig auch konzernfremden Fondsgesellschaften und Asset Managern anbieten kann, partizipiert man durch den Drittvertrieb der anderen Geschäftspartner automatisch an deren Akquisitionen und profitiert ggfs. auch von neuen Kundenkontakten.

Wie eingangs erwähnt, ist sie auch für nichtregulierte Produkte (d.h. Konten und Depots für Direktanlagen) geeignet. Dadurch ist es für eine Geschäftsbank im Grunde der optimale Weg, um kostengünstig an „Rohstoffe“ für die eigene Produktgestaltung zu gelangen. Die Direktbestände können als Bausteine für die Strukturierung oder der Veredelung eigener Anlageprodukte dienen. Es obliegt den Produktentwicklern und den Strukturierern der Bank mit entsprechenden Ideen an die Investoren heranzutreten und zu erörtern, inwieweit sie involviert werden möchten und welche Vergütung bzw. Gewinnbeteiligung für sie attraktiv sein könnte. Hier ist die Kreativität der Mitarbeiter gefragt. Die Kombination mit dem M&A Geschäft oder Investmentbanking ermöglicht neue Strategien in der Geschäftspolitik.

Viele Marktteilnehmer sehen die Depotbankfunktion dennoch weiterhin kritisch und wenden ein, dass die zunehmend strengere Anforderungen durch regulatorische Vorschriften, langfristige Investition in leistungsfähige IT Systeme, die Konkurrenz durch bspw. Global Custodians sowie der anhaltende Preis- und Margendruck allesamt mehr Probleme als Nutzen einbringen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Auswertung von einigen Depotbankstudien, die in den letzten zwei Jahren erschienen sind.

Eine von BNY Mellon, itechx und Faros Consulting konzipierte Studie berichtet bspw. über einen Markt, der weitgehend durch wenige Anbieter dominiert wird und der sich über Jahre bei den Preisen in einer Abwärtsspirale befindet. Die Verwahrung von Vermögensgegenständen alleine scheint bei Investoren eher eine unbedeutende Rolle zu spielen. Das Thema Zusatzservices wie Performance- und Attributionsanalysen wird von Investoren gerne nachgefragt, jedoch sind viele Lösungen anscheinend noch nicht zufriedenstellend.

Viele Marktteilnehmer sind zudem skeptisch, ob das Thema Value Added Services im Grunde nicht überbewertet wird. Eine Studie von Steria Mummert Consulting sieht die Bedeutung von sog. Value Added Services als eher untergeordnet. Bearing Point hat zu diesem Thema in einem White Paper festgestellt, daß nur hoch spezialisierte Anbieter im Rahmen mit einer bedarfsorientierten Nischenstrategie hier tatsächlich höhere Vergütungen durchsetzen können. Problematisch ist es bei Anbietern, die sinngemäß ihr Geschäft nur halbherzig betreiben.

Aufgrund dieser vermeintlichen Hürden haben sich bereits viele heimische Kreditinstitute als Anbieter von Depotbankleistungen zurückgezogen oder bieten diese Dienstleistung im Rahmen einer Konzernlösung nur noch opportunistisch an. Die schier aussichtslose Übermacht von internationalen Anbietern und zunehmend auch den Master KAGen scheint eine weitere Investition und Aufwand in den Ausbau der Depotbankfunktion eher obsolet zu machen.

Hierbei wird unterschätzt, wie dynamisch der deutsche institutionelle Markt ist. Im Zeitraum von 2001 bis 2011 betrug der kumulative Mittelzufluss in institutionelle Spezialfondsmandate laut den Jahreszahlen des BVI rund 408 Mrd. Euro. Selbst in den Krisenjahren 2008 und 2009 wurden zusammen immerhin rund 54 Mrd. Euro neue Gelder verteilt. Der Mittelwert im gesamten Zeitraum beläuft sich jährlich auf 37 Mrd. Euro, was einem durchschnittlichen Volumenzuwachs von rd. 10% p.a. entspricht. Einen Spitzenwert von 71 Mrd. Euro erreichten die Mittelzuflüsse trotz Griechenland und Eurokrise im Jahr 2010. Auch das Jahr 2011 steht mit einem ordentlichen Wert von 45 Mrd. Euro nichts nach. Es scheint ob die Finanzmarktkrise eher in den Köpfen der Marktteilnehmer stattfindet, die enormen Mittelzuflüssen sprechen jedenfalls eine andere Sprache.

