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„Anleiheanleger können in den nächsten zehn Jahren mit deutlich höheren Renditen rechnen als in den vergangenen zehn Jahren“

Paolo Bernadelli, Leiter Fixed Income und FX bei Eurizon, gibt im Gespräch mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger einem Ausblick auf das Anleihejahr 2025 und wie sich Anleger positionieren können.

Paolo Bernardelli

IPE D.A.CH: Die Zinsen sind in Europa gesunken und haben sich in den USA entspannt, wenngleich sie immer noch hoch sind. Was bedeutet dies für Anleiheanleger?
Bernardelli: Die jüngsten geldpolitischen Maßnahmen haben zu einem Rückgang der Leitzinsen in Europa und den USA geführt. Dies ist zwar eine positive Entwicklung, doch es gilt zu beachten, dass die Renditen von Anleihen mit längeren Laufzeiten, wie z.B. 10-jährige US-Staatsanleihen und 10-jährige deutsche Bundesanleihen, im Vergleich zur Vergangenheit immer noch höher sind. Diese Diskrepanz zwischen sinkenden Leitzinsen und nach wie vor höheren Renditen bei Anleihen mit längeren Laufzeiten lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, unter anderem auf Inflationsängste und geopolitische Unsicherheiten. Die Inflation hat sich zwar in einigen Regionen abgeschwächt, z. B. in Deutschland, wo sie derzeit unter dem Zehnjahresdurchschnitt liegt, aber sie bereitet Anlegern und Zentralbanken weiterhin Sorgen. Weitere Zinssenkungen werden daher nur mit Vorsicht vorgenommen. Dieses Szenario stellt ein komplexes Umfeld für Anleiheinvestoren dar, und die höheren Renditen langfristiger Anleihen bieten attraktive Ertragschancen, insbesondere in realen Werten.

IPE D.A.CH: Was erwarten Sie für die Zinsentwicklung im nächsten Jahr?
Bernardelli: Die Zinsentwicklung wird durch das Zusammenspiel von Inflation, Wirtschaftswachstum und geopolitischen Faktoren bestimmt. Wenn die Inflation nachlässt und sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, könnten die Zentralbanken eine Lockerung der Geldpolitik in Erwägung ziehen, was zu weiteren Zinssenkungen führen könnte, die über das hinausgehen, was die Märkte derzeit erwarten. Auch geopolitische Risiken wie Handelsspannungen und geopolitische Konflikte können einen erheblichen Einfluss auf die Zinsentwicklung haben. Es ist daher unerlässlich, die Wirtschaftsindikatoren, die Zentralbankpolitik und die geopolitischen Entwicklungen genau zu beobachten, um die mögliche Richtung der Zinssätze im kommenden Jahr abschätzen zu können.

IPE D.A.CH: Sind die sehr guten Jahre für Anleiheinvestoren vorbei oder wo lassen sich noch attraktive Renditen erzielen?
Bernardelli: Die Ära der historisch niedrigen Zinsen ist vorbei und die Renditen sind deutlich attraktiver geworden. So bieten beispielsweise 10-jährige US-Staatsanleihen und 10-jährige deutsche Bundesanleihen derzeit Renditen, die deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegen. Diese von starken Volkswirtschaften getragenen Staatsanleihen bieten ein relativ sicheres Umfeld für einkommensorientierte Anleger. Die potenziellen Risiken, die mit einer Lockerung der Geldpolitik verbunden sind, scheinen bereits in den Marktpreisen enthalten zu sein. Daher können Anleger in den nächsten zehn Jahren mit deutlich höheren Renditen rechnen als in den vergangenen zehn Jahren.

IPE D.A.CH: Welche Rolle spielen geopolitische Risiken und andere Faktoren? Wo sehen Sie die größten Risiken und wie können Sie sich darauf vorbereiten?
Bernardelli: Geopolitische Spannungen, Handelskriege und unerwartete politische Veränderungen können erhebliche Auswirkungen auf den Anleihemarkt haben. Um diese Risiken zu mindern, ist ein diversifizierter Ansatz entscheidend, einschließlich des Einsatzes von Absicherungsstrategien wie Währungsabsicherung. Einige Währungen, die derzeit unterbewertet sind, bieten einen wirksamen Schutz vor unvorhergesehenen Ereignissen. Ein proaktives Risikomanagement und die Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen sind unabdingbar, um die Widerstandsfähigkeit des Portfolios zu erhöhen.

IPE D.A.CH: Wie kann man den Benchmark heute noch schlagen? Worauf muss man dabei achten?
Bernardelli: Mit einem ausgewogenen Portfolio aus verschiedenen Strategien mit geringer oder negativer Korrelation kann man die Benchmark schlagen. Je mehr Strategien eingesetzt werden und je geringer die Korrelation zwischen ihnen ist, desto höher ist die erwartete risikoadjustierte Rendite. Von entscheidender Bedeutung ist die Risikokontrolle. Man muss in der Lage sein, das Ex-ante-Risiko des Portfolios und den Beitrag der Strategien zur Rendite zu überwachen. Strategien, in denen man eine bessere Expertise hat, sollte man mehr Risiko zuweisen. Bei der Verwaltung unseres Epsilon Fund Euro Bond verwenden wir ein Tool, das das Risiko auf verschiedene Strategien verteilt, wobei Korrelationen, die Ausrichtung des Fondsmanagers, die Fähigkeiten und das gewünschte Risiko des Portfolios berücksichtigt werden.

IPE D.A.CH: Wie sollten sich Anleiheinvestoren positionieren, um die Marktvolatilität im kommenden Jahr zu meistern?
Bernardelli: Um mit der möglichen Marktvolatilität im kommenden Jahr zurechtzukommen, sollten Anleiheinvestoren eine strategische Perspektive einnehmen, eine Art langfristigen Wegweiser, dem sie folgen können, und sich die Volatilität und die Marktbewegungen zunutze machen, um ihre Positionen taktischer auszurichten. Wenn das Portfolio gut strukturiert ist und einige kostengünstige Absicherungen vorhanden sind, kann man mit der Volatilität des Marktes mitgehen und von den Bewegungen profitieren. Anleger sollten jedoch bereit sein, ihre langfristigen Ansichten zu überdenken, wenn sich das strategische Szenario ändert und unerwartete Ereignisse eintreten.

IPE D.A.CH: Besten Dank für die Einschätzungen.