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„Die Zinsen werden noch über Jahre im Keller bleiben“

Nicht zuletzt dank der Flucht in Sachwerte sind Aktien als Assetklasse wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Insbesondere auch institutionelle Anleger werden über kurz oder lang ihre Allokation in diese Richtung stärker verschieben müssen, da der Rentenmarkt mittelfristig keine Alternative darstellt, meint Dr. Christoph Bruns, Vorstand und Portfolio Manager der LOYS AG. Im Gespräch mit IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger vertrat er eine klare Meinung zur Eurokrise und erläuterte die Handlungsoptionen der Politik.

Dr. Christoph Bruns

IPE Institutional Investment: Herr Dr. Bruns, die EZB hat sich vor einigen Wochen entschieden, den US-Weg in Sachen Geldbereitstellung zu gehen. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht sein grünes Licht in Sachen Euro-Rettungsschirm ESM gegeben. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Bruns: Beides war bereits absehbar, Europa ist in der Tat auf dem Weg, den die USA bereits seit 2008 be- schreiten. Mit Notenbankgeld soll gerettet werden, was noch zu retten ist. Tatsächlich hat es und wird es weiter zur Beruhigung der Märkte beitragen, schließlich kann die Notenbank hier unbegrenzt schöpfen, wie es Draghi unmissverständlich angedeutet hat.

IPE Institutional Investment: Bleiben wir bei den Anleihemärkten – war die Konvergenz in den 90er Jahren bei europäischen Staats- anleihen nicht einfach zu willkürlich?
Bruns: Ganz richtig! Hier wurden alle Staaten in einen Topf geschmissen, echte Spreads zur Bepreisung des Risikos für weniger solide Länder gab es ja quasi nicht mehr. Das musste irgendwann ins Gegenteil umschlagen.

IPE Institutional Investment: Was bleibt ist die Frage, was die Politik aus den letzten Jahren gelernt hat. Sie sprachen es an, die EZB schafft es aktuell die Speku- lation aus den Anleihemärkten zu bringen, aber fundamental ändert sich damit ja noch nichts…
Bruns: Das ist das tatsächliche Problem, das wir uns vor Augen führen müssen! Die Staaten leben im Prinzip allesamt über ihren Verhältnissen. Nehmen Sie doch nur den vermeintlichen Musterschüler Deutschland. Keine Regierung – egal welcher Couleur – hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft, einen tatsächlich ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Es ist höchste Eisenbahn für echte Reformen.

IPE Institutional Investment: Ist die jetzige Krise damit auch als Chance zu verstehen, hier endlich die Hausaufgaben zu machen.
Bruns: Sie ist vermutlich die letzte Chance in Europa, hier tatsächlich strukturell aufzuräumen. Die USA sind hier ganz sicher auch kein Vorbild, wir sprechen hier über noch schlechtere Zahlen als in Europa. Es gibt ja positive Beispiele wie Irland, die hier den Weg weisen. Wichtig ist wie gesagt, dass trotz einer möglichen Beruhigung der Situation durch den Blankoscheck der EZB die Politik jetzt ihre Hausaufgaben macht – und das nicht nur in den südeuropäischen Krisenstaaten.

IPE Institutional Investment: Wie sehen Sie die Situation spezifisch in Deutschland?
Bruns: Ich sehe das größte Problem in der Demographie. Die Veränderung in der Altersstruktur führt Deutschland verbunden mit angesprochenen Fakten wie Staatsverschuldung und fortlaufender Haushaltsdefizite in die Katastrophe. Die just angefangene Rentendiskussion ist in der Tat zu führen, denn es ist klar, dass der Generationenvertrag nicht mehr besteht, die Familienpolitik – Stichwort Geburtenrate –ist gescheitert. Die private Vorsorge muss schnell weiter Stellenwert gewinnen.

IPE Institutional Investment: Das führt uns zum Thema Aktien – leider eine Assetklasse die in institutionellen Portfolios deutscher Anleger wie Versicherungen kaum mehr vorkommt…
Bruns: Leider ja, und nicht zuletzt auch politisch gewollt, wenn man Themen wie Solvency II ansieht. Ich wäre kein Aktienmanager, wenn ich nicht zutiefst von den Vorteilen der Assetklasse überzeugt wäre. Die Beteiligung an der realen Wirtschaft ist im Prinzip die einzige Chance – um die Klammer zur Altervorsorge zu schließen – langfristig am Wirtschaftswachstum teilzuhaben und entsprechende Renditen zu generieren.

IPE Institutional Investment: Es gibt den Spruch “China muss für unsere Rente zahlen”…
Bruns: Der ist letztlich völlig richtig. Der deutsche Generationenvertrag kann die Rente wie schon skizziert in einigen Jahrzehnten nicht mehr leisten. Eine Beteiligung am weltweiten Produktivkapital sehr wahrscheinlich schon.

IPE Institutional Investment: Kommen wir ins “jetzt” zurück. Wo findet man derzeit die besten Anlagechancen am Aktienmarkt?
Bruns: Durchaus in Europa. Nicht zuletzt dank der panikartigen Verkäufe. Viele Unternehmen sind hier zu Unrecht in Sippenhaft genommen worden und haben dies kurstechnisch noch nicht wieder eskomptiert, auch wenn die Tiefstpreise vom Frühjahr schon wieder passé sind.

IPE Institutional Investment: Haben Sie Angst dass es mit dem Aufschwung am Aktienmarkt schnell wieder vorbei ist, wenn die Zinsen steigen?
Bruns: Die Frage sollte eher heißen: Steigen die Zinsen überhaupt? De facto müssen die Zinsen niedrig bleiben, sonst können sich die hochverschuldeten Staaten die Re- finanzierung nicht leisten und das Kartenhaus fällt endgültig. Bis tatsächlich die Refor- men in den Krisenländern greifen dürften viele Jahre vergehen. Erst dann müssen wir uns über einen Zinsanstieg Gedanken machen.

IPE Institutional Investment: Bleibt die Unternehmensbewertung – noch Luft nach oben?
Bruns: Die Bewertungen halten wir für völlig unproblematisch. Angesichts des Mangels an Alternativen sogar eher für günstig, denken Sie nur an die Dividendenrendite. Hier ist auch die Krux für Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen. Sie verlieren mit ihrem Bondportfolio unter dem Strich tagtäglich Geld, es bleibt nur, sich wieder stärker in Richtung Aktie zu wenden! Die Gelder werden die Kurse über kurz oder lang deutlich anfeuern.

IPE Institutional Investment: Sie selbst suchen vor allem in der „2. Reihe“ – wie würden Sie konkret die eigene Strategie beschreiben?
Bruns: Es gibt Unternehmen wie Nestle, die quasi jeder im Depot hat und die ent- sprechend immer ihren Preis haben. Auf der anderen Seite finden wir dahinter Werte wie Bechtle oder Bijou Brigitte, die ebenfalls erstklassig aufgestellt sind, aber mit einem deutlichen Abschlag zu ihrem tatsächlichen Wert gehandelt werden. Solche Unternehmen suchen wir weltweit.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese Ein- und Ausblicke!