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Diskussionsbeitrag: Liquide Alternative Risikoprämien – „keep it sophisticated simple“

Das gegenwärtige Zinsumfeld stellt insbesondere institutionelle Anleger vor eine Reihe von Herausforderungen und das nicht nur in Bezug auf Ertragsperspektiven sondern auch auf Portfoliorisiken. Volatilität und Value at Risk geben leider keine Auskunft darüber, dass der „Diversifikationsnutzen“ von Renten durch das niedrige Zinsniveau extrem zurückgegangen ist. In vergangenen Schwächephasen des Aktienmarktes sind die 10-jährigen Zinsen teilweise um mehr als 100 BP gefallen. Das hatte zweistellige Bondreturns zur Folge und konnte somit den Rückgang der Aktien oft gut kompensieren. Der durchschnittliche Drawdown eines 70/30 Balanced Portfolios (Deutschland) lag über diese Phasen bei lediglich -4%. Hätten wir in Deutschland in dieser Zeit bereits „japanische Verhältnisse“ am Rentenmarkt gehabt, läge der Wert bei nahezu -8%. Die Empfehlung vieler Berater lautet daher im Moment „mehr Aktien“ und das Hauptargument dafür: „Dividenden sind der neue Zins“. Für bilanzierende und risikobudgetierende Investoren geht das Argument vollkommen in die falsche Richtung. Aus dem Blickwinkel von Risiko und Diversifikation wäre „Aktien reduzieren“ - also das Gegenteil angebracht. Wohin aber mit der freien Liquidität?

Ulf Füllgraf

Die Entwicklung der empirischen Kapitalmarktforschung, bessere Daten (sog. „Point in time-Daten“) und erweiterte Möglichkeiten an den Derivatemärkten, verbesserte Risikomodelle sowie fallende Handelskosten haben in den letzten Jahren den Zugang zu Investments eröffnet, die bisher nur wenigen Großinvestoren oder Hedge Funds zugänglich waren. Die Rede ist von „Liquid Alternative Risk Premia“. In den USA ist das bereits ein Boom, in Europa noch in den Kinderschuhen. Google liefert beispielsweise 72 Mio. für „liquid alternatives“ und für „ETF“ 48 Mio. Treffer.

Was verbirgt sich konkret dahinter?
In den Anfängen der „modernen“ Portfoliotheorie gingen Sharpe/Lintner et al. davon aus, dass die Preise von Assets, z.B. einzelnen Aktien im Wesentlichen durch den Markt (Beta oder systematisches Risiko) und den unternehmensspezifischen Einflüssen (Alpha oder spezifisches Risiko) bestimmt werden. Im weiteren Verlauf erkannten zunächst Roll/Ross (APT Theorie), später dann Fama/French (Value/Size) und Carhardt (Momentum), dass es noch weitere „systematische“ Faktoren als den Markt selbst gibt. Seit dieser Zeit wurden weitere Effekte nicht nur bei Aktien, sondern auch in anderen Assetklassen empirisch belegt.

Wie kommen die Prämien zustande?
Das „economic rational“ jeder Risikoprämie sollte für Investoren der Ausgangspunkt der Überlegung sein. Im Wesentlichen lassen sich alle Prämien aus drei Hauptkategorien ableiten:
*Fundamental (oder „risk-based“), dazu gehören u.a. Distress- oder Default-Prämien
*Behavioristisch, dazu gehören v.a. Momentum-Prämien
*Institutionell, diese Prämien ergeben sich z.B. daraus, dass Investmentbanken ihre Volatilitäts- und Dividendenexposures aus strukturierten Produkten absichern.

Das führt dazu, dass es zwischen impliziter und realisierter Volatilität „ausbeutbare“ Unterschiede gibt oder Dividendenfutures über die längere Frist „zu billig“ sind. Idealerweise sollten die Prämien akademisch und finanzwirtschaftlich erklärbar und anerkannt sein.

