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Gastbeitrag: Die Entwicklung des Euro ist bei der Aktienauswahl nicht entscheidend

In den vergangenen 12 Monaten hat der Euro gegenüber dem US-Dollar über 20% seines Werts verloren. Aber auch gegenüber dem britischen Pfund oder Schwellenlandwährungen geriet die europäische Einheitswährung unter Druck. Die Frage, die sich für Comgest bei der Auswahl langfristiger, werthaltiger Qualitätswachstumstitel stellt, ist folgende: Was bedeutet ein schwächerer Euro für die Zusammenstellung des Portfolios?

Franz Weis

Kurzfristige Schwankungen von 20% zwischen Euro und Dollar sind zunächst einmal nichts Ungewöhnliches. Die Währungsmärkte sind naturgemäß unbeständig: Ähnliche Fluktuationen haben wir immer wieder an den Devisenmärkten erlebt, so beispielsweise im Frühstadium der Finanzkrise 2008, während der Eurokrise 2010 sowie während der europäischen Rezession im Jahre 2012. Allerdings hat die Schwäche des Euro den Wechselkurs im Laufe der letzten zehn Jahre auf ein nahezu historisch niedriges Niveau gedrückt. Daraus ergibt sich die Frage: Welche Konsequenzen könnte ein schwächerer Euro für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der in unserem Portfolio gehaltenen europäischen Aktiengesellschaften haben? Oder allgemein formuliert: Haben Wechselkursschwankungen einen langfristigen und nachhaltigen Einfluss auf Kapitalrenditen und/oder Unternehmenswachstum?

Manche Volkswirtschaften, darunter Deutschland, Japan oder die Schweiz, haben ihre Führungsposition in der verarbeitenden Industrie – etwa im Bereich Automobil oder in der Uhrenmanufaktur – trotz jahrzehntelanger Währungsaufwertung in den letzten fünf Jahrzehnten erfolgreich verteidigt oder gar ausgebaut. In anderen Staaten hingegen, wie dem Vereinigten Königreich, Italien, Frankreich oder auch den USA, verloren die verarbeitende Industrie und verwandte Branchen im gleichen Zeitraum trotz einer Abwertung ihrer Währungen allmählich an Bedeutung. Insofern ist nicht automatisch davon auszugehen, dass eine Währungsaufwertung allein die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen kann.

Eine Frage der Qualität
Wir bei Comgest sind davon überzeugt, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens in erster Linie von der Qualität der hergestellten Produkte abhängt. Anders ausgedrückt: Ein auf lange Sicht wettbewerbsfähiges Unternehmen besitzt üblicherweise eine Preissetzungsmacht. Dabei kann die langfristige Wettbewerbsfähigkeit eine Folge von Unternehmensgröße, Skaleneffekten, technologischer oder Innovationsführerschaft oder auch Markenstärke sein.

Auf Länderebene sind weiche und harte Infrastrukturen die bestimmenden Faktoren. Bei ersteren spielt die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften eine wichtige Rolle und diese verändert sich erfahrungsgemäß aufgrund von kurzfristigen Wechselkursschwankungen nur selten. Dies wird am Beispiel der Schweizer Uhrenindustrie – insbesondere der mechanischen Uhrenmanufaktur, nicht der elektronischen oder Quartzuhren-Herstellung – sowie des damit verbundenen „Swiss Made“-Labels deutlich. Trotz des unaufhaltsamen Höhenflugs des Schweizer Franken gegenüber allen großen Währungen haben die Produkte der Schweizer Uhrenhersteller wie die Swiss Swatch Group, die Firma Richemont sowie Rolex seit Jahrzehnten nicht an Attraktivität eingebüßt. Im Gegenteil: Sie gehören weiterhin zu den Top Ten der globalen Luxusmarken. Dank der Beständigkeit, dem Traditionsreichtum, der Verlässlichkeit sowie der Langlebigkeit von „Swiss-Made“-Uhren konnten diese Marken ihre Position im Luxussegment halten. Hoch spezialisierte Handwerker haben dieses Markenimage erschaffen, das nach wie vor für stabile Anlagerenditen im Segment Schweizer Luxusuhren sorgt. Diese innere Stärke dieser Marken nahm durch die Aufwertung des Schweizer Franken keinen Schaden.

