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BondUpdate: Politik – Die Bewertung eines neuen „Normal“

Politische Risiken sind bekanntlich schwer zu bewerten und stellen eine besondere Herausforderung für die Preisgestaltung am Rentenmarkt dar. Doch das Verständnis, wie viel vom Spread einer bestimmten Staatsanleihe auf vorübergehende politische Faktoren zurückzuführen ist, ist wertvoll für die Beurteilung, ob eine Anleihe falsch bewertet wurde.

Stephan Bannier

Eine alte Faustregel war, dass markterschütternde geopolitische Ereignisse etwa zweimal in einem Jahrzehnt stattfinden. Aber diese Art von Risiko ist in den letzten Jahren viel häufiger aufgetreten. Das gilt insbesondere für die Emerging Markets (EM), deren Volkswirtschaften stark vom Handel abhängig sind und deren Politik traditionell volatiler war als die globale Gesamtwirtschaft.

Brandywine Global hat kürzlich in einer unabhängigen Forschungsstudie darauf hingewiesen, dass die nachlaufende Wirkung geopolitischer Schocks bis zu sechs Monate oder länger andauert. Dies hat den Effekt, dass – zumindest bei auf US-Dollar lautenden – Staatsanleihen in diesem Zeitraum mit etwa 20 Basispunkten höher bewertet werden, ungeachtet der Standardwarnungen hinsichtlich der bisherigen Performance und zukünftigen Ergebnisse.

Politische Risikoprämie bei Staatsanleihen eingepreist



Chart mit freundlicher Genehmigung von Brandywine Global. Quelle: Refinitiv, Capital Economics. Die vergangene Wertentwicklung stellt keine Garantie für zukünftige Ergebnisse dar. Diese Informationen dienen nur der Veranschaulichung und spiegeln nicht die Wertentwicklung einer tatsächlichen Investition wider.

Diese Erkenntnis ist ein kalter Trost für EM-Investoren, die in jüngster Zeit mehrere Abwärtsbewegungen durchstehen mussten. Aber es dient als Erinnerung, dass die Fokussierung auf kurzfristige Kursschwankungen für einen Investor manchmal auf Kosten der längerfristigen Rendite gehen kann.

Im Aufschwung: Leerverkäufe bei zehnjährigen US-Staatsanleihen
Das Chicago Board of Trade (CBOT) verfolgt die an seinen Börsen gehandelten Terminkontrakte und klassifiziert die Händler als „kommerziell" oder „nicht kommerziell". Das nichtkommerzielle Geschäft wird als Domäne von Händlern angesehen, die von den Preisschwankungen dieser Verträge profitieren wollen. Es wird dagegen kaum von Investoren genutzt, um die den Beständen zugrunde liegenden Risiken auszugleichen. Wenngleich diese Unterscheidung für den Markt für Agrarrohstoffe bedeutender sein mag als für Treasury-Futures, ermöglicht sie dennoch die Messung des „spekulativen" Interesses an Treasuries.

Zum 28. Mai 2019, dem jüngsten über Bloomberg verfügbaren Wert, sind die Netto-Short-Positionen in 10-jährigen Treasury Note Futures auf rund 376.000 Kontrakte oder etwa 47 Billionen US-Dollar gestiegen. Noch im September 2018 hatte die Netto-Short-Position mit 766.000 Kontrakten ihren kurzfristigen Höchststand erreicht. Aber das ist ein bemerkenswerter Anstieg gegenüber dem jüngsten Tiefpunkt aus der Woche vom 22. Januar mit 126.000 Kontrakten.

Im Abseits: Die Zinsstrukturkurve bei US-Staatsanleihen
Das 3-Monats/10-Jahres-Segment der US-Treasury-Zinskurve ist seit acht Tagen invertiert (d.h. die Steigung war negativ), da es am 23. Mai unter Null gefallen ist und Rezessionsängste erneuert hat; die Steigung erreichte am 3. Juni nur noch -27,2 Basispunkte und liegt nun (Quelle: Bloomberg, Stand: 4. Juni 2019, 15:33 PM New Yorker Zeit) bei -22,7 Basispunkten. Mit einer Reihe von ausnehmend moderaten Kommentaren von den FOMC-Governors, darunter dem Fed-Vorsitzenden Jerome Powell, und einem Futures-Markt für Fed-Funds, der für den weiteren Verlauf des Jahres 2019 zwei Zinssenkungen einzupreisen scheint, ist es jedoch alles andere als klar, ob die Inversion langlebig sein wird.

Weniger sorgfältig analysiert wird derzeit die Laufzeitprämie für 10-jährige Treasuries. Die Terminprämie ist ein Maß dafür, wie viel ein Anleger durch das Halten einer 10-jährigen Staatsanleihe verdienen würde, im Vergleich zu einem kontinuierlichen "Rollover" kurzfristiger T-Bills.

Theoretisch sollte die Laufzeitprämie positiv sein, wenn der Zeitwert des Geldes für die Inhaber der Anleihe größer als Null ist. Er erreichte jedoch mit -91 Basispunkten zum 30. Mai ein Rekordtief – dem jüngsten Wert, der von der Federal Reserve Bank of New York gemeldet wurde.

Zumindest vorerst deutet dies darauf hin, dass kurzfristiges Geld dem Markt mehr wert ist als ein vollumfängliches Kreditrisiko für das nächste Jahrzehnt einzugehen - weniger als eine uneingeschränkte Vertrauensbekundung für das längere Ende der Zinskurve.

Quelle für alle Daten: Bloomberg, Stand: 4. Juni 2019, sofern nicht anders angegeben.

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*) Stephan Bannier, CFA, ist Country Head Deutschland und Österreich bei Legg Mason. An dieser Stelle geben die Anlageexperten von Legg Mason regelmäßige Einschätzungen zu den aktuellen Entwicklungen an den globalen Bondmärkten ab.