Sind die Prämien nachhaltig?
Das ist eine der am meisten diskutierten Fragen. Sowohl in der Forschung, auf Konferenzen oder in Investorengesprächen. Da es sich um Preisfaktoren für Assets handelt, kann das insgesamt nur in Frage stehen, wenn keine Assets mehr gehandelt werden, d.h. Halteverbot, Enteignung oder Börsenschließung und damit auch kein Risiko mehr vorhanden ist. Andererseits kann es sehr wohl sein, dass einzelne Prämien auch über Jahre hinweg keine positiven Returns oder gar Verluste liefern. Das war z.B. in der Dotcom-Zeit bei Low-Risk-Aktien der Fall (50% Kapitalverlust bei marktneutraler Implementierung) oder in den letzten Jahren bei verschiedenen Carry-Prämien am Bondmarkt. Bei traditionellen Risikoprämien ist das aber auch möglich. Die Risikoprämien für japanische Aktien sind seit über 25 Jahren negativ.

Was kaum mehr ein Investor der heutigen Zeit auf der Agenda hat, ist, dass eine Investition in 10-jährige US-Government Anleihen (jährlich rebalanced) von 1945 bis Ende der 80iger Jahre real (Return abzüglich Inflationsrate) im Drawdown war.

Wie lassen sich die Prämien ausbeuten?
Um diese Prämien (direkt) zu extrahieren, benötigen Investoren drei Dinge, die für viele Anleger zu den „Vier Reitern der Apokalypse“ gehören: Derivate, Short-Positionen und Leverage – u.a. ein Grund, warum die Prämien eben nicht ausgepreist werden. Alternativ bieten Investmentbanken oftmals fertige Strategien dafür an.

Wo liegen die Chancen und Risiken?
Mit Long Only-Investments in Inflation-Linker, Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien werden die Ertragspotenziale der klassischen Risikoprämien gehoben. Alternative Prämien lassen sich fast ausschließlich durch marktneutrale Positionierung (Assets long / Future short) oder Long/Short Positionierung (Assets long und short) erschließen. Dadurch wird das systematische Risiko (Marktbeta) fast vollständig eliminiert und die Prämie extrahiert. So entstehen zu traditionellen Investments weitestgehend unkorrelierte Auszahlungsprofile, die im Portfoliokontext sehr gut diversifizieren, sich im Falle eines Drawdowns relativ schnell erholen und liquide sind. Dadurch qualifizieren sie sich möglicherweise eher für ein Label „Absolute Return“ als Wertsicherungskonzepte.

Risiken ergeben sich vor allem aus den asymmetrischen Auszahlungsprofilen, den bekannten Tail-Risiken, die als „vierter Reiter der Apokalypse“ ein Wesensmerkmal dieser Prämien sind. Damit stellen sich besondere Anforderungen an das Risikomanagement resp. die eingesetzten Risikosysteme. Bei augenscheinlich gleicher Volatilität kann das Tail-Risiko einzelner Prämien in unterschiedlichen Assetklassen sehr weit voneinander abweichen – klassische Risikokennzahlen wie Volatilität, Value at Risk oder auch Conditional Value at Risk sind daher kaum geeignet, diese Risiken transparent zu machen. Im Moment gibt es nur wenige Systeme, die auch diesem Anspruch gewachsen sind. Investoren sollten aber gerade diese Komponente vor einem Einstieg herausarbeiten.

Ein weiteres Risiko stellt die Komplexität vieler vorgefertigter Einzelstrategien der Investmentbanken dar. Eine „reine“ Risikoprämienstrategie sollte keine Volatilitätsfilter, Stop/Loss-Begrenzungen oder ähnliche Komponenten enthalten. Viele dieser Strategien wurden mit dem Wissen der Finanzkrise entwickelt, enthalten einen erheblichen „Look-Ahead-Bias“ und werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft anders entwickeln als vermutet und genau das sollte man als Investor vermeiden. Hinzu kommt, dass die Strategien oft in dem Moment im „Risk Off-Modus“ sind, wenn sie für Investoren attraktiv werden.

