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Diskussionsbeitrag: Governance und Organizational Design – Besetzung des Anlageausschusses und Ausgestaltung des Investmentprozesses sind in der Niedrigzinsphase entscheidend!

Je länger die Niedrigzinsphase anhält, desto mehr steigt der Druck für die institutionellen Anleger mit ihren Kapitalanlagen noch auskömmliche Renditen zu erzielen. Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke sind hiervon besonders betroffen. Deren Asset Manager suchen händeringend nach attraktiven Anlagen, die zudem noch risikotechnisch und regulatorisch passend sein sollten.

Fast unausweichlich fällt der Blick auf Nischenprodukte und alternative Assetklassen, die bisher weniger im Fokus standen. Wer bisher nur Staatsanleihen und Schuldscheindarlehen gekauft hat, sieht sich jetzt mit Anlagen wie z.B. Hochzinsanleihen (High Yield) konfrontiert, die ein erhebliches Maß an zusätzlichem Know-how verlangen: Von den Anlagegremien wie auch vom Risikokontrolleur, denn mit diesen Investments sind höhere Risiken verbunden.

Aus Sicht von Willis Towers Watson ist dies in vielen Fällen eine verständliche, aber zugleich risikobehaftete Vorgehensweise, weil damit in vielen Fällen der zweite oder dritte Schritt vor dem ersten erfolgt.

Ein Versorgungswerk oder eine Pensionskasse sollte zunächst grundsätzlich über die Themen Governance und Organisationsdesign nachdenken. Unter den beiden Schlagworten subsumieren sich einige Aspekte, welche mit folgender typischer Frage einhergehen: „Wie lautet die jeweilige Aufgabenstellung für die anlegende Institution und welche Implikationen ergeben sich daraus?“

Es klingt vielleicht im ersten Moment trivial, aber berührt eines der wichtigsten Themen für die Institution. Eine klare Definition der Aufgabenstellung und Ziele der Kapitalsammelstelle wird oft vermisst und ist doch zentral für das gesamte Verständnis, insbesondere in der Kapitalanlage. Gibt es strategische Vorteile für den institutionellen Anleger? Etwa, weil langfristige Zeithorizonte für das Verfolgen der Ziele vorhanden sind und damit Investments mit geringem Liquiditätsbedarf eingegangen werden können. Das inkludiert auch Fragen nach der Toleranz von negativen Abweichungen von den gesetzten Zielen. Diskussionen zum Risiko und Risikoprozess erfolgen oft erst, wenn das Risiko bereits eingetreten ist. Dann lässt sich meist nicht mehr objektiv und lösungsorientiert diskutieren.

In der heutigen Investmentwelt werden Entscheidungen mit hoher Geschwindigkeit getroffen. Für langwierige Entscheidungsprozesse bleibt keine Zeit. Daher ist der Investor im Vorteil, der über seine Investmentüberzeugungen sorgfältig nachgedacht hat. Das sollte einen strategischen und einen ausführungsbezogenen Teil beinhalten. Im strategischen Teil werden die Überzeugungen zu den Zielen, Verantwortlichkeiten, Zeithorizonten, Risikomanagement und Risikobudget behandelt. Dagegen werden im ausführungsbezogenen Teil Fragen zu den Ertragsquellen, aktivem Management, Diversifikation, Managerauswahl, Performance-Attribution und Kosten gestellt. Wenn das jeweilige Aufsichtsgremium und die internen Kapitalanleger Übereinstimmungen bei den jeweiligen Überzeugungen gewinnen, dann ist bereits viel erreicht. Willis Towers Watson empfiehlt daher, die involvierten Personen in einem strukturierten Prozess nach ihren Ansichten zu den genannten Themenkomplexen zu befragen und die Antworten anschließend zu diskutieren. Die Antworten und die Abweichungen untereinander sind dann Gegenstand von Analyse und Konsequenzen daraus. Natürlich sind die Ergebnisse zu den strategischen Fragestellungen von größerer Bedeutung als die ausführungsbezogenen Fragen. In jedem Fall aber sollten die Investmentüberzeugungen klar formuliert, zukunftsweisend und von allen Beteiligten anerkannt sein. Wer heute investiert, konkurriert mit allen anderen Teilnehmern im Kapitalmarkt. Je expliziter Überzeugungen dargelegt sind, desto transparenter und rascher können Kapitalanlageentscheidungen getroffen werden.

