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Gastbeitrag: Blick auf den Klimagipfel COP27 – Die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wächst

Die Weltwirtschaft ächzt unter der Last ständig neuer, sich gegenseitig verstärkender Angebotsschocks. Hielt die Erholung von der pandemiebedingten Rezession in den meisten Ländern zunächst noch an, bewirkte der russische Einmarsch in die Ukraine zu Beginn dieses Jahres neue Schocks am weltweiten Energiemarkt, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität in den einzelnen Regionen. Diese schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen dürften voraussichtlich die Verhandlungen und Ergebnisse der jetzigen 27. Weltklimakonferenz (COP27) erschweren.

Silvia Dall'Angelo

Während man weltweit mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Energiepreise ringt, ist der Klimawandel auf der globalen Agenda in der Prioritätenliste nach unten gerutscht. Insbesondere in Europa, wo man in der Regel eine sehr ambitionierte Klimapolitik verfolgt, haben Regierungen ihre Zusagen in Anbetracht einer beispiellosen Energiekrise in diesem Winter auf sehr kurze Sicht aufgeweicht. Angesichts des kurzfristigen Drucks, über den Winter zu kommen, wird ein Gerangel um Bestände entstehen und die anvisierte Klimaneutralität in den Hintergrund rücken. Allgemein scheinen die bestehenden multilateralen Strukturen stärkeren geopolitischen Spannungen und einer zunehmend fragmentierten Weltordnung nicht standhalten zu können. Diese Tatsache könnte die Bemühungen um das Klima längerfristig beeinträchtigen – die Bekämpfung des Klimawandels bedarf eines global abgestimmten Vorgehens, um tatsächlich Wirkung zu zeigen.

Große Hürde: Die Problematik des gerechten Wandels
Vor diesem Hintergrund dürfte bei der diesjährigen Weltklimakonferenz insgesamt versucht werden, die Perspektive der Schwellenländer und hierbei wohl vor allem die Aspekte Anpassung und Finanzierung in den Fokus zu rücken. Gerade Letztere ist ein Streitthema, das die Kluft zwischen den Industrie- und den Schwellenländern vergrößern könnte.

Der Anteil der Entwicklungsländer an den CO2-Emissionen seit der Industriellen Revolution ist gering. Dennoch haben sie ihre Entwicklungsziele noch nicht erreicht, denen sie bei Erwägungen im Hinblick auf die Kohlenstoffintensität berechtigterweise Priorität einräumen. Gleichzeitig sind sie stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen. Häufigere und extremere Wetterereignisse haben Menschenleben, Gesundheit und Lebensgrundlagen in mehreren Entwicklungsländern bereits erheblich beeinträchtigt.

Die Pandemie und die Energiekrise haben vor allem in entwickelten Volkswirtschaften höhere öffentliche Ausgaben bedingt, während der finanzpolitische Spielraum in den meisten Schwellenländern nun eher beschränkt zu sein scheint. Zurückzuführen ist dies ist auf die während der Coronavirus-Krise aufgenommenen Schulden und die aufgrund einer allgemeinen geldpolitischen Straffung und eines stärkeren US-Dollars jüngst angespannte Finanzlage weltweit. Dies wird neben ihrer Fähigkeit zur Anpassung erhebliche Auswirkungen auf das Leapfrogging-Potenzial der Schwellenländer haben, denn um ihre Entwicklung weniger kohlenstoffintensiv gestalten zu können, sind Investitionen nötig.

Dürftige Transparenz: Klimaziele treten plötzlich in den Hintergrund
Im vergangenen Jahr und vor allem seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben Industrieländer große Summen in den Schutz ihrer Privathaushalte und Unternehmen vor höheren Energiekosten gesteckt, doch haben sie dabei erneut ihr Ziel verfehlt, den Entwicklungsländern jährlich 100 Mrd. Euro für die Bekämpfung des Klimawandels bereitzustellen. Das Vorhaben wurde angesichts gegenseitiger Anschuldigungen nun auf 2023 verschoben und macht den Mangel an Transparenz deutlich, der im Hinblick auf die Erfüllung von Versprechen und Fragen der Governance herrscht.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung und der Anfälligkeit von Schwellenländern gegenüber dem Klimawandel dürfte auch das Thema der Verluste und Schäden erneut in den Fokus rücken. Forderungen nach einer Finanzierungsfazilität dürften sich jedoch als kontrovers erweisen. Die COP27 könnte den Grundstein für einen Wandel von pauschalen Finanzierungsversprechen hin zu einer Reihe länderspezifischer Pläne legen, die möglichst (beiderseitig) verstärkte Verantwortlichkeit und somit auch eine effektivere Umsetzung vorsehen. Im Vorfeld des Gipfels scheint es jedoch an der entsprechenden Dynamik zu fehlen.

Insgesamt lassen die aktuellen Rahmenbedingungen für die Klimakonferenz nicht auf wesentliche Fortschritte hoffen. Da hilft es auch nicht, dass die erste „globale Bestandsaufnahme“ zur Bewertung des Fortschritts im Hinblick auf die im Pariser Klimaabkommen beschlossen Ziele im kommenden Jahr stattfinden wird. Die COP27 könnte lediglich als Nebenveranstaltung unter extrem schwierigen Bedingungen betrachtet werden.

Abb. 1: Globale jährliche CO2-Emissionen erreichten 2021 ein neues Rekordhoch


Quelle: IEA, März 2022

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*) Silvia Dall'Angelo, Senior Economist, Federated Hermes Limited