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Expertenbeitrag: Aktienindizes – eine (ge)wichtige Angelegenheit

Das vorherrschende Konzept bei Aktienindizes heutzutage ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Bei der Marktkapitalisierung ist das Gewicht der Indexmitglieder eine direkte Funktion der ausgegebenen Aktien und des Preises. Über die letzten Jahre wurde die Effizienz dieses Ansatzes in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder in Frage gestellt und gleichzeitig wurde eine wachsende Anzahl an Studien betreffend alternativer Gewichtungsmethoden vorgestellt, welche mehrheitlich beeindruckende Überrenditen gegenüber der Marktgewichtung attestieren. Was aber sind die Ursachen für die oft postulierte höhere Effizienz der „Herausforderer“?

Dr. Valerio Schmitz-Esser

An dieser Stelle drängt sich eine zentrale Frage auf: Ist die Entkopplung von Gewicht und Preis wirklich in der Lage, langfristig einen Mehrwert für den Investor zu schaffen? Mit dieser Fragestellung beschäftigen sich in jüngster Vergangenheit immer mehr Investoren unterstützt durch zahlreiche Studien und Publikationen, welche gerne unter dem Begriff „Smart Beta“ subsummiert werden.

Wir haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, einige dieser alternativen Gewichtungsansätze sowohl einzeln als auch in ihrer Kombination untereinander genauer zu analysieren, um möglicherweise dominante Strategien identifizieren zu können. Bei unserer Analyse greifen wir auf bestehende Strategieindizes von MSCI zurück, da sie den Investoren einen effizienten und transparenten Zugang zu diesen Strategien ermöglichen.

Folgende alternative Gewichtungsansätze scheinen besonders interessant, da sie sowohl untereinander, als auch im Vergleich zur Kapitalisierungsgewichtung ein hohes Diversifikationspotenzial aufweisen (sh. auch Abb. 1 im Anhang).

*MSCI Minimum Volatility Index
*MSCI Value Weighted Index (Fundamentalgewichtung)
*MSCI Quality Weighted Index


MSCI Minimum Volatility Index
Die Zusammensetzung des MSCI Minimum Volatility Index ergibt sich aus einer Minimum-Varianz-Optimierung auf Basis des Faktormodells von MSCI. Er stellt das Portfolio mit der geringsten Volatilität  für ein bestimmtes Aktienuniversum dar und zeichnet sich in der Regel durch folgende Eigenschaften aus:

*Tieferes Beta als der dazugehörige Stammindex
*Geringere Volatilität als der Stammindex
*Höherer Anteil an Mid-Cap-Titeln im Vergleich zum Stammindex
*Fokussierung auf Aktien mit geringem titelspezifischen Risiko

Die Minimierung der Volatilität hebt die direkte Abhängigkeit von Aktienkurs und Gewicht im Index auf, wobei Nebenbedingungen der Optimierung eine übermäßige Konzentration und hohe Umschichtungsvolumen verhindern.


MSCI Value Weighted Index
Bei der Fundamentalgewichtung resultieren die Zielgewichte der Einzeltitel aus fundamentalen Kriterien, welche auf den Daten aus Bilanz und Erfolgsrechnung der jeweiligen Unternehmen basieren, wie

*Buchwert des Eigenkapitals
*Umsatz
*Cash-Flow
*Gewinn

Die Fundamentalgewichtung erzeugt ebenfalls eine Unabhängigkeit zwischen Aktienkurs und Indexgewicht, erhält aber die wesentlichen Vorteile der Marktgewichtung, wie hohe Investierbarkeit und geringe Umschlagshäufigkeit. Beim MSCI Value Weighted Index ergeben sich aus der Fundamentalgewichtung charakteristische Portfolioeigenschaften, wie die häufig angestrebte Exponierung gegenüber folgenden renditebestimmenden Faktoren:

*Value (stärkere Exponierung gegenüber günstig bewerteten Aktien)
*Size (stärkere Exponierung gegenüber Aktien kleiner Unternehmen)


MSCI Quality Weighted Index
Der Qualitätsfaktor identifiziert Wachstumstitel, die eine höhere Qualität als der Marktdurchschnitt aufweisen, wobei er durch drei fundamentale Eigenschaften definiert ist:

*Hohe Eigenkapitalrendite (Return on Equity)
*Stabiles Gewinnwachstum (Standardabweichung des Gewinnwachstums pro Aktie über 5 Jahre)
*Geringer Verschuldungsgrad (Fremdkapital / Eigenkapital)

Der MSCI Quality Index enthält die gemäß Qualitätsfaktor besten 300 Aktien des MSCI Stammindexes. Diese selektierten Titel zeichnen sich in der Regel durch solide Geschäftsmodelle und robuste Wettbewerbsvorteile aus.

