Foundation | Welcome

Menu


Expertenbeitrag: China — Wichtige Aspekte für globale Investoren (Teil 1)

Globale Investoren haben immer noch Schwierigkeiten damit, das Geschehen in China richtig einzuschätzen. Viele Investoren unterschätzen offenbar nach wie vor die Bedeutung, die China sowohl für die Entwicklung der Weltwirtschaft als auch für die wirtschaftspolitische Debatte in der EU und anderen Industrienationen hat. Auf der anderen Seite erhalten bestimmte chinesische wirtschaftspolitische Initiativen – wie etwa die Aufnahme des Renminbi in den IWF-Währungskorb der Sonderziehungsrechte oder die „Internationalisierung“ der chinesischen Währung – unverhältnismäßig hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Wir möchten in zwei Artikeln eine alternative Perspektive bieten. In diesem ersten Artikel befassen wir uns mit der Bedeutung, die der chinesischen Wirtschaft allein aufgrund ihrer enormen Größe zukommt. Außerdem schlagen wir einige Ansätze vor, die Investoren dabei helfen sollen, die Entwicklungen im Land besser einzuschätzen. Im zweiten Artikel stellen wir die These auf, dass China trotz der Größe seiner Volkswirtschaft in absehbarer Zeit auf den Finanzmärkten weiterhin nur eine vergleichsweise beschränkte Rolle spielen wird.

Gerwin Bell

 

Ausschließlich für professionelle Investoren bestimmt – nicht an Privatkunden weitergeben

Wenn es um die Entwicklung in China ging, schwankte die Stimmung internationaler Investoren in den vergangenen Jahren zwischen Angst und Optimismus, häufig ziemlich abrupt. Diese Volatilität steht in scheinbarem Kontrast zu dem Bild der Stabilität, das die Wirtschaftsindikatoren zeichnen. Die Diskrepanz hat einige Beobachter zu der Auffassung geführt, dass China in einer eigenen Welt lebt und die chinesische Wirtschaft einer gewöhnlichen volkswirtschaftlichen Analyse nicht zugänglich ist. Wir halten diese Schlussfolgerung für verfehlt. China hat weltweit nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft und liegt gemessen an der Kaufkraft sogar auf Platz eins. Um ein besseres Verständnis der globalen wirtschaftspolitischen Debatte (und der Konsequenzen für die eigene Anlagestrategie) zu gewinnen, ist es unerlässlich, sich mit den fundamentalen Entwicklungen in China auseinanderzusetzen.

Eine alternative Sicht
Wir bei PGIM Fixed Income gehen davon aus, dass ein alternativer Ansatz ein besseres Verständnis der Entwicklung in China liefern kann als die offiziellen BIP-Daten. Das ist natürlich keine neue Idee.

Tatsächlich hatte Premierminister Le Keqiang während seiner Amtszeit als Parteisekretär in einer Provinz im Norden Chinas Bedenken bezüglich der Aussagekraft der offiziellen Statistiken geäußert. Berichten zufolge hatte er daraufhin einen eigenen Indikator entwickelt, um die wirtschaftliche Entwicklung in Echtzeit einschätzen zu können. Wir sind aber der Überzeugung, dass der sogenannte Le Kequiang Index (LKQ) zu stark von der traditionellen „Old Economy“ und dem Industriesektor abhängig ist.

Wir haben daher eine alternative Kennzahl entwickelt, die unserer Auffassung nach ein besseres Bild des wirtschaftlichen Strukturwandels und der wachsenden Bedeutung von Dienstleistungen und Privatkonsum vermittelt. Unsere proprietäre Wachstumskennzahl für China berücksichtigt den Stromverbrauch der Privathaushalte und auf der Produktionsseite der Wirtschaft (nach Sektoren gewichtet), jeweils saisonal bereinigt. Wir denken, dass diese Wachstumskennzahl einen guten Kompromiss zwischen Aktualität und umfassender Berücksichtigung der Datengrundlage darstellt. In Chart 1 wird unsere Wachstumskennzahl dem LKQ und den offiziellen BIP-Zahlen Chinas gegenübergestellt.

