Foundation | Welcome

Menu


Gastbeitrag: Ein neuer Ansatz für Rentenanlagen

Anleger in Rentenwerten müssen heute in einem völlig neuen Umfeld agieren, was tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Weise hat, wie Renten- und vor allem Credit-Portfolios verwaltet werden.

Margot Mittler

Tobias Ripka

Die von niedrigen Zinsen und geringen Renditen geprägten Marktbedingungen der letzten Jahre sind inzwischen einem völlig neuen Umfeld für Rentenwerte gewichen. Wer im Jahr 2020 in Staatsanleihen investierte, hatte eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, eine negative Rendite zu erhalten. Selbst in Sektoren mit höheren Erträgen standen die Gesamtrenditen unter Druck. Blicken wir nun auf das Jahr 2023, so profitieren Anleihen von höheren Zinsen und, im Falle von Credit-Werten, von attraktiven Spread-Niveaus.

Im vergangenen Jahr haben die Zentralbanken ihre Geldpolitik drastisch geändert, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Mit Blick auf die Zukunft nehmen wir an, dass dieses neue, von höherer Inflation, erhöhter Volatilität und einer restriktiveren Geldpolitik geprägte Umfeld intakt bleiben wird.

Diese neuen Rahmenbedingungen eröffnen langfristig orientierten Rentenanlegern interessante Anlagechancen. Das gilt insbesondere für den Credit-Bereich – sofern sie sich dort erfolgreich zurechtfinden, denn im Vergleich zu den letzten zehn Jahren ist dies nun unbekanntes Terrain.

Was Rentenanleger nun beachten müssen
Das neue makroökonomische Umfeld wird eine Reihe neuer Merkmale mit sich bringen. Diese werden jeweils die Art und Weise beeinflussen, wie wir Anleihen beurteilen. Unser Makroteam erwartet eine höhere und volatilere Inflation, eine größere Zinsvolatilität, eine restriktivere Geldpolitik, eine stärkere Streuung, insbesondere bei Credit-Werten, und weitere Phasen positiver Korrelation zwischen Anleihen und Aktien. Das bedeutet eine Vielzahl von Chancen – aber auch Risiken – die es zu bewältigen gilt.

Zwar wurden nicht alle Regeln über den Haufen geworfen, dennoch sind wir der Meinung, dass neue Sichtweisen erforderlich sein werden, um mit Anlagen in Rentenwerten Erfolg zu haben.

1.       Die Rolle von Anleihen muss grundlegend überdacht werden. Eine volatilere Inflation ist eine Herausforderung für statische oder passive Rentenanlagen. Dynamischere und stärker diversifizierte Allokationen könnten sich daher anbieten. Wenn Anleger das gesamte Spektrum an festverzinslichen Wertpapieren in Betracht ziehen, von Staatsanleihen über das Kreditrisikospektrum bis hin zu Nischenstrategien, haben sie eine bessere Chance, sich die für Anleihen wichtigen Eigenschaften zu sichern, beispielsweise Liquidität, Rendite und mit Aktien unkorrelierte Erträge.

2.       Volatilität kann potenziell von Vorteil sein. Angesichts der Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Volatilität und Streuung sind wir der Meinung, dass ein aktiver Ansatz erfolgreicher sein sollte. Rentenwerte sind zyklischer als häufig angenommen wird. Konkret hat der Wegfall der Unterstützung durch die Zentralbanken uns in unserer Überzeugung bestärkt, dass es sich bei Credit-Werten um eine zyklische Anlageklasse handelt und es entscheidend ist, in einem sich schnell verändernden Umfeld flexibel zu bleiben. Wir gehen davon aus, dass sich individuelle Credit-Anlagen im kommenden Zyklus sehr unterschiedlich entwickeln werden.

3.       Es müssen verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden. Im neuen Umfeld wird Erfolg stark davon abhängen, ob es einem Anleger gelingt, relevante Informationen zu identifizieren. Das wird wahrscheinlicher, wenn man Zugang zu verschiedenen Perspektiven – aus unterschiedlichen Regionen, Fachgebieten und Blickwinkeln – hat. Man darf nicht vergessen, dass die Emittenten von Anleihen auch auf Eigenkapitalfinanzierung über die öffentlichen oder privaten Märkte angewiesen sind. Als Verwalter von sowohl Aktien- als auch Rentenportfolios sind wir der Ansicht, dass ein Anlageverwalter mit Zugang zu Informationen von beiden Seiten der Kapitalstruktur gegebenenfalls fundiertere Anlageentscheidungen treffen kann. Außerdem sind wir der Meinung, dass ESG-Faktoren erheblichen Einfluss auf die langfristige Performance haben können, insbesondere da die Unterschiede zwischen den Emittenten mit Investment-Grade-Rating zunehmen.

4.       Die Liquidität muss genau beobachtet werden. Die jüngsten Ereignisse im Vereinigten Königreich haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist sicherzustellen, dass die Liquiditätsprofile von Rentenportfolios auch für eine volatilere Marktlage geeignet sind.

Ausblick auf den weiteren Jahresverlauf
Das laufende Jahr wird für die Rentenmärkte interessant werden. Wir rechnen nicht mit einer tiefen Rezession, glauben aber auch nicht, dass die Zentralbanken die Inflation bereits erfolgreich unter Kontrolle gebracht haben. Uns steht daher wahrscheinlich eine längere, aber flachere Rezession bevor und die Anleiherenditen könnten erhöht bleiben – vielleicht länger, als der Markt aktuell annimmt. Dementsprechend könnten Unternehmensanleihen robuste Renditen liefern, während die Unternehmen ihre Verbindlichkeiten in einem schwächeren, aber nicht katastrophalen wirtschaftlichen Umfeld abbauen. Wenn überraschende Zinsveränderungen den Markt auf dem falschen Fuß erwischen, könnte sich weitere Volatilität einstellen, was wiederum aktiven Fondsmanagern Möglichkeiten für eine Outperformance eröffnen würde.

Unserer Meinung nach eignet sich ein aktiver Ansatz für das derzeitige Umfeld besonders gut. Eine größere Streuung, eine höhere Zinsvolatilität, eine stärkere Differenzierung zwischen den Ländern – all dies eröffnet hochinteressante Chancen für aktive Rentenanleger. Unserer Ansicht nach machen umfassende Research-Ressourcen und der Zugang zu einem breiten Spezialisierungsspektrum für eine große Bandbreite von Regionen und Sektoren eine Outperformance jedoch sehr viel wahrscheinlicher.

---
*) Margot Mittler, Relationship Manager, und Tobias Ripka, Investment Director, bei Wellington Management