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Expertenbeitrag: Der Abschied vom klassischen Bezahlfernsehen und seine Konsequenzen

Die Fernsehwelt befindet sich im Umbruch. In diesem Artikel werden wir untersuchen, welche Unterschiede in den europäischen und amerikanischen Märkten in Bezug auf die Kabelnutzung und den Medienkonsum bestehen.

Cheryl Akawie

Ausschließlich für professionelle und institutionelle Investoren bestimmt

In Europa ist das Kabelfernsehen weiterhin dominant
Im Vergleich zum US-Markt ist der Fernsehmarkt in Europa stark fragmentiert. Jedes Land hat seinen eigenen Fernsehmarkt und es gibt keinen paneuropäischen Anbieter. In Europa existiert eine Reihe verschiedener Fernsehtechnologien (terrestrisches Digital-Fernsehen (über Antenne), Kabelfernsehen, Satellitenfernsehen, IPTV und OTT), deren Präsenz und Bedeutung von Land zu Land sehr verschieden ist. Zu den Wettbewerbern gehören öffentliche Fernsehunternehmen, werbefinanziertes Privatfernsehen, Kabelfernsehanbieter und seit neuestem auch die etablierten Telekommunikationsbetreiber.

Trotz der stark differenzierten Struktur des europäischen Markts lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen. Die Fernsehgewohnheiten unterscheiden sich von Land zu Land. Die Abstimmung des Contents auf die lokale Sprache und Kultur ist dabei ein wichtiger Faktor. Im Gegensatz zu den USA waren die europäischen Anbieter in der Regel nicht in der Lage, hohe Preise für ihren Content durchzusetzen. Premiumcontent spielt daher nur eine geringe Rolle, und das traditionelle Bezahlfernsehen über Kabel hat sich in den meisten Märkten kaum durchsetzen können. Auch in Märkten mit vergleichsweise hohem Anteil (z. B. Holland, Belgien und Deutschland) sind die Preise mit monatlich etwa 10 bis 20 Euro vergleichsweise niedrig. Eine Ausnahme ist das Vereinigte Königreich. Sky war bereits frühzeitig mit einem an den USA orientierten Angebot auf dem Markt, und die Angebote der Konkurrenz waren vergleichsweise unattraktiv.

Während in den USA das „Cord-Cutting“ (der Umstieg der Verbraucher vom klassischen Bezahlfernsehen auf internetbasierte Angebote) stetig an Bedeutung zunimmt, ist das Phänomen in Europa weniger zu beobachten. Der Grund dafür ist vermutlich in der niedrigeren Marktdurchdringung des traditionellen Bezahlfernsehens als auch in dessen niedrigeren Kosten zu sehen, die weniger Grund zum Wechsel geben. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Situation der führenden Kabelfernsehanbieter in mehreren Ländern.

Hier ist ersichtlich, dass die Zahl der Abonnenten von Kabelfernsehen in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich um 0,6% abgenommen hat (bei dieser Betrachtung wurde ONO als Low-Cost-Anbieter mit geringer Marktpenetration als nicht repräsentativ ausgenommen). Dieser Rückgang ist einerseits auf den Wechsel zu Konkurrenzanbietern und andererseits auf den vollständigen Abschied vom klassischen Bezahlfernsehen zurückzuführen. Die Betreiber versuchen, ihren Marktanteil im Breitbandmarkt auszubauen, um die Abnahme der TV-Abonnentenzahlen aufgrund des wandelnden Nutzerverhaltens und der zunehmenden Konkurrenz auszugleichen.



Quelle: Jahresabschlüsse und PGIM Fixed Income, Stand: 1. Mai 2018 Der „Auslastungsgrad“ bezeichnet den prozentualen Anteil der Abonnenten, die nach Angaben der Anbieter in ihren Gebieten Bezahlfernsehen beziehen. Wachstumstrend über die letzten 5 Jahre, mit Ausnahme von Ziggo (3 Jahre), KDG (2 Jahre) und Ono (2 Jahre). ARPU (Average Revenue Per User) bezeichnet hier den durchschnittlichen Gesamtumsatz für die drei Dienste TV, Breitband und Festnetz für alle Betreiber außer TNET (nur Video ARPU).

Der langfristige Wandel beim US-Medienkonsum
Wir sehen drei Hauptgründe für den Wandel in der US-Medienlandschaft: 1) Abneigung der Verbraucher gegen die hohen Preise und mangelnde Flexibilität traditioneller Bezahlfernsehpakete, 2) verbreitete Einführung leistungsfähiger Breitbanddienste und 3) Vermarktung von Inhalten durch Medienunternehmen.

Der Bedarf: Die Preise für das Bezahlfernsehen stiegen in den vergangenen 20 Jahren doppelt so schnell wie die Verbraucherpreise insgesamt. Die Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen versuchten ihre Preiserhöhungen durch eine Vergrößerung der angebotenen Pakete zu rechtfertigen. Verbraucher und Regulierungsbehörden verlangten aber nach Flexibilität und Preisen „à la carte“.

Das Medium: In den vergangenen Jahren wurde die Breitbandinfrastruktur in großem Umfang ausgebaut und immer mehr Verbraucher erhielten Zugriff auf qualitativ hochwertige Internetdienste. 2015 kam die erste internetbasierte Alternative zum Live-TV, die bei den frustrierten Kabelfernsehkunden auf großes Interesse stieß.