Bei der Betrachtung des Charts fällt auf, dass sich der LKQ und unsere proprietäre Kennzahl trotz gelegentlicher Divergenzen im Wesentlichen einig sind und ein anderes Bild vermitteln als die offiziellen Wirtschaftszahlen. Die beiden alternativen Indikatoren deuten darauf hin, dass die Konjunkturentwicklung in den Jahren 2015 und 2016 deutlich volatiler verlief als die offizielle Statistik glauben machen will. Unseren Schätzungen zufolge lag das BIP-Wachstum 2015 bei 4,5 % und 2016 bei 7,75 %, und auch für die erste Jahreshälfte 2017 ist ein robustes Wachstum zu verzeichnen. Was kann die Ursache für diese Entwicklung sein?

Wir glauben, dass in China eine Reihe wirtschaftspolitischer Fehler ab Ende 2014 zu einem erheblichen Nachfrageschock in der ersten Jahreshälfte 2015 geführt haben. Zu nennen sind insbesondere die abrupten Sparbemühungen der Lokalregierungen, die übereilte Liberalisierung des Kapitalverkehrs und der Umgang mit dem Aktiencrash und der Währungsabwertung. Die Korrektur dieser Fehler und umfassende kreditpolitische Maßnahmen brachten die Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurück. Die absoluten Zahlen sind dabei weniger interessant als die scharfen Trendwenden bei der wirtschaftlichen Aktivität. Wie können diese Informationen aber praktisch genutzt werden?






Quellen für beide Charts: PGIM Fixed Income und Haver Analytics (Stand: Juni 2017). Die hier dargestellten Konjunktur- und Marktprognosen wurden von PGIM Fixed Income zu Informationszwecken zum Datum dieser Präsentation erstellt. Sie basieren auf proprietären Modellen. Für eine Realisierung der Prognosen kann keine Gewähr übernommen werden.

Angesichts der Größe der chinesischen Wirtschaft haben derartig starke Wachstumsschwankungen globale Implikationen. Chart 2 zeigt das Weltwirtschaftswachstum unter Zugrundelegung der ofiiziellen chinesischen BIP Zahlen, sowie unter PGIM-Wachstumsschätzungen für China (in den blauen, beziehungsweise gelben Balken). Unter Annahme der offiziellen chinesischen Daten verlangsamte sich das Weltwirtschaftswachstum über die letzten drei Jahre stetig. Andererseits impliziert die PGIM Schätzung, dass das Weltwirtschaftswachstum 2015 unter 3 % fiel, was nach verbreiteter Definition eine Rezession der Weltwirtschaft darstellt, wohingegen es in 2016 zu einer starken Erholung kam. Nach unserer Ansicht kann unsere alternative Sichtweise eine Reihe von globalen Entwicklungen erklären, die den Wirtschaftsexperten Rätsel aufgegeben haben. Die zwei folgenden Beispiele illustrieren dies.

Der Welthandel schwächte sich 2015 erheblich ab, erholte sich aber 2016 deutlich (Chart 3). Zur Erklärung dieser Entwicklung werden vielfach der wachsende Protektionismus in den Industrienationen und eine stärkere Orientierung nach innen genannt, die letztlich durch die bessere Stimmung und das unerwartet gute Wachstum nach den US-Wahlen ausgeglichen wurden. Ein genauerer Blick auf die Exporte für die Industrienationen zeigt aber, dass die Kurve gut zum alternativen Wachstumsszenario für China passt.

