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„Die Indexuntersuchung macht einen Risikofaktor transparent “

Die Unternehmen Nestlé und Coca-Cola sind gute Beispiel, dass Ort der Börsennotiz globale Umsatzverteilung nicht unbedingt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. MSCI hat sich im Zuge einer neuen Indexgestaltung diesem Sachverhalt angenommen und interessante Feststellungen getroffen. IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger diskutierte mit David J. Mark, Executive Director – Asset Owners & Consultants bei MSCI in Frankfurt, über die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Untersuchung.

David J. Mark

IPE Institutional Investment: Herr Mark, ganz grundsätzlich gefragt: Wie weit macht es überhaupt noch Sinn, Aktieninvestments im Sinne der Börsennotiz und entsprechend regionaler Indizes darzustellen?
Mark: In einer zunehmend integrierten Handelswelt sind natürlich immer mehr Unternehmen international tätig und dadurch vom Export immer abhängiger. Jedoch trifft das nicht gleichermaßen für alle Unternehmen in unterschiedlichen Ländern zu. Die Beispiele Nestlé und Coca-Cola sind Anlegern seit vielen Jahren bekannt, aber es hat bislang eine große Datenbank mit Umsatzzahlen nach einzelnen Länderquellen für alle Unternehmen gefehlt. Nun hat die europäische Schuldenkrise eine tiefe Rezession in großen Teilen Europas verursacht, und es lohnt sich, einen genauen Blick auf die regionalen Umsätze einzelner Unternehmen zu werfen, weil dadurch ein Risikofaktor transparent wird.  

IPE Institutional Investment: Sie haben grundsätzlich das regionale Exposure verschiedener europäischer Länder untersucht, wie lässt sich das Ergebnis beschreiben?
Mark: Wir haben für alle Unternehmen in den MSCI World- und MSCI Emerging Markets-Indizes die Länderquellen der Umsätze seit 2002 analysiert, darunter natürlich auch Europa. Die Daten befinden sich in einer Datenbank und werden gepflegt und ständig aktualisiert. Für Europa lassen sich einige interessante Ergebnisse (das nennen wir Economic Exposure) feststellen. 2006 hatten 45% der im MSCI Europe (das sind die 16 entwickelten Märkte in Westeuropa) enthaltenen Unternehmen mehr als 30% ihrer Umsätze außerhalb Europa erzielt. 2011 waren es bereits 60% der Unternehmen, die diese Schwelle von 30% übertroffen hatten. Seit 2002 sind für alle MSCI Europe Unternehmen die Umsätze innerhalb Europas von 55% auf 45% gefallen, und die Umsätze in den Emerging Markets von 14% auf 29% gestiegen. Anders ausgedrückt: wenn Sie die Marktkapitalisierung von MSCI All Country Europe (also inklusive europäischer Schwellenmärkte) anschauen, hat UK zwar ein Gewicht von 34%, aber das Economic Exposure von allen im Index enthaltenen Unternehmen zu UK beträgt nur 11%. Alle Unternehmen zusammen haben ein Economic Exposure von 40% außerhalb Europas.


IPE Institutional Investment: Eine ähnliche Untersuchung gibt es auch nach Branchen bzw. Sektoren. Was fällt hier auf?
Mark: Beim MSCI Europe stellen wir fest, dass die Branchen Utilities (81%), Telecoms (65%) und Financials (60%) das höchste Exposure innerhalb Westeuropas haben, während Health Care (33%), Materials (34%) und IT (36%) das niedrigste Exposure zur Heimatregion haben. Interessant ist natürlich eine Kombination aus Ländern und Branchen zu studieren, denn hier sehen wir z.B., dass österreichische Finanzwerte ein Exposure von 62% zu Emerging Markets haben, während deren Mitbewerber aus Deutschland und der Schweiz nur auf Werte von 13%, bzw. 14% kommen. Im Falle von Österreich ist die starke Vernetzung mit Osteuropa offensichtlich, jedoch ist für den Überblick über alle Branchen in allen Ländern eine umfassende Datenbank essentiell.


IPE Institutional Investment: Welche Schlussfolgerungen haben Sie als Indexanbieter aus der Untersuchung gezogen?
Mark: Der ursprüngliche Anstoß für dieses Projekt kam von einer öffentlichen Pensionskasse in Frankreich, die – wie übrigens auch die öffentlichen italienischen PKs – nicht direkt in Aktien aus nicht-OECD-Ländern investieren darf, aber trotzdem vom Wachstum in den Emerging Markets profitieren wollte. Also haben wir aus unseren Daten einen Index entwickelt, der aus den 300 Developed Market Aktien besteht, die das höchste Exposure zu Umsätzen aus den Emerging Markets aufweisen. Somit wurde die Möglichkeit geschaffen, Beta zu den Emerging Markets über den Umweg der Developed Markets aufzubauen. Weitere Indizes, die auf Kundenwunsch aufgelegt wurden, sind z.B. MSCI World with Developed Markets Exposure (also gerade die Unternehmen, die am wenigsten in den Emerging Markets tätig sind), oder auch MSCI Asia with Asia Exposure (die in Asien beheimateten Firmen, die am wenigsten nach Europa und Amerika exportieren). Die Liste der Indizes und der möglichen Indizes ist natürlich viel länger.