Das Angebot: Der Wunsch der Medienunternehmen, ihre Inhalte gewinnbringender zu vermarkten, schaffte das Angebot. Netflix begann 2007 als erster Streaming-Anbieter mit der Verbreitung von Inhalten, die von Medienunternehmen eingekauft worden waren. Heute bietet das Unternehmen auch in erheblichem Umfang eigene Inhalte an. Nach Netflix kamen Amazon Prime und Hulu, die ebenfalls zunehmend eigene Inhalte produzieren. In den vergangenen zwei Jahren kamen die vMVPDs (virtual multi-channel video programming distributors) wie Sling und DirectTV auf den Markt. Diese VmVPDs bieten kleinere, günstige Pakete mit Live-TV-Kanälen, die über Smart-TVs, Geräte wie Roku oder Apple TV oder Smartphones und Tablets bereitgestellt werden.

Das Kabel – vom Fernsehen zum Breitband
Die Kabelanbieter haben nur langsam auf den Wandel in der Fernsehlandschaft reagiert, aber dafür ihr Breitbandnetzwerk konsequent ausgebaut. Insgesamt verfügen mittlerweile 80% der US-Haushalte über Breitbandanschlüsse. Angesichts der hohen Bruttomargen, die für Breitband mit 80-90% etwa doppelt so hoch wie beim Kabelfernsehen sind, gleicht dies die Einbußen bei den Fernsehabonnements mehr als aus (53 Mio. Abonnements im Jahr 2012 gegenüber geschätzten 45 Mio. im Jahr 2019). Heute modernisieren viele Kabelunternehmen ihre Infrastruktur, um für die künftige Entwicklung (z. B. ortsfeste 5G-Systeme) gerüstet zu sein. Dabei verfolgen sie eine relativ konservative Finanzpolitik. Trotz der relativ einheitlichen Entwicklung des Sektors bieten einzelne Unternehmen immer noch attraktive Investmentchancen.

Im Medienbereich regiert der Content
Während die Kabelunternehmen vergleichsweise ähnliche Geschäftsmodelle verfolgen, ist der Mediensektor deutlich differenzierter aufgestellt. In den vergangenen Jahren ist es aufgrund zyklischer und längerfristiger Faktoren zu einer Konsolidierungswelle gekommen. Ein Beispiel ist die überraschende Entscheidung von Twenty-First Century Fox, das Kabelnetzwerk, die Fernseh- und Filmproduktion sowie verschiedene ausländische Tochterunternehmen an Disney zu verkaufen.

Während der Konsum von Medieninhalten zunimmt, werden Inhalte jetzt anders, zu anderen Zeiten und an anderen Orten konsumiert. Der Videokonsum über TV-Zusatzgeräte wie Apple TV, Roku und Amazon Fire TV Stick hat in der Zeit von Mitte 2015 bis Mitte 2017 um 31% zugenommen. Dieses „Cord-Cutting“ bedroht die traditionellen Einnahmequellen der Medienunternehmen (Werbung und Ausstrahlungsgebühren).

Fazit: Wo das Cord-Cutting stattfindet, sind die primären Folgen ein nachhaltig steigender Medienkonsum, eine Veränderung der Fernsehgewohnheiten und ein Anstieg in der Qualität der konsumierten Inhalte.

*Während die Einnahmen aus dem traditionellen Kabelfernsehgeschäft klar zurückgehen, steigen die Einnahmen aus dem Breitbandgeschäft. Angesichts der hohen Bruttomargen sehen wir in diesem Bereich einen wichtigen Faktor für die Zukunft der Kabelbranche.

*Im Gegensatz zur relativ einheitlichen Struktur der Kabelbranche unterscheiden sich die Geschäftsmodelle im Medienbereich häufig deutlich. Unsere Positionierung im Mediensektor ist daher selektiver als im Kabelbereich.

*Während die Qualität der Medieninhalte bei Kreditanalysen einzelner Unternehmen ein wichtiger Faktor bleibt, geht ihre Differenzierungswirkung aufgrund des stark wachsenden Angebots kreativer Inhalte zurück. Da immer mehr Verbraucher kleinere Pakete einkaufen, wird der Zugriff von Medienunternehmen auf exklusive oder semi-exklusive Inhalte (insbesondere „Live“-Inhalte wie Sport und Nachrichten) wahrscheinlich zum wichtigsten Differenzierungsfaktor werden. Die Qualität der Inhalte eines Emittenten muss fundamentalen Aspekten wie der strategischen Positionierung, der Eigenkapitalquote und dem relativen Spread-Niveau gegenübergestellt werden.

Ihr Kapital ist Risiken ausgesetzt und der Wert Ihrer Anlagen kann sowohl steigen als auch fallen.

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*) Cheryl Akawie, CFA, ist ein Principal und Kreditanalyst für das Investment Grade Corporate Bond Research Team von PGIM Fixed Income. Frau Akawie analysiert Anleihen mit Investment-Grade-Rating von Emittenten aus den Bereichen Medien, Telekommunikation und Technologie. Sie arbeitet seit 1990 für PGIM. Frau Akawie hält einen BS in Finance der Lehigh University und einen MBA der New York University. Sie ist außerdem ein Chartered Financial Analyst (CFA).

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