Im Aktienbereich werden viele dieser Risiko- oder Faktorprämien von verschiedenen Indexanbietern unter dem Label „Smart Beta“ angeboten. Aber auch hier gilt, dass es zwischen den einzelnen Konzepten z.T. erhebliche Unterschiede gibt. Für einen Endinvestor macht es kaum einen Unterschied, welcher Dax-ETF von welchem Anbieter gekauft wird und das weder vom Ertrag noch vom Risiko her. Bei Faktor-Indices und damit auch Investments wird das anders sein. Je nach Konstruktion werden sich die Ergebnisse von Indices (betabereinigt) auf den gleichen Faktor-Tilt (z.B. Value) nicht nur im Niveau, sondern im Vorzeichen erheblich unterscheiden. Qualitativ hochwertige Faktor-Indices begrenzen die systematischen Risiken außerhalb des angestrebten Faktor-Tilts auf ein Mindestmaß.

Welche Alternativen gibt es zu Investments in Einzelstrategien?
Alternativ dazu bieten sich von Spezialisten gemanagte Portfolios oder Fonds an. Der Markt dafür ist relativ jung und in den letzten 15 Monaten sind einige lanciert worden. Das Gesamtvolumen im UCITS-Bereich beträgt aktuell ca. 1,5 Mrd. Euro. Man kann aber davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten weitere Produkte auf den Markt kommen.

Fazit
Ein großer Anteil der alternativen Risikoprämien ist „simple“ im Design. Ein Mehr an „sophistication“ ist auf der Einzelstrategieebene nur dort notwendig, wo viele Einzelassets zum Ausbeuten der Prämie benötigt werden, z.B. bei Aktien-Faktor-Prämien oder Optionen mit Delta Hedges. Alternative Risikoprämien sind eine der wenigen Möglichkeiten, im liquiden Bereich noch Erträge zu erzielen. Aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften (kleinere Drawdowns, schnelleres Recovery, weitestgehend unkorreliert) sind sie ein idealer „Bond-Ersatz“. Große Pensionsfonds in Nordeuropa sind bereits vor einigen Jahren dazu übergegangen, erhebliche Teile ihrer Allokation in diese Richtung zu verschieben.

Links zum Thema:
Edhec Risk Institute (2015), Factor Investing: A Welfare-Improving New Investment Paradigm or Yet Another Marketing Fad?
<link http: www.edhec-risk.com features riskarticle.2015-07-15.2413>

www.edhec-risk.com/features/RISKArticle.2015-07-15.2413



Edhec Risk Institute (2015), Alternative Equity Beta Investing: A Survey
<link http: www.edhec-risk.com features riskarticle.2015-10-21.2904 view>

www.edhec-risk.com/features/RISKArticle.2015-10-21.2904/view



DailyAlts – Liquid Alternatives News & Information
<link http: dailyalts.com>

dailyalts.com



Caroline Liinanki (2015), Alternative Risk Premia: Lessons and experiences from the Nordic pioneers, Nordic Fund Selection Journal
<link https: www.spk.se sites default files assets spk_in_nfsj01_2015.pdf>

www.spk.se/sites/default/files/assets/spk_in_nfsj01_2015.pdf



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*) Ulf Füllgraf ist seit 2010 Geschäftsführer und CIO bei der Hamburger Investment-Boutique Alpha Centauri.
Er war davor als Head of Portfoliomanagement bei der SUVA (einer der größten institutionellen Investoren in der Schweiz). Herr Füllgraf hat zuvor bei der Deka Investment die Multiasset- und Absolute Return-Produkte entwickelt und die Investmentstrategie verantwortet. Alpha Centauri ist eine unabhängige Investment Management Boutique, gegründet in 2005 und ansässig in Hamburg. Sie ist spezialisiert auf liquide alternative Risikoprämien, Aktien-Faktorprämien und Risikomanagement. Alpha Centauri arbeitet mit führenden internationalen Finanzadressen zusammen.