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Diskussionsbeitrag: Das Zinsdilemma und fünf mögliche Antworten

Renteninvestoren stecken im Zinsdilemma. Sie sehen sich mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert, denn der zu erwartende Zinsanstieg dürfte sehr moderat ausfallen. Leicht erhöhte Renditen setzen die Bewertung der Depots unter Druck. Andererseits steigen die Zinsen nicht in einem Maße, das einen Befreiungsschlag auf ein mittelfristig auskömmliches Durchschnittszinsniveau möglich machen würde. Mit anderen Worten: Die Renditen bleiben auch in den kommenden Quartalen auf ungewöhnlich niedrigem Niveau und machen es Renteninvestoren zunehmend schwer, auskömmliche Renditen zu vereinnahmen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, dieser Zwickmühle zu entgehen.

Dr. Frank Engels

Ursache für das Zinsdilemma ist das Spannungsfeld zwischen einer anziehenden Konjunktur und einer weiterhin expansiven Geldpolitik: Eine anziehende Konjunktur resultiert in der Regel in höheren Zinsen. Und derzeit befinden sich nahezu alle großen Wirtschaftsräume erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise auf einem Wachstumspfad. Sollte die Krim-Krise keine nachhaltigen Auswirkungen auf die internationalen Handelsbeziehungen haben, ist für das Jahr 2014 mit einem globalen Wachstumsplus von 3,6% zu rechnen.

Auf eine anziehende Konjunktur reagieren die Notenbanken üblicherweise mit einer Straffung der Geldpolitik. Diese ist in der aktuellen Situation jedoch nicht zu erwarten. Zwar hat die US-Notenbank Fed mit dem sogenannten Tapering die geldpolitische Schraube etwas angezogen, eine Straffung im eigentlichen Sinne ist dies allerdings nicht. Vielmehr verringert die Fed das Niveau der Lockerung, bleibt aber in ihrer Ausrichtung expansiv. Und in anderen Teilen der Welt sieht es nicht anders aus. Dies gilt vor allem für die Eurozone, wo die EZB noch mit einer Reihe von Problemen und speziell mit deflationären Tendenzen zu kämpfen hat.

Aufgrund der anziehenden Konjunktur und einer weiterhin expansiven Geldpolitik dürften die Renditen daher, wenn überhaupt, nur moderat ansteigen. So ist bis zum Jahresende bei deutschen zehnjährigen Bundesanleihen mit einer Rendite von etwa zwei Prozent zu rechnen. In den USA dürften zehnjährige US-Treasuries Ende 2014 mit ca. 3,25% rentieren. Für Investoren bringt dies einen stetigen Druck auf die Kurse durch moderat erhöhte Renditen mit sich – gleichzeitig jedoch keinen hinreichenden Zinsanstieg, um nach Abzug der Inflation auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Um sich in diesem schwierigen Umfeld zu behaupten, sollten Anleger stärker ins Risiko gehen und sich auf Segmente konzentrieren, wo dieser Schritt über höhere Risikoprämien angemessen entlohnt wird.

1. Euro-Peripherie-Anleihen
Eine Option hierfür sind Anleihen der Euro-Peripherie, da in der Eurozone mittlerweile die konjunkturelle und finanzpolitische Trendwende eingesetzt hat. Das Comeback der Euro-Peripherie fußt auf mehreren Pfeilern: Wichtigste Stütze ist die Europäische Zentralbank (EZB). Mit ihrem unbedingten Willen zum Erhalt des Euros hat sie den Marktteilnehmern die Sorge vor einem Auseinanderbrechen der Währungsunion genommen. Zweiter Pfeiler sind schmerzhafte Reformvorhaben, die in den problemgebeutelten Peripherieländern angegangen worden sind. Von Portugal und Spanien über Italien bis nach Irland wurden Staats- und Leistungsbilanzdefizite abgebaut. Und schließlich hat auch die Konjunktur wieder Tritt gefasst. Noch größer als bei Staatspapieren aus der Peripherie sind die Chancen bei Unternehmensanleihen aus der Eurozone. Allerdings sind hier die „klassischen” Papiere von Schuldnern guter Bonität bereits recht teuer und bieten nur noch einen überschaubaren Renditeaufschlag.