Es ist offensichtlich, dass diese Gelder nicht nur verwaltet, sondern auch verwahrt werden müssen. Anscheinend geht es Investoren dabei nicht immer gleich um die Kostenfrage oder das ausgefeilteste High Tech E-Reporting. Laut besagter Studie von Steria Mummert Consulting lag z.B. der Kostenfaktor lediglich auf Platz vier der wichtigsten Entscheidungskriterien. Viel wichtiger waren den Investoren „der persönlicher Bezug, die Fachkompetenz der Mitarbeiter sowie das überzeugende Bekenntnis, die Depotbankfunktion langfristig ausüben zu wollen“. Das Argument, daß man nur mit extrem günstigen Konditionen oder mit einem entsprechenden Reporting aufwarten kann, scheint sich hier nicht unbedingt bestätigt zu haben.

Die Tatsache, daß in der Studie von Steria Mummert Consulting eher zwischenmenschliche Faktoren bei der Entscheidung für eine Depotbank ausschlaggebend waren, sollte auch als Indiz gewertet werden, dass man u. U. als Full-Service Provider wieder salonfähig ist. Waren Full-Service Provider und alle Leistungen aus einer Hand im Zuge der Etablierung von Master-KAGen und Global Custodian eher verpönt, zeigt sich nun als Feedback aus den Befragungungen von Investoren, dass ggfs. ein erweitertes Geschäftsmodell als „Investor Office“ analog eines Family Offices durchaus annehmbar wäre (Vgl. Abb_1 im Anhang).

Dies würde bspw. ein voll-umfängliches Dienstleistungspaket beinhalten, bestehend aus der zentralen Betreuung eines Investors, einem kompletten Projektmanagement rund um die Etablierung einer Fondsstruktur, der (aufsichts-)rechtlichen Prüfung, die Konzeption, Umsetzung und Überwachung aller internen oder externen Dienstleister, das laufende Reporting sowie auf Wunsch die Kommunikation mit Aufsichtsbehörden. Wie bei einem Family Office müssten sich die Investoren nur noch an ihr „Investor Office“ wenden, welches ihnen als zentraler Ansprechpartner über alle anderen Service Provider hinweg für alle Belange in der Kapitalanlage zur Verfügung steht.

Auf globaler Ebene findet derzeit wieder ein Paradigmenwechsel in den Märkten statt. Mit der jüngsten richterlichen Entscheidung zur Beteiligung Deutschlands am europäischem Rettungsschirm ESM sowie der Bereitschaft der großen Notenbanken zur weiteren Stützung von Krisenländern bzw. der heimischen Wirtschaft durch entsprechende Anleihekäufe, haben die Märkte ein langersehntes Signal erhalten. Die jüngste Erholung im Dax und beim Euro könnten als Indiz gewertet werden, dass nun die Talsohle durchschritten ist und die Märkte sich weiter nachhaltig erholen könnten.

Im Hinblick auf die enormen Mittelzuflüsse der letzten Jahre und der Möglichkeit, dass die Chancen auf eine neue Rallye momentan gut stehen, wäre jetzt sicherlich der schlechteste Zeitpunkt aufzugeben und sich aus dem Depotbankgeschäft zu verabschieden. Interessanterweise sind es aber oftmals nicht die Mitbewerber, die einen Anbieter im Marktauftritt behindern.

Meistens sind es Bedenkenträger aus den eigenen Reihen, die nach Gründen und Bestätigungen suchen, warum etwas nicht geht. Beliebt sind bspw. Aussagen, dass etwas „so nicht geht“ und die Aufsicht „das so will“ und dass „erhebliche Risiken“ jeglicher Art bestehen. Damit werden gerne unliebsame Diskussionen gleich im Keim erstickt, um ggfs. den Kundenwünschen und zusätzlicher intensiver Projektarbeit aus dem Weg zu gehen. Es ist interessant zu beobachten, dass ausländische Anbieter wie Caceis oder KAS Bank anscheinend mehr Vertrauen in deutsche Anleger und den deutschen Depotbankmarkt haben, als manche deutsche Geschäftsbank.

