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Gastbeitrag: Keine Angst vor BB – quantitatives Frühwarnsystem für Bonds-Anleger

Da sich im europäischen Investment-Grade-Bereich keine auskömmlichen Renditen mehr erzielen lassen, müssen Bond-Anleger in den Bereich BB oder schlechter ausweichen. Weil in diesem Segment das Ausfallrisiko deutlich höher ist, braucht es wiederum effiziente Tools zur Risikoeinschätzung und Frühwarnung.

Lars Hunsche

Ohne Frage sind Anleihen dank der immer weiter sinkenden Zinsen in den letzten Jahren sehr gut gelaufen. Inzwischen sind allerdings viele Investoren besorgt über die weitere Entwicklung, zumal, wenn sie aus Diversifikationsgründen oder aufgrund bestehender Anlagerichtlinien weiter in dieses Segment investieren müssen. Da Investment-Grade-Anleihen nur noch minimale oder sogar schon negative Renditen ausweisen, muss ein Investor zwangsläufig in den Non-Investment-Grade-Bereich ausweichen, oder aber in Ländern investieren, die ein höheres Zinsniveau haben, wie etwa die USA. Zweifellos kommt hier einem effizienten Risikomanagement zunehmend eine große Bedeutung zu.

„Es gibt keinen risikolosen Zins mehr, nur noch zinsloses Risiko.“ Diese Aussage haben Investoren in jüngster Zeit sehr oft gehört. Das ist jedoch nur bedingt der Fall. Es gibt durchaus sehr interessante Opportunitäten in den Rating-Kategorien BB oder auch B. im Segment CCC ist das ebenfalls der Fall, jedoch schließt ein Portfoliomanager damit bestimmte Investorengruppen wie Pensionskassen oder andere aus.

Zwingend notwendig für eine gute Performance ist in diesem Segment die Vermeidung von Ausfällen. Ratings können da nur bedingt Abhilfe schaffen, da diese durch den Zyklus kalibriert werden und per Definition langfristig sind. In der Praxis haben sich marktdatenbasierte Modelle bewährt. Dabei ist es wichtig, dass die Modellparameter in allen Phasen des Kreditzykluses eine hohe Vorhersagekraft haben. Marktführer in diesem Bereich ist Moody’s Analytics, die das Modell CreditEdge® anbieten, was im Kern schon seit 1989 verfügbar ist und ursprünglich von der Firma KMV in San Francisco entwickelt wurde. KMV wurde 2002 von Moody’s übernommen. Das Modell bewertet 34.000 Unternehmen täglich und hat viele Ausfälle wie Enron, Worldcom, Global Crossing, Philipp Holzmann oder Lehman Brothers frühzeitig angezeigt.

Mit Hilfe solch eines Modells kann man Verluste auch in Phasen extremer Shocks begrenzen. Als Beispiel sei hier der Öl- und Gas-Sektor in den USA genannt. Von 2015 bis 2017 sind aus einem Universum von 723 Bonds, die mehr oder weniger stark durch den erheblichen Rückgang des Ölpreises beeinflusst wurden, 123 ausgefallen. Hätte man mit CreditEdge® in 2015 die 70 besten (weil risikoärmsten) Bonds selektiert, wären nicht nur alle Ausfälle vermieden worden, sondern auch noch Kursgewinne in Höhe von 134 Basispunkten erzielt worden.

Effizientere Selektion: Während im Investment-Grade-Bereich der Zins eine große Rolle spielt, ist es im Non-Investment-Grade-Bereich der Credit Spread. Dieser sollte das Risiko der Anlage stets widerspiegeln. Das ist aber in der Praxis sehr oft nicht der Fall. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass es sowohl positive als auch negative Abweichungen gibt. Die Frage ist, wie sich das in der Titelselektion effizient umsetzen lässt. Dafür bedarf es zunächst eines Vergleichsmaßstabs wie etwa den Fair-Value-Spread (FVS). Da Bond-Märkte nicht genügend Liquidität aufweisen, kann man allerdings Signale nicht direkt aus Bond-Spreads ablesen. Man kann den Bond-Spread aber in erklärbare Komponenten zerlegen: Ausfallrisiko, Recovery (beeinflusst durch Besicherung bzw. Seniorität), Größe der Firma, Risikoloser Zins und Risikoaversion des Marktes (Sharpe Ratio).