2. High Yield
Bei Emittenten mit schwächerem Kreditprofil kommt es darauf an, differenziert und mit stringentem Risikomanagement zu agieren – in der Eurozone, in der nicht alle Probleme vom Tisch sind, sowie im Segment der Hochzinsanleihen insgesamt. Hier konnten Investoren im vergangenen Jahr zweitstellige Ergebnisse erzielen, und auch für das laufende Jahr spricht eine Reihe von Faktoren für High Yield. Die Ausfallraten sind nach wie vor niedrig, die Renditeaufschläge weiter interessant, und der Markt wächst, was die Diversifikationsmöglichkeiten verbessert. Zudem bildet die weiterhin lockere Geldpolitik ein (fast) ideales Umfeld für europäischen High Yield. Auch in anderer Hinsicht sind die Bedingungen für diese Asset-Klasse günstig. Denn in der Regel schneiden hochverzinsliche Papiere auch bei leicht steigendem Renditeniveau gut ab. Der Grund: Vergleichsweise hohe Kupons bilden effektive Puffer gegen Kursverluste.

3. Nachranganleihen
Potenzielle Mehrerträge mit mehr Risiko versprechen im gegenwärtigen Zinsumfeld auch Nachranganleihen von Banken, Versicherungen und Unternehmen aus klassischen Industriesektoren. Diese Papiere haben einen nachrangigen Anspruch auf die Vermögenswerte des Schuldners im Insolvenzfall und beinhalten ein höheres Bonitäts- und Ausfallrisiko. Aber: Bei vielen Nachranganleihen wird der Anleger noch adäquat für das erhöhte Risiko entlohnt. Und das, obwohl viele Konzerne ihre Bilanzen gestärkt, die Eigenkapitalausstattung verbessert und die Liquidität deutlich erhöht haben. Risikobewusste Anleger können hier attraktive Renditen bei überschaubarem Risiko vereinnahmen.

4. Wandelanleihen
Diese Chance bieten Investoren auch Wandelanleihen beziehungsweise Convertibles. Aufgrund ihres asymmetrischen Gewinn- und Verlustprofils können sie gerade im derzeitigen schwankungsanfälligen Umfeld eher konservativen Anlegergruppen den Zugang zu Risiko-Assets eröffnen. Im Unterschied zu herkömmlichen Unternehmensanleihen wird dem Investor bei Convertibles das Recht eingeräumt, das Papier in einem festgelegten Verhältnis zum vordefinierten Kurs in Aktien des Emittenten umzuwandeln – eine Kaufoption ist integriert. Damit verfügt die Anlageklasse grundsätzlich über zwei potenzielle Ertragsquellen, nämlich die Kuponzahlungen sowie mögliche Kursgewinne der Aktie. Durch den Anleihecharakter wird eine gewisse Ertragssicherheit erzielt, das Instrument beinhaltet also einen sogenannten „Bond-Floor“. Gleichzeitig wird durch die Kaufoption auf die Aktie die Möglichkeit einer unbegrenzten Teilhabe an Kurssteigerungen eröffnet. In der Kombination wird daraus ein asymmetrisches Gewinn- und Verlustprofil erreicht.

5. Unconstrained Fixed Income
Über einzelne Anlagesegmente hinaus hält der globale Fixed-Income-Markt eine Vielzahl an taktischen Opportunitäten bereit. Allerdings sind traditionelle, benchmarkorientierte Ansätze hier im Nachteil. Sie erschweren eine diversifizierte Allokation, verengen das Spektrum der verfügbaren Risikoprämien und begrenzen die Flexibilität, kurzfristige Chancen an den Märkten zu nutzen. Sogenannte Unconstrained-Fixed-Income-Ansätze, also Absolute-Return-Strategien mit hohen Freiheitsgraden für das Portfoliomanagement, können vor diesem Hintergrund eine sinnvolle Alternative sein. Doch die Anforderungen an solche Produkte sind hoch: Es bedarf eines strukturierten Investmentprozesses, in dem die Fähigkeit, Top-Down-Risiken zu identifizieren und die Allokation entsprechend auszurichten mit der Fähigkeit zur gezielten Einzeltitelselektion von Sektorspezialisten und Kapitalmarktexperten kombiniert wird.

Investoren können sich somit auch auf moderat steigende Renditen einstellen, indem sie gezielt ins Risiko gehen – über höher rentierliche Anlagesegmente sowie einen flexiblen Investmentansatz. Das Zinsdilemma ist daher nicht alternativlos. Es bedarf aber fokussierter Spezialisten-strategien, um im aktuellen Marktumfeld auskömmliche Realrenditen zu erzielen.

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*) Dr. Frank Engels ist Leiter des Rentenportfoliomanagements bei Union Investment.