Aus Sicht einer Unternehmensstrategie kann es daher nie die richtige Lösung sein, sich bewusst von der Möglichkeit abzuschneiden, kostengünstig an Assets under Management bzw. an günstige „Rohstoffe“ zu gelangen und darauf zu hoffen, erfolgreicher als Anbieter in einem immer härter umkämpften Fonds- und Asset Management Geschäft zu sein. Kein namhafter Ölkonzern würde jemals auf den Gedanken kommen, die Ölförderung freiwillig anderen Firmen zu überlassen und sich stattdessen nur auf den Vertrieb der Endprodukte zu fokussieren.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die bereits erwähnte Steria Mummert Studie u.a. auch feststellte, dass im Depotbankvertrieb offensiv aufgestellte Anbieter erhebliche Mittelzuflüsse verzeichnen konnten, während eher defensiv und passiv agierende Anbieter entsprechend Mandate verloren haben.

Daher sollten Geschäftsbanken in Hinblick auf weitere Mittelzuflüsse von institutionellen Investoren sowie einer möglicherweise langanhaltende Erholung der Märkte ihre Depotbankfunktion nachhaltig ausbauen. Jetzt wäre der optimale Zeitpunkt die Wertschöpfungskette unter den Prüfstand zu nehmen, die Mitarbeiter zu mobilisieren und etwaige Bedenkenträger zu beauftragen, nach Auswegen aus dem regulatorischem Dilemma zu suchen und nicht einfach vor der Aufsicht zu kapitulieren. Dann wäre es möglich, die größtmöglichen Synergieeffekte im Vertrieb zu heben.

Aufgrund des Feedbacks von Anlegern auf diverse Befragungen ist davon auszugehen, dass Anleger ein solides und authentisches Full-Service Angebot honorieren könnten, bei dem die meisten Dienstleistungen aus einer Hand angeboten werden. Voraussetzung wäre, dass die Preisgestaltung transparent und nachvollziehbar gestaltet ist. Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette und die Trennung der Funktionen in Master-KAG, Custodian und Asset Manager vor vielen Jahren war das Resultat aus der Intransparenz und der mangelnden Service Orientierung der damaligen Full-Service Anbieter. Die bisherige Entwicklung bedeutet aber nicht, dass Investoren grundsätzlich abgeneigt wären wieder zurück zum Modell „Leistung aus einer Hand“ zurückzukehren, wenn ein solcher Anbieter auf die Bedürfnisse der Investoren eingeht. Im Rahmen eines „Investor Offices“ könnte es dann daher durchaus weitere Anknüpfungspunkte für Zusatzgeschäfte und Cross-Selling mit weiteren Bankprodukten geben.

Die Depotbankfunktion welche bewusst in die Wertschöpfungskette und dem Vertrieb der Bank eingebettet ist, fungiert daher als wichtiger Brückenkopf zu institutionellen Anlegern. Sie muss daher zwingend im Gesamtkontext der Bankaktivitäten betrachtet und wieder aufgewertet werden. Und wie bereits in einer der erwähnten Studien festgestellt, sind das größte Asset einer Bank ihre kompetenten Mitarbeiter, die mit echter Leidenschaft hervorragende Dienstleistungen anbieten. Den Anstoß zur Mobilisierung der Belegschaft zu Outperformern kann aber letztlich nur vom Management kommen. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter eine echte Wertschätzung erfahren müssen, welche nicht nur für die Außenwirkung aufgesetzt aber intern nicht wirklich gelebt wird. Sofern die oben aufgezeigten Faktoren berücksichtigt werden, sollten Geschäftsbanken bereits alle notwendigen Tools im Haus haben, um sich nachhaltig erfolgreich am Markt positionieren zu können. Wo ein Wille, da ein Weg – und jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

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*) Ernesto Burzić, Aotea Strategy Consulting. Der Autor war viele Jahre im institutionellen Vertrieb von KAG Dienstleistungen für Fondsgesellschaften in Deutschland und Luxemburg tätig. Er ist über XIN

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