Ließe man diese langfristige Perspektive außer Acht, könnte man zu dem Schluss kommen, Richemont habe ein Währungsproblem. Die Hauptproduktionsstätte des Unternehmens liegt in der Schweiz. Schätzungen von Comgest zufolge fällt etwa ein Viertel der Kostenbasis von Richemont in Schweizer Franken an, sodass sich das Unternehmen erheblichen Wechselkursrisiken ausgesetzt sieht. Allerdings wird die Wettbewerbsfähigkeit von Richemont maßgeblich durch sein „Swiss Made“-Label gestärkt, aber auch durch die weiteren bekannten Marken im Firmenportfolio, darunter Piaget, Vacheron, Jaeger-LeCoultre, IWC oder Baume & Mercier. Dank seiner starken Marken ist es Richemont gelungen, die Preise nach der am Jahresanfang erfolgten fünfzehnprozentigen Aufwertung des Franken, eine Konsequenz der durch die Schweizer Zentralbank vorgenommenen Euro-Franken-Entkopplung, zu erhöhen. Luxusgüter verfügen über eine positive Preiselastizität, sodass eine Preiserhöhung nicht nur durchsetzbar ist, sondern sich oft auch positiv auf den Umsatz auswirkt. Der höhere Preis macht die Produkte begehrlicher, was die Nachfrage zusätzlich beflügelt.

Lediglich auf kurze Sicht Konsequenzen
Zwar sind kurzfristige, Trend verzerrende Einbrüche möglich, wie etwa durch die Mehrwertsteuererhöhung in Japan im April 2014, jedoch schaffen diese für die Industrie eher zeitliche als strukturelle Probleme. Hingegen scheint die Soft Luxury-Branche, die durch Mischkonzerne wie LVMH oder kleinere Player wie Prada, Burberry und Hugo Boss gekennzeichnet ist, für Wechselkurstrends anfälliger zu sein als der von Schweizer Uhrmachern dominierte Hard Luxury-Markt. Das neue Währungsgefälle zwischen Europa und Festlandchina scheint zwar einige Preissenkungen im Soft Luxury-Segment ausgelöst zu haben, allerdings stellen diese hinsichtlich der längerfristigen Preisgestaltung in diesem Markt eher die Ausnahme als die Regel dar.

Bekannterweise hält Frankreich einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am globalen Markt für Luxusgüter. Hermès, der Rolls-Royce unter den Luxusmarken, produziert überwiegend im Euroraum. Das Unternehmen verarbeitet knappe Rohstoffe und legt größten Wert auf ausgezeichnete handwerkliche Verarbeitung. Die Folge ist eine lange Warteliste für seine Produkte, was die Preissetzungsmacht von Hermès noch weiter stärkt. Der Einfluss der Wechselkurse könnte sich 2015 sowohl auf Transaktions- als auch auf Transaktionsbasis zum Positiven wenden, mit einer zum Teil sicherungsbedingten Verzögerung bis ins Folgejahr. Aber ist dies für uns bereits Grund genug, in Hermès zu investieren? Mit Sicherheit nicht!

Entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens ist auf lange Sicht seine Wettbewerbssituation. Ein Weltmarktführer, der sich in seiner Nische eingerichtet hat und über außergewöhnliches Expertenwissen verfügt, kann nicht so schnell von seinem Platz verdrängt werden, da die Eintrittsbarrieren für eventuelle Wettbewerber sehr hoch sind. Oft verfügen solche Unternehmen zudem über sehr solide Bilanzrelationen, die ihren Status zusätzlich absichern. Deswegen ist es für den dauerhaften Erfolg eines Unternehmens entscheidend, die Wettbewerbssituation en Detail zu analysieren, da diese Kennziffern für die langfristigen Aussichten des Unternehmens wichtiger sind als das Studium makroökonomischer Kennziffern.

Beenden wir diese Kurzanalyse des Luxusgütermarktes mit einem Blick auf ein Phänomen, das uns allen bekannt ist: die Schnäppchenjagd zum Ende der Saison, wenn Niedrigpreise locken. Jedoch nicht überall: Wer sich vornimmt, eine Hermès-Krawatte oder eine Rolex zum Schnäppchenpreis zu finden, könnte enttäuscht werden. Wer sich dennoch bemüßigt fühlt, auf die Jagd zu gehen, kann sich an fliegende Händler auf den Straßen Roms oder Pisas wenden. Sollten Sie allerdings beim Preis Abstriche machen wollen, werden Sie es bereuen – vor allem dann, wenn die Handtasche als Geschenk gedacht war. Das gilt auch für die Aktienwahl. Dementsprechend legen wir bei Comgest den Fokus auf Qualität statt auf den Preis.

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*) Franz Weis ist Teamleiter Europa bei <link http: www.institutional-investment.de am-guide external-link-new-window external link in new>Comgest.