Letztere Komponente hat einen enormen Einfluss auf Credit Spreads. So war zum Beispiel im Dezember 2008 der beste Zeitpunkt, um in Bonds zu investieren, da die Market-Sharpe-Ratio ein Allzeithoch verzeichnete. Hat man diesen Wert nun zur Verfügung, kann man auf Bond-Ebene schnell den offerierten Spread mit dem Markt-Spread vergleichen. Das ermöglicht auch die schnelle Identifikation von alternativen Bonds aus dem gleichen Sektor, aber auch auf Emittentenebene. Es kommt häufig vor, dass Bonds des gleichen Emittenten mit verschiedenen Durationen unterschiedlich attraktiv sind.

Performance wird nun auf zwei Ebenen generiert: Zum einen können Ausfälle sowie auch Spread-Ausweitungen vermieden werden. Zum anderen lassen sich Titel selektieren, die einen Excess-Spread oder auch Alpha gegenüber ihrem Fair-Value-Spread offerieren. Empirische Tests zeigen, dass diese Bonds in Krisenzeiten weniger stark im Risiko steigen.

Disziplin steigert Performance: Die Natur der Fixed-Income-Investments ist asymmetrisch. Da die Downside die Upside signifikant übersteigt, kann man es sich erlauben, Verluste sehr früh zu begrenzen. Die entgangene Kurserholung ist immer kleiner als die weitere Verschlechterung. Tests zeigen, dass es zum Teil reicht, in nur 30% der Fälle richtig gehandelt zu haben. In der Praxis sollte man ein maximales Risiko festlegen und dann ohne Zögern verkaufen, wenn dieses Level erreicht wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist Quiksilver: Das Ein-Jahres-Ausfallrisiko von Quiksilver stieg im Mai 2014 über die Marke von 2,0%. Am 9. September 2015 hat Quiksilver Chapter 11 angemeldet. Die Bond-Spreads haben sich von Mai 2014 bis September 2014 vervierfacht. Ein konsequentes Reagieren auf die angestiegenen Risikoparameter hätte hier also zu einer deutlichen Verlustvermeidung bzw. -begrenzung geführt.

Es genügt jedoch nicht, Modelle automatisch einzusetzen. Es gibt viele Dimensionen, die eine kleine, aber Performance erhöhende Rolle spielen. So ist eine Diversifikation nach Ländern bzw. Branchen sehr wichtig, wobei die empirische Erfahrung zeigt, dass die Diversifikation nach Ländern immer größer ist als diejenige nach Branchen. Unter dem Strich sind im Sub-Investment-Grade-Bereich somit durchaus sehr erfolgreiche Investments möglich. Verlässt man sich indes nur auf Ratings oder Fundamentalanalyse, ist es höchst unwahrscheinlich, alle Ausfälle vermeiden zu können.

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*) Lars Hunsche ist Partner der AHP Capital Management GmbH in Frankfurt. Zuvor war der Diplom-Kaufmann und Master of Business Administration bei KMV in San Francisco und London tätig, dem seinerzeit weltweit führenden Unternehmen für Kreditrisiko-Modellierungen, und anschließend als Geschäftsführer von Moody‘s Analytics in Frankfurt. Er referierte zum Thema des Artikels im Rahmen des 147. Hedgework am 4. Juli 2017 in Frankfurt/Main. AHP Capital Management ist ein lizenzierter Finanzdienstleister mit Sitz in Frankfurt am Main, der sich auf besicherte Anleihen und Fondskonzepte spezialisiert hat.