Zielformulierungen und Überzeugungen sind aus Sicht von Willis Towers Watson nur ein erster wichtiger Teil des gesamten Prozesses. Wie die Abbildung 1 zeigt, kommen noch weitere wichtige Themenbereiche zu einem gesamthaft funktionierenden Investmentprozess hinzu.


Abb. 1: Governance - Grundpfeiler und Umsetzung

Was die organisatorische Umsetzung anbetrifft, so gibt es viele Möglichkeiten. Wesentliche Kriterien sind dabei der Grad an internem operativem Management versus externe Manager - also „Make or Buy“. Insbesondere stark regulierte Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen benötigen eine Vielzahl an Mitarbeitern im Middle- und Backoffice, um den regulatorischen, buchhalterischen und steuerlichen Anforderungen gerecht zu werden. Interne Ablaufprozesse sollten dazu geeignet sein, neue Produkte und Asset-Klassen in überschaubarer Zeit analysiert und für ein Investment vorbereitet zu haben. Ferner ist eine Überprüfung der Beziehungen zu Asset-Managern, Depotbanken und Kapitalverwaltungsgesellschaften notwendig. Es reicht nicht, nur einzelne Personen mit entsprechendem Know-how auszustatten, sondern es benötigt eine entsprechende Einstellung von allen am Entscheidungsprozess beteiligter Personen. Welche Risikosysteme werden verwendet und wie gut können illiquide Anlagen preislich und risikotechnisch bewertet werden? Welche Daten existieren zu Korrelationen und wie stabil sind diese in Krisenzeiten? Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Komplexität und Governance.

Wie in Abb. 2 erkennbar, klaffen die erforderlichen und verfügbaren Ressourcen häufig bei den komplexeren Investments auseinander. Selbst wenn die intern mit Kapitalanlagen betraute Mannschaft mit hohem Know-how und auf effiziente Weise Entscheidungen trifft, braucht es immer noch Aufsichtsgremien, die in entsprechender Weise auf diese Investments vorbereitet sind. Allzu oft entwickeln sich diese komplexeren und risikoreicheren Investments in einer Weise, in der Erwartungen und Ergebnisse temporär divergieren. Dann sind die Aufsichtsräte gefordert, in angemessener Weise auf diese Entwicklungen zu reagieren. Um fachliches Know-how und Kompetenz zu entwickeln, sind aber Schulungen notwendig. Wie soll z.B. ein Zahnarzt oder Architekt in einem beruflichen Versorgungswerk beurteilen können, ob die High-Yield-Anlagen nur temporär oder dauerhaft schlechte Ergebnisse erbringen? Selbst Fachleute sind mit solchen Fragestellungen häufig überfordert bzw. unschlüssig hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise. Komplexe Investments ohne die notwendige Governance und Organisationsstruktur zerstören Werte. Viele Unternehmen haben zahlreiche Investments in den Bereichen Infrastruktur, Directloans, Emerging Markets und High Yield getätigt – hier lässt sich durchaus fragen, ob dafür die geeigneten Governance-Strukturen und nötigen Ressourcen vorhanden sind.


Abb. 2: Komplexität der Investmentstrategie und Governance-Bedarf

Aus Sicht von Willis Towers Watson ist die Konstruktion ausgewogener Portfolien mithilfe diversifizierter Renditetreiber eine notwendige Vorgangsweise in Zeiten niedriger Zinsen. Sie beinhaltet zusätzlich zu den vorstehenden Aspekten ein zeitnahes und transparentes Risiko- und Performance-Monitoring. Aufsichtsgremien müssen darauf eingestellt sein, neben den kalendermäßigen Kontrollterminen auch Sitzungen außer der Reihe wahrzunehmen, wenn volatile Märkte und riskantere Anlagen zu größeren Ertragsabweichungen führen. Das veränderte Investmentumfeld mit komplexeren Anlagen, mit einer stärkeren Verbundenheit und schnelleren Reaktionszeit der Märkte, mit mehr Konkurrenz unter den Anlegern führt zu einer immens gestiegenen Herausforderung. Nur mit einer wesentlich stärkeren Fokussierung auf Governance und Organisationsdesign wird diese Aufgabe zu bewältigen sein.

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*) Tobias Bockholt ist Senior Investment Consultant bei Willis Towers Watson.