IPE D.A.CH: Warum glauben Sie, dass die Gesundheitskrise keine negativen Auswirkungen auf die Banken haben wird?
Gurzal: Anders als bei der Finanzkrise 2007-2008 tragen die Banken an COVID-19 keine „Schuld“! Im Gegenteil, sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Kreditvergabe zur Unterstützung der Realwirtschaft. Und um dem einmaligen wirtschaftlichen und finanziellen Schock, den wir erleben, entgegenzuwirken, haben die europäischen Gesetzgeber und Regulierungsbehörden den Banken beispiellose Unterstützungsmaßnahmen gewährt, die für Investoren in Nachranganleihen günstig sind. Dazu gehört beispielsweise, dass es zu keiner Aussetzung der CoCos-Kuponzahlungen kommt und die Regeln für die Übernahme von Verlusten bei Nachranganleihen nicht angewendet werden, um den Regierungen die freie Banken-Rekapitalisierung zu ermöglichen. Außerdem werden die Kapital- und Liquiditätsbeschränkungen gelockert und bei der Verbuchung von Rückstellungen, die in den kommenden Quartalen vorgenommen werden müssen, wird es Spielraum geben. Die Zeit der regulatorischen Sanktionen ist vorbei, und der Bankensektor wird zu einem prioritären Sektor, der nachhaltig unterstützt werden sollte.
IPE D.A.CH: Gibt es Emittenten von Nachranganleihen, die diesen Sommer gut performt haben? Welche Bereiche schnitten weniger gut ab?
Gurzal: Unterstützt durch die Stabilisierung der Zinssätze für Staatsanleihen der Peripherieländer hat sich die Performance der Nachranganleihen von AT1-Banktiteln im dritten Quartal 2020 deutlich erholt. Die beruhigenden Ergebnisse im zweiten Quartal und die Fusionen und Übernahmen, z. B. UBI Banca mit Intesa San Paolo und Bankia mit CaixaBank, dürften den Sektor weiter festigen. Alternativ dazu schnitten die hybriden Nachranganleihen von Nicht-Finanzunternehmen aufgrund teurerer Bewertungen und der Unsicherheiten über die Stärke der europäischen Konjunkturerholung weniger gut ab. Nichtsdestotrotz und ungeachtet anhaltender makropolitischer Ängste (weitere Restriktionen im Zusammenhang mit der Pandemie, das Risiko eines harten Brexit, destabilisierende US-Wahlen) glauben wir, dass die konsequenten starken Unterstützungsmaßnahmen der Zentralbanken den europäischen Markt für Nachranganleihen weitgehend vor diesen langfristigen Unsicherheiten schützt. Das Volatilitäts-Risiko bleibt bestehen, aber der Carry-Effekt in einem Umfeld sehr niedriger Zinssätze stellt eine gute Grundlage für eine Erholung dar.
IPE D.A.CH: Warum sind Cocos derzeit für europäische Hochzinsanleihen besonders attraktiv?
Gurzal: Das Cocos-Segment ist im Vergleich zum europäischen High Yield-Segment unserer Meinung nach gut positioniert und bietet Performancepotenzial. Betrachtet man die Bloomberg-Barclays-Indizes vom 22. September, so ergibt sich für die in Euro denominierten Cocos eine durchschnittliche Rendite von 6,1%, gegenüber einer durchschnittlichen Rendite von 4,7% für das europäische High Yield-Segment. Wir sind der Ansicht, dass diese Bewertungslücke nicht die fundamentalen Unterschiede zwischen diesen beiden Segmenten widerspiegelt. Nachranganleihen von Banken profitieren von einer starken und beispiellosen regulatorischen Unterstützung, während ein Teil des High Yield-Markts weiterhin unter der Angst vor steigenden Ausfallraten leidet, und zwar in zyklischen Branchen.
IPE D.A.CH: Wann erwarten Sie, dass Nachranganleihen wieder auf das Vor-Krisenniveau zurückkehren werden?
Gurzal: Trotz ihrer guten Fundamentaldaten und technischen Unterstützungsfaktoren sind Nachranganleihen nicht unempfindlich gegenüber makroökonomischen Risiken und Marktvolatilität. Solange die Gesundheitskrise nicht unter Kontrolle gebracht ist, wird die Rückkehr zur „Normalität“ nur allmählich erfolgen, und der Markt wird auf diesem Weg noch einige Höhen und Tiefen erleben.
IPE D.A.CH: Danke für die Einschätzungen.