Alle drei alternativen Gewichtungsansätze, die den oben genannten Indizes zugrunde liegen, haben ein entscheidendes Merkmal gemeinsam: Sie entkoppeln das Titelgewicht vom Preis. Diese direkte Abhängigkeit von Preis und Gewicht im Index wird häufig als großer Nachteil der Kapitalisierungsgewichtung angeführt, da überbewerteten Titeln systematisch ein höheres Gewicht und analog unterbewerteten Titeln ein niedrigeres Gewicht im Index zugesprochen wird.  
Ein weiterer wichtiger Unterschied zu kapitalisierungsgewichteten Indizes ist die periodische Umschichtung bzw. Rückführung auf die Zielgewichte. Diese ist bei kapitalisierungsgewichteten Indizes nicht notwendig, da sich die Portfoliogewichte „automatisch“ denjenigen des Referenzindexes anpassen – gesteuert über die Abhängigkeit zwischen Preis und Gewicht. Verschiedene Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass ein Teil der Überrendite alternativer Gewichtungsansätze auf eben diese periodische Umschichtung zurückzuführen ist, da sie für eine antizyklische Positionierung sorgt und bei Kursanstiegen einzelner Titel Gewinne „realisiert“, während sich in marktgewichteten Indizes automatisch das Gewicht dieser Titel dem höheren Preis anpasst.

Historisch zeigten die drei oben angeführten Indizes jeder für sich über lange Zeiträume eine signifikante Überrendite bei überwiegend geringerer Volatilität gegenüber dem kapitalisierungsgewichteten Standardindex (sh. auch Abb. 2 im Anhang).

Es stellt sich nun die Frage, welche der vorgestellten Strategien den größten Mehrwert im Kontext der eigenen Anlagestrategie schafft. Zudem ist zu überlegen, ob eine geeignete Kombination der drei Strategien möglicherweise in der Lage ist, ein wesentlich besseres Ergebnis zu erzielen, als jede für sich alleine. Diese Fragen können jedoch nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängen vielmehr von der Perspektive des jeweiligen Investors ab. Grundsätzlich hat sich in den jüngsten wissenschaftlichen Studien keine der alternativen Strategien als die Dominante aus allen Blickwinkeln herauskristallisieren können.

Konsequenterweise muss an dieser Stelle also zunächst einmal nach den Bedürfnissen verschiedener Investoren differenziert werden, um den jeweils optimalen Einsatz alternativer Gewichtungsansätze bestimmen zu können.

Mögliche Ziele bzw. Bedürfnisse könnten sein:

*Definition der Aktienquote bei gegebener Volatilität des Gesamtportfolios (Risikobudgetierung)
*Risikoreduktion innerhalb der Aktienquote
*Renditeoptimierung durch Positionierung gegenüber renditetreibender Faktoren (Value, Size, Quality)
*Stabilität der Überrenditen

Dies sind Beispiele für mögliche Beweggründe eines Investors nach Alternativen zur Kapitalisierungsgewichtung zu suchen, um das Risiko-/Renditeprofil der Aktienallokation in seinem Sinne zu beeinflussen.

Durch die sinnvolle Beimischung der eingangs vorgestellten Strategieindizes zur bestehenden Allokation erhält der Investor nun die Möglichkeit, das Gesamtportfolio besser auf seine individuellen Bedürfnisse abzustimmen.

Die Substitution eines kleinen Teils der Aktienquote zu Gunsten der Minimum Varianz Strategie reicht aus, um das Risiko nachhaltig zu reduzieren. Somit ist es möglich das Risiko des Portfolios unabhängig von der Aktienquote steuern zu können. Ferner ist die explizite Positionierung gegenüber renditetreibenden Faktoren wie Value, Size und Quality erreichbar.

Durch die optimierte Kombination der Strategien lassen sich weitere Ziele realisieren, welche durch den isolierten Einsatz nur sehr schwierig zu erreichen sind. So weist die Kombination aus Value Weighted und Quality empirisch eine attraktive und über verschiedene Marktzyklen hinweg sehr stabile Mehrrendite aus. Diese Stabilität gewährleistet eine höhere Flexibilität, Liquiditätsverpflichtungen auch zu ungünstigen Zeitpunkten mit geringeren Einbußen nachkommen zu können.

Empirisch zeigt sich (wie in Abb. 3 im Anhang ersichtlich), dass der kombinierte Einsatz von Strategieindizes ein wertvolles Instrument darstellt, die erwarteten Risiko- und Renditeeigenschaften individuell zu steuern und einen ökonomischen Mehrwert zu schaffen.



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*) Dr. Valerio Schmitz-Esser ist Leiter Index Solutions/Client Solutions bei der Credit Suisse Deutschland. Christian Spriestersbach ist Portfolio Manager für Balanced and Strategy Indexing bei der Credit Suisse Deutschland.


Hinweis: Historische Wertentwicklung und Finanzmarktszenarien sind kein verlässlicher Indikator für laufende und zukünftige Ergebnisse