Zweitens würde ein alternatives Wachstumsmuster für die Weltwirtschaft auch Erklärungsansätze für die Geldpolitik in den Industrienationen liefern. Die wichtigsten Zentralbanken hatten es 2015 für nötig befunden, erwartete Zinserhöhungen zu verschieben bzw. sogar zusätzliche QE-Maßnahmen zu implementieren (siehe Chart 4). 2016 sollten Zinsanhebungen und „Tapering“ dagegen kein Problem mehr darstellen. Wir wollen damit nicht sagen, dass China dies alles abschließend erklärt. Wir denken aber, dass ein richtiges Verständnis der wirtschaftlichen Lage in China selbst für die wirtschaftspolitische Betrachtung von EU und USA unverzichtbar ist und dass die genaue Beobachtung der chinesischen Entwicklung globalen Investoren zusätzliche Einsichten und potenziell Renditevorteile bringen kann.






Quellen für beide Charts: Haver Analytics (Stand: Juli 2017)

Angesichts der wachsenden Bedeutung Chinas in der Welt und der zunehmenden Ungleichgewichte im Land wird eine genaue Beschäftigung mit seiner Entwicklung (auch auf Grundlage alternativer Datenquellen) im Rahmen globaler Analysen in den nächsten Jahren immer wichtiger. Der politische Ausblick Chinas ist vor dem Hintergrund des Parteikongresses und des Führungswechsels Ende des Jahres unklar. Angesichts der wirtschaftspolitischen Fehler aus dem Jahr 2015 ist es außerdem zweifelhaft, inwieweit die Entscheidungsträger in China in der Lage sein werden, ihre Pläne wirksam umzusetzen. Insgesamt bedeutet das, dass auch für die Geld- und Wirtschaftspolitik in den Industrienationen die Spielräume deutlich kleiner sein könnten, als allgemein angenommen.

Im zweiten Teil des Beitrags werden wir uns mit der Internationalisierung der chinesischen Währung (RMB) auseinandersetzen und uns mit der Frage befassen, ob Investoren die Bedeutung dieses Themas überschätzen.

---
*) Dr. Gerwin Bell ist ein Principal und der führende Experte des Global Macroeconomic Research Teams von PGIM Fixed Income für die Wirtschaft in Asien. Dr. Bell wechselte im August 2012 vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zu PGIM Fixed Income. Als Mission Chief des IWF für Europa war Dr. Bell für eine Reihe von Industrienationen und Schwellenländern verantwortlich und verhandelte in dieser Eigenschaft zahlreiche Kreditprogramme für den IWF. Davor spielte er eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der IWF-Politik zur Umstrukturierung der Schulden im öffentlichen wie im privaten Sektor und war an den Anstrengungen zur Nationenbildung auf dem Balkan beteiligt. Dr. Bell hat für den IWF zahlreiche Länderpublikationen und wirtschaftspolitische Arbeiten verfasst und eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht. Er hat einen Master in Economics an der Universität Trier und der Yale University erworben und an der Universität Trier in Volkswirtschaftslehre promoviert.

PGIM Fixed Income ist ein globaler Assetmanager, der aktive Investmentlösungen für alle Anleihemärkte bietet. Das Unternehmen verfügt über Geschäftsstellen in Newark (New Jersey), London, Tokio und Singapur und verwaltet mehr als 676 Mrd. US-Dollar. Weitere Informationen finden Sie unter den IPE Referenzen und auf pgimfixedincome.com. (Stand: 30. Juni 2017)

Quelle: PGIM Fixed Income. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen beruhen auf öffentlich verfügbaren Informationen aus Quellen, die PGIM Fixed Income als zuverlässig erachtet. Die Informationen stellen die Ansichten und Meinungen des Autors mit Stand zum August 2017 dar und dienen ausschließlich der Information. Sie stellen keine Anlageberatung dar und sollte nicht als Grundlage für eine Anlageentscheidung verwendet werden. Die zugrunde liegenden Annahmen und Ansichten unterliegen der Änderung. Die Performance in der Vergangenheit ist keine Garantie und gewährt keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Zukunft. Eine Investition in Indices ist nicht möglich. Dieses Material wird nur für Personen bereitgestellt, die professionelle Kunden oder zugelassene Gegenparteien sind. 2017-3821