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Expertenbeitrag: Russland finanzstark trotz belastender Sanktionen

Vor fünf Jahren verhängten die USA und die Europäische Union nach der russischen Annexion der Krim-Halbinsel empfindliche Sanktionen gegen Russland, die in den folgenden Jahren noch verschärft wurden.

Giancarlo Perasso

Ausschließlich für professionelle Investoren bestimmt. Alle Investments sind mit Risiken verbunden, einschließlich möglicher Kapitalverluste.

Die Strafmaßnahmen sollten die russische Wirtschaft treffen, künftige militärische Abenteuer in der Ukraine abwenden, die Einmischung in demokratische Wahlen verhindern, russische Spionage in westlichen Ländern erschweren und Russland für den Einsatz verbotener Chemiewaffen bestrafen. Es ist unklar, inwieweit diese Ziele erreicht werden konnten.

Die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen der internationalen Sanktionen sind aufgrund der Vielzahl möglicher Einflussfaktoren nur schwer abschätzbar.

Es ist kaum zu bezweifeln, dass der Lebensstandard der Bevölkerung und die Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen unter den Sanktionen gelitten haben. Inwieweit die weiteren Ziele der Sanktionsmaßnahmen erreicht werden konnten, ist aber fraglich, da Russland in den vergangenen Jahren sowohl seine Volkswirtschaft stabilisieren als auch seine Leistungsbilanz verbessern konnte.

Kurz nach der Annexion der Krim und der Abspaltung in der ukrainischen Donbass-Region brach der Ölpreis von 120 US-Dollar auf etwa 50 US-Dollar ein. Die russische Wirtschaft wurde daher gleichzeitig durch die Sanktionen und den Einbruch am Ölmarkt getroffen.

Die russische Zentralbank versuchte, die resultierende Währungsabwertung durch eine Anhebung der Zinsen und Käufe am Devisenmarkt zu bremsen. Letztlich entschied sich Russland für eine Freigabe des Wechselkurses und beschränkt jetzt seine Geldpolitik auf die Inflationssteuerung. Die Zentralbank begann die Zinsen zu senken, nachdem die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hatte. Gleichzeitig schlug das Finanzministerium einen Konsolidierungskurs ein.

Durch die konservative Geld- und Fiskalpolitik und gestützt durch die mittlerweile höheren Ölpreise konnte Russland einen erheblichen Leistungsbilanzüberschuss erreichen. Russland ist es gelungen, die Wirtschaft zu stabilisieren, seine Devisenreserven aufzufüllen und die Verschuldungsquote zu senken.

Es ist unklar, welche Auswirkungen die Sanktionen auf die Realwirtschaft gehabt haben. Einerseits wächst die Produktivitätsrate mit 2,5% und scheint sich sogar noch zu beschleunigen. Andererseits lag das Wirtschaftswachstum nach der Rezession 2015 in den Jahren 2017 und 2018 nur bei etwa 2%, was ungefähr dem durchschnittlichen Wachstum in den Jahren 2012-2014 entsprach – eine kräftige Erholung der Wirtschaft nach der Rezession blieb also aus.

Verhindert wurde eine stärkere Erholung durch die sehr restriktive Geldpolitik und die Haushaltskonsolidierung. Belastet wird das Wirtschaftswachstum auch durch die altbekannten strukturellen Probleme der russischen Wirtschaft: das negative Bevölkerungswachstum, die schlechten Bedingungen für Investitionen, der schwache Schutz von Eigentumsrechten und die starke staatliche Kontrolle der Wirtschaft. Abgesehen von der jüngsten Reform des Rentensystems, durch die das Rentenalter erhöht wurde, haben praktisch keine strukturellen Reformen stattgefunden.

Die einzigen wirklichen strukturellen Veränderungen erfolgten paradoxerweise durch die Verhängung von russischen Sanktionen auf europäische Landwirtschaftsexporte. Durch die Begrenzung der Einfuhren von Agrarprodukten wurde der russische Landwirtschaftssektor gestärkt und ist mittlerweile ein führender Exporteur vieler landwirtschaftlicher Produkte. Diese Entwicklung wurde auch durch den schwächeren Rubel unterstützt.

Aufgrund der Vielzahl bedeutender Einflussfaktoren lässt sich daher kaum sagen, inwieweit die Sanktionen maßgeblich zum schwächeren Wachstum der russischen Wirtschaft beigetragen haben.

Der deutlichste Indikator für die Einschätzung der Sanktionen ist der Anteil der staatlichen Rubel-Anleihen (OFZ), die von ausländischen Investoren gehalten werden. Nach der Verhängung der Sanktionen im Frühjahr 2018 kam es hier zu einem drastischen Rückgang, mittlerweile sind die ausländischen Investoren aber in den lokalen russischen Markt zurückgekehrt und der vom Ausland gehaltene OFZ-Anteil steigt stetig.

Außerdem wird die Bonität des Landes von den Besitzern russischer Dollar-Bonds offenbar sehr hoch eingeschätzt. Tatsächlich belaufen die sich Auslandsschulden des russischen Staates nur auf etwa 10% der aktuellen Devisenreserven und das Netto- Auslandsvermögen des Landes befindet sich auf einem Rekordstand (d.h. Russland ist netto gesehen ein Gläubigerland). Im Vergleich mit anderen Schwellenländern haben Russland und Botswana die weltweit niedrigste Verschuldungsquote (nur 13%, Stand Juni 2019).

Neben der sehr guten Zahlungsfähigkeit zeichnet sich Russland auch durch eine sehr hohe Zahlungsmoral aus. Sowohl Präsident Putin als auch die russische Bevölkerung scheinen nach der Demütigung des Staatsbankrotts von 1998 fest entschlossen zu sein, nie wieder in eine solche Situation zu geraten.

Die Verhängung weiterer wirklich schmerzhafter Sanktionen, wie sie zum Beispiel während der Apartheid-Ära gegen Südafrika verhängt wurden, könnte die Situation verändern.

Investoren in Rubel-Anleihen wären davon wegen der abgeschwächen russischen Währung am stärksten betroffen, während russische Hartwährungsanleihen bessere Aussichten auf eine volle Rückzahlung hätten.

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*) Giancarlo Perasso ist ein Principal und der führende Wirtschaftsexperte von PGIM Fixed Income für die CEEMA-Region. Er arbeitet in London. Bevor er 2012 zu PGIM kam, war Herr Perasso Chefökonom von Matrix-Redux, einem Makro-Hedgefonds aus London mit Schwerpunkt auf den Emerging Markets. Davor war er als Global Head of Emerging Market Research bei der WestLB tätig. In dieser Rolle entwickelte er marktorientierte Analysen primär für Auslandsschulden und lokale Märkte. Herr Perasso arbeitete außerdem als Senior Economist für Zentral- und Osteuropa bei der Chase Manhattan Bank und J.P. Morgan Chase.

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