IPE D.A.CH: Können Sie uns eine kurze Einschätzung geben, welche ökonomischen Auswirkungen die Covid-19-Krise bislang in den Nordischen Volkswirtschaften hatte, auch im Hinblick auf die nordischen Bond-Märkte?
Hamre: Wir erleben hier auch gerade eine „zweite Welle“; die Fallzahlen sind natürlich geringer, aber auch pro 100.000 Einwohner geringer – außer in Schweden – als in Deutschland. Außerdem werden nach übereinstimmenden Einschätzungen die ökonomischen Auswirkungen nicht so gravierend sein, z.B. beim BIP (erwartet werden minus 4,2%). Die gute fiskalische Lage der Nordischen Länder – wo das BIP-pro-Kopf deutlich höher ist - bietet ausreichend Potenzial, die lokale Wirtschaft zu stützen.
IPE D.A.CH: Konkret zu den Bond-Märkten, wo sehen Sie die wesentlichen Unterschiede zu den übrigen Europäischen Bond-Märkten?
Hamre: Zunächst einmal gibt es gleichlaufende Entwicklungen: da ist der Trend von „Banks to Bonds“ zu nennen, also die zunehmende Unternehmens-Finanzierung über die Kapitalmärkte, weg von den klassischen Bank-Krediten. Außerdem erkennen wir in den Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die unterschiedlichen Sektoren natürlich dieselben Effekte, denken Sie an Touristik, Fluggesellschaften etc: die Pandemie trifft diese Wirtschaftszweige bei uns genauso wie im restlichen Europa. Wesentliche Unterschiede finden sie aber in der Ausgestaltung der Bonds, die meisten sind ohne ein Rating (unrated), und die Mehrzahl nutzt Floating Rate Notes. Insgesamt ist der Nordische Bond-Markt über „Nordic Trustee“ organisiert, eine Institution, die die Interessen aller Bondinvestoren bündelt. Die Covenants sind meistens maßgeschneidert, anders als im angelsächsischen Raum, und diverse solcher Aspekte machen ein Investment in Nordic Bonds zu einem attraktiven Segment, welches ein europäisches oder globales Bond-Portfolio sinnvoll ergänzt.
IPE D.A.CH: Was kann man über die lokalen Investoren sagen bzw. deren Exposure in den nordischen Bond-Märkten?
Hamre: Wir haben natürlich eine starke Basis in unserem Heimatmarkt mit lokalen Buy-and-Hold-Institutionen. Wir sehen allerdings auch, dass es ausgeprägte Unterschiede im Verhalten der Investoren in verschiedenen Ländern gibt, welche entscheidend von der „Virus-Dynamik“ geprägt wird. Wie schon gesagt, die Nordics haben jedoch auch bessere Möglichkeiten, ökonomische Engpässe und Downturns zu überbrücken.
IPE D.A.CH: Wie diversifiziert ist heute der Nordische Bond-Markt, und was können sie zu einzelnen Sektoren und den Größenordnungen der Unternehmen bzw. Emissionen sagen?
Hamre: Da haben wir eine deutliche Entwicklungen über die letzten zehn Jahre gesehen: sie finden heute alle Sektoren wie in den europäischen Märkten, d.h. sie können sehr gut diversifizieren. Die relativen Größen sind anders, aber die Bonds, in die wir investieren, sind alle von gelisteten Companies. Wie erwähnt, oftmals unrated und meistens in etwas kleineren Größenordnungen als in Kern-Europa.
IPE D.A.CH: Was erwarten Sie für die nächste Zukunft, also z.B. in Bezug auf bestimmte Industrien und Sektoren, Spreads, Defaults usw.?
Hamre: Ganz klar sieht man die Notwendigkeit, viel mehr „aktiv“ zu managen; wir sprachen schon über die Unterschiede in den Krisen-Auswirkungen auf bestimmte Industrien und Sektoren. Das bedeutet: noch gründlichere Kredit-Analyse und Auswahl der Bonds. Nun sind die Spreads seit dem „großen Ausverkauf“ im März wieder zusammengelaufen, aber sie bieten immer noch ein Premium gegenüber dem Niveau vor einem Jahr. Angesichts der großen Stimulus-Programme kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass wir noch weiter zusammenlaufende Spreads erwarten können. Jedoch sehen wir vor allem den „Carry“ als wichtig, und langfristig tragbar. Übrigens haben wir seit dem Beginn der Covid-19-Krise in unserem Fonds keinen Anstieg der Defaults gesehen! Unser Fonds war in Bezug auf die „kritischen“ Sektoren sehr niedrig alloziert, und die meisten unser Bond-Emittenten waren gut in der Lage, den Kosten- und Margendruck in den herausfordernden Wochen im März und April zu bewältigen. Der Erholung kam dann ja auch schneller als erwartet. Wir fühlen uns momentan ganz gut aufgestellt und sehen mehr Opportunitäten.
IPE D.A.CH: Wie sehen sie denn eigentlich die Vorzüge der Nordischen Währungen bzw. der Tatsache, dass (bis auf Finnland) alle Länder noch eigene Zentralbanken und Währungen haben?
Hamre: Das ist eine interessante Frage – aber hier gebe ich Ihnen nur eine unvollständige Antwort: wir vermeiden eigentlich irgendwelche ‚Macro-Einschätzungen‘. Unsere Investment-Strategien basieren ausschließlich auf Kredit-Analyse, sind rein ‚bottom-up‘, und wir hedgen alle Cashflows aus den Holdings auf lokale Fondswährung.
IPE D.A.CH: Und was bedeutet dies und Währungs-Schwankungen für ihre Euro-Investoren?
Hamre: Wir haben voll-gehedgte Anteilscheinklassen; Investoren können also entscheiden, ob sie in Euro oder in norwegischen Kronen (NOK) investieren möchten. Einige unsere deutschen Kunden haben sich sogar bewusst für die NOK-Anteilscheinklassen entschieden.
IPE D.A.CH: Vielen Dank, Herr Hamre! Als Abschlussfrage würde uns interessieren – vielleicht nicht nur im Blick auf die Nordischen Märkte – was bereitet ihnen schlaflose Nächte?
Hamre: Ganz sicherlich die Ungewissheiten, wie es mit der Pandemie weitergeht, sowohl gesellschaftlich als auch in Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen. Um aber mit einem positiven Aspekt in Bezug auf unsere Tätigkeiten zu schließen: das bedeutet gleichzeitig, dass „Geographie“ auch ein besserer „Diversifikator“ wird. Wir sind natürlich nicht immun – aber wir können davon ausgehen, dass die ökonomischen Folgen weniger dramatisch sein werden als anderswo.
Hinweis: Pareto Asset Management veranstaltet am 26. November ab 14 Uhr ein Webinar mit dem Titel „Update on Northern Europe: A View of The Economy, Nordic Bonds, and Diversifikaton”. Näheres dazu sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie über diesen Link.