Foundation | Welcome

Menu


Fachbeitrag: Systematische Renditestrategien im Nullzinsumfeld

Institutionelle Investoren sind zum einen auf regelmäßige Kapitalerträge zur Deckung laufender Leistungsverpflichtungen angewiesen. Zum anderen darf ein gewisser Deckungsgrad meist nicht unterschritten werden. Stabile Renditen sind also von großer Bedeutung. Wir, Dr. Dietmar Peetz und Dr. Daniel Schmitt von der Credit Suisse, beleuchteten im Rahmen der Hedgework-Veranstaltung Anfangs Mai in Frankfurt, wie Investoren mit Hilfe systematischer Renditequellen eine bessere Portfoliodiversifikation und damit stabilere Renditen erzielen können.

Dr. Dietmar Peetz (oben) und Dr. Daniel Schmitt*

Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen und andere institutionelle Investoren sind aufgrund ihres Mandats oft gezwungen, eine bestimmte Mindestrendite zu erzielen. Gleichzeitig dürfen gewisse Mindestdeckungsgrenzen nicht unterschritten werden. Deshalb streben sie regelmäßige Kapitalerträge und krisenfeste Renditen an. Das bereitet vielen Marktteilnehmern angesichts der weltweit immer weiter fallenden Zinsen allerdings zunehmend Kopfzerbrechen.

Eine vielversprechende Alternative stellt die Diversifikation in Risikoprämien mit Hilfe regelbasierter Strategien dar. Wir nennen diese „systematische Renditestrategien“. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie sich der Investor mit diesen Strategien zusätzliche Renditequellen erschließen kann, um eine wirksame Portfoliodiversifikation und damit eine stabilere Rendite in seinem traditionellen Mischportfolio zu erzielen.

Je unabhängiger die Risikoprämien umso höher der Diversifikationseffekt: Ein höherer Ertrag ist mit einem höheren Risiko verbunden – dies ist einer der Grundgedanken der modernen Finanztheorie. Aktieninvestoren sind sich dessen bewusst und erwarten für die systematische Übernahme von Aktienrisiken eine Rendite, die über jener der risikolosen Alternativanlage liegt. Diese Mehrrendite wird oft auch als Risikoprämie bezeichnet. Das Konzept der Risikoprämie ist dabei nicht auf Aktien beschränkt. Es existieren zahlreiche, empirisch gut untersuchte Quellen solcher Risikoprämien in allen Anlageklassen (sh. Abb. 1 im Anhang).

Der Vorteil für den Investor: Unterschiedliche Risikoprämien können in einem Portfolio so zusammengestellt werden, dass die daraus resultierende risikoadjustierte Gesamtrendite höher ist als die jeweiligen einzelnen Risikoprämien. Hinter diesem scheinbaren „Free Lunch“ verbirgt sich wieder das Prinzip der Diversifikation. Je unabhängiger die Risikoprämien voneinander sind, desto höher ist der Diversifikationseffekt. Die Erfolgsformel für den Anleger lautet daher, in möglichst viele unabhängige Risikoprämien zu investieren.

Einige Finanzwissenschaftler (Meucci 2010) interpretieren diversifizierte Mischportfolios aus Aktien und Anleihen bereits als Portfolios von Risikoprämien. Hierbei spielen nämlich das Aktienrisiko, das Kredit- bzw. Liquiditätsrisiko und das Inflationsrisiko eine Rolle – Risiken also, für die der Investor mit einer entsprechenden Prämie entlohnt werden will (für eine Übersicht siehe Peetz/Schmitt/Akdogan 2014).

Ein Nachteil ist, dass die Anteile bzw. die Gewichte der einzelnen Prämien in den jeweiligen Anlageklassen bei einer Buy-and-Hold-Strategie nur beschränkt beeinflusst werden können. Das heißt, eine „optimale“ Allokation, die eine höhere risiko­adjustierte Rendite erwarten lässt, ist für die Investoren, die von der Regulation in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt sind, kaum zu realisieren. Mit den systematischen Renditestrategien stehen Bausteine zur Verfügung, dank derer sich die Allokation zu Risikoprämien wesentlich flexibler und freier gestalten lässt als bisher.

Risikoprämien als Portfoliobausteine: Anlageklassen wie beispielsweise Aktien, Unternehmensanleihen oder hochverzinsliche Anleihen korrelieren in schwierigen Marktphasen besonders stark. Anleger sollten das Diversifikationspotenzial daher nicht überschätzen. Interessanterweise weisen zahlreiche Risikoprämien günstige Korrelationseigenschaften auf und stellen damit ideale Bausteine für die Portfoliokonstruktion dar, wie in Abb. 2 (sh. Anhang) veranschaulicht wird.

Nicht jede regelbasierte Handelsstrategie eignet sich zur Konstruktion stabiler Portfolios mit attraktiver Rendite. In unserer Praxis haben sich folgende Leitlinien bei der Auswahl systematischer Renditestrategien bewährt:

1. Unabhängigkeit von traditionellen Anlageklassen: Falls sich die Renditen einer Strategie durch ein statisches Portfolio traditioneller Assets nachbilden lassen, ist durch ihre Beimischung kein Diversifikationsvorteil zu erwarten.

2. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der Strategie um ein nicht­reproduzierbares Zufallsprodukt handelt? Ein derartiges Risiko lässt sich durch folgende Prinzipien reduzieren:
2.1 Strategien mit wenigen Parametern sind grundsätzlich zu bevorzugen. Je mehr Parameter, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie überoptimiert wurde, das heißt, in Zukunft nicht mehr funktioniert.

2.2 Es muss eine plausible ökonomische Begründung vorliegen, warum die Strategie funktioniert. Das heißt, welche Risiken können oder wollen andere Marktteilnehmer nicht tragen und verzichten deshalb auf Renditen aus diesen Risiken?

2.3 Möglichst langer Leistungsausweis, der über verschiedene Marktzyklen reicht.

3. Bewusstsein für Kapazität, Liquidität und Transparenz: Risikoprämien stellen die Belohnung für Risiken dar, die andere Marktteilnehmer nicht eingehen wollen oder können. Risikoprämien sind riskant und stellen keine Arbitragesituation dar. Sobald sich der Markt strukturell verändert, müssen auch historisch sehr erfolgreiche systematische Renditestrategien auf den Prüfstand – Stichwort „Strategielebenszyklus“.


Zusammenfassung und Ausblick
Investoren, die in einem Umfeld ultratiefer Zinsen nach zusätzlichem Diversifikationspotenzial suchen, finden dieses, indem sie sich mit Hilfe systematischer Renditestrategien neue Renditequellen erschließen. Je weniger diese Renditequellen miteinander korrelieren, desto robuster wird das resultierende Portfolio auch in schwierigen Zeiten sein. Um das volle Potenzial systematischer Renditestrategien auszuschöpfen, ist ein aktives Management erforderlich. Es wird notwendig, Risiken nicht mehr nur vertikal auf der Ebene der Anlageklassen zu betrachten, sondern vielmehr auch horizontal auf der Ebene der Risikoallokation. Ein Schritt, den einige Staatsfonds als Vorreiter im Risikoprämienbereich vor kurzem bereits vollzogen haben.

Für Leser, die sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchten, verweisen wir auf die Publikation «Systematic Return Strategies – A Primer» (Peetz/Schmitt/Akdogan 2014), die von der Credit Suisse AG bezogen werden kann.



---
Vita: Dr. Dietmar Peetz ist Senior Portfolio Manager mit über 17 Jahren Finanzmarkterfahrung in den Bereichen Derivative, Fixed Income, Aktien und alternative Anlagen. Er wechselte zur Credit Suisse von FVS AG, wo er Absolute-Return-Fonds verwaltete. Davor arbeitete er als Eigenhändler für Fixed-Income-Derivate in der Treasury-Abteilung der Sparkasse Köln-Bonn mit Schwerpunkt auf Handel und Financial Engineering. Dietmar Peetz hat einen Abschluss der Fachhochschule Köln und einen Masterabschluss in International Banking der Henley Business School, Großbritannien. 2007 promovierte er an der Universität Kassel.

Dr. Daniel Schmitt ist Senior Portfolio Manager und besitzt einen Masterabschluss in Physik der University of Massachusetts Dartmouth. Er verfügt über mehr als sieben Jahre Erfahrung in der Verwaltung von Derivatportfolios mit Schwerpunkt Rohstoffe und Volatilitätsmärkte. Vor seiner Tätigkeit bei der Credit Suisse arbeitete er an der Boston University in enger Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School im Bereich der Quantifizierung physiologischer und finanzwirtschaftlicher Dynamiken. Dr. Daniel Schmitt promovierte an der Universität Ulm, Deutschland, in theoretischer Physik.


Unternehmensporträt: Credit Suisse ist eine integrierte Bank mit zwei globalen Divisionen – Private Banking & Wealth Management sowie Investment Banking. Der Bereich Asset Management, ein Teil von PBWM, ist in Deutschland seit über 25 Jahren präsent und betreut institutionelle Portfolios und Publikumsfonds für ein breites Spektrum von privaten und institutionellen Anlegern sowie professionellen Vermögensberatern. Die Produktpalette umfaßt die Segmente Alternative Investments, Multi Asset Class Solutions, Fixed Income, Themenaktienfonds und Real Estate.

Literatur:
Fama, E. F./French, K. R. (1993): Common Risk Factors in the Returns on Stocks and Bonds. In: Journal of Financial Economics, (33), 3–56.
Fuertes, A. M./Miffre, J./Rallis, G. (2010): Tactical allocation in commodity futures markets: Combining momentum and term structure signals. In: Journal of Banking & Finance, 34 (10), 2530–2548.
Giesecke, K./Longstaff, F. A./Schaefer, S.M./Strebulaev, I. A. (2011): Corporate Bond Default Risk: A 150-Year Perspective. In: Journal of Financial Economics, 102 (2), 233–250.
Menkhoff, I./Sarno, L./Schmeling, M./Schrimp, A. (2012): Carry Trades and Global Foreign Exchange Volatility. In: Journal of Finance, 67 (2), 681–718.
Meucci, A. (2010): Managing Diversification. In: Bloomberg Education & Quantitative Research and Education Paper Series.
Kann abgerufen werden unter: ssrn.com/abstract=1358533
Peetz, D./Schmitt, D./Akdogan, O. (2014): Systematic Return Strategies – A Primer. Kann abgerufen werden unter: www.credit-suisse.com/media/am/docs/ch/multi-asset-class-solutions/systematic-return-strategies-brochure.pdf