IPE Institutional Investment: Wie sieht dann die Performance entsprechend angepasster Indizes aus, welchen Track Record gibt es?
Mark: Im 10-Jahres-Zeitraum bis zum 31. März 2013 weist der MSCI World Index eine jährliche Brutto-Rendite (inkl. Dividenden, in US-Dollar) von 9,46% auf. Der MSCI World with EM Exposure Index (der mit 300 Titeln oben erwähnte Index) hatte im gleichen Zeitraum eine Brutto-Rendite von jährlich 11,33% in US-Dollar. Im Vergleich dazu rentierte der MSCI Emerging Markets Index allerdings mit jährlich 17,41%.

IPE Institutional Investment: Wie sollten Investoren nun reagieren?
Mark: Es wäre ein Fehler, Exposure zu Emerging Markets mit Outperformance gleichzusetzen. Und es ist schwierig – wenn nicht unmöglich – ein stichhaltiges Alpha-Argument aus den Zahlen zu entwickeln. Im 3-Jahres-Zeitraum hat der MSCI World with EM Exposure Index eine Underperformance gegenüber dem MSCI World Index gezeigt. Das ist auch ein Zeitraum, in dem die Emerging Markets insgesamt schlechter liefen als die entwickelten Märkte. Die Indizes mit irgendeinem Exposure sind zwar interessant als Benchmarks, aber der größte Wert liegt in den Daten für alle Einzelunternehmen. Es gibt verschiedene Gründe, warum einige institutionelle Investoren nicht oder nur begrenzt direkt in Emerging Markets investieren, z.B. regulatorische Anforderungen, interne Anlagerichtlinen, fehlendes Research zu EM Aktien oder Corporate Governance Überlegungen. MSCI Indizes mit Exposure zu bestimmten EM Regionen bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, das Beta gegenüber Emerging Market Regionen zu steuern, ohne in diese Märkte direkt zu investieren.
Darüber hinaus, haben Assetmanager und Anleger mit den MSCI Economic Exposure Daten ein Werkzeug, mit dem sie zunächst einmal den Ist-Zustand ihres Portfolios untersuchen können, was Exposure und Risiko betrifft. Economic Exposure ist eine von vielen Arten, Risiken zu messen. Das kann dann in unterschiedlicher Weise einen Effekt auf ein Portfolio haben. Der Anleger, der z.B. Aktien mit einem hohen Exposure zu Südeuropa vermeiden möchte, kann sein Portfolio entsprechend umschichten; derjenige, der glaubt, dass die Aktien mit einem hohen südeuropäischen Exposure ihren Boden gefunden haben, kann es genau umgekehrt machen und sein Portfolio in diese Richtung umschichten. Makroökonomische Meinungen lassen sich mit Hilfe der Economic-Exposure Daten in Portfolios umsetzen, und mit den gleichen Daten haben Assetmanager ein sehr nützliches Werkzeug für die Berichterstattung an ihre Kunden.


IPE Institutional Investment: Sie hatten bereits einige Beispiele genannt. Welche maßgeschneiderten Varianten werden ansonsten von Investorenseite nachgefragt?
Mark: Es fing mit der gerade erwähnten französischen Pensionskasse an, aber es gibt theoretisch unendlich viele Varianten und Möglichkeiten. Wir berechnen bereits einen MSCI Latin America with Latin America Exposure Index sowie einen MSCI USA with BRIC Exposure und einen MSCI World with China Exposure Index. Diese Indizes wurden alle auf Anfrage von Kunden aufgelegt.

IPE Institutional Investment: Gerade Emerging Markets sind ja weiterhin ein Thema, das viele Investoren ob der Zukunftschancen anlockt, welche Möglichkeiten gibt es hier insbesondere dies Rendite-/Risiko-optimiert darzustellen?
Mark: Die Entwicklung bei Unilever ist ein gutes Beispiel. Hier sind die europäischen Umsätze in den letzten Jahren von 50% auf 25% gefallen, während der Afrika- und Asienumsatz von 20% auf 42% gestiegen ist. Das Beispiel Samsung zeigt, dass der Firmenumsatz in Korea von über 60% im Jahr 1996 auf inzwischen „nur“ 15% gefallen ist. Das liegt natürlich daran, dass das Unternehmen inzwischen davon abhängig ist, wie viele Fernseher und Mobiltelefone in den entwickelten Märkten gekauft werden. Und das Beispiel zeigt natürlich auch, dass wenn man in koreanischen Aktien investieren will, und dabei Economic Exposure zu Korea sucht, die Auswahl von Aktien mit einem stärkeren Inlandsumsatz sinnvoller wäre (z.B. eine örtliche Supermarktkette). Nun ist dieses Erkenntnis zwar nicht neu, aber bislang hat es keine komplette, systematisch ausgearbeitete Datenbank hierfür gegeben. Das Wichtigste bleiben nach wie vor die zugrundeliegenden Daten, und diese werden bislang am stärksten von den Asset Managern gefragt, die die Risiken in ihren Portfolios verstehen und steuern, sowie makroökonomische Meinungen umsetzen möchten.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese Einblicke.


HINWEIS DER REDAKTION:
Die Studie zu Europa ist unter <link http: www.msci.com resources research_papers how_european_is_europe.html>

www.msci.com/resources/research_papers/how_european_is_europe.html

verfügbar.