Investitionen mit langfristigem Zeithorizont sind in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Investoren gerückt. Im Private Equity-Bereich ist dies zum Beispiel daran abzulesen, dass sogenannte Continuation Funds kräftig gewachsen sind. Allein im ersten Halbjahr des Jahres 2024 sind der Investmentbank Jefferies zufolge 90% des Volumens der von GPs angeführten Transaktionen auf Continuation Funds entfallen. Dies zeigt, dass viele GPs im Interesse ihrer Anleger darauf aus waren, hochwertige Vermögenswerte über einen längeren Zeitraum zu halten und dabei abwarten zu können, bis die Bewertungen wieder ein Niveau erreicht haben, das der Qualität der Vermögenswerte entspricht.
Ein weiteres Beispiel für längere Investmenthorizonte sehen wir bei europäischen Buyout-Fonds, wo sich die Haltedauer seit 2010 auf einen Jahresdurchschnitt von mehr als fünf Jahren verlängert hat, während sie in den zehn Jahren davor bei etwa drei bis vier Jahren lag.
Langfristige Investitionen im Trend
Einige der branchenführenden Anbieter machen diese neue Langfristigkeit zum Kern ihrer Strategien. Der zweite Core Private Equity Fund von Blackstone hat beispielsweise rund 8,2 Mrd. US-Dollar mit einer Strategie eingesammelt, die explizit auf lange Haltedauern aus ist. Der Anlagehorizont ist mit 20 Jahren veranschlagt.
Bemerkenswert an diesen Beispielen ist, dass die Branche eine Transformation zu einer höheren Orientierung an langfristigen Renditen durchlebt, diese Transformation aber oft in Vehikeln stattfindet, die darauf gar nicht ausgelegt sind.
Für Industrieholdings ist eine langfristige Anlagestrategie hingegen seit jeher Kern des Geschäftsmodells. Im Fokus stehen oft Mehrheitsbeteiligungen, in vielen Fällen an kleinen und mittelgroßen Unternehmen, wobei der strategische Schwerpunkt auf der Wertschaffung in den Unternehmen liegt. Dies wird durch traditionelle Ansätze wie die Implementierung operativer Verbesserungen (Steigerung des Umsatzwachstums und Margenausweitung), Buy-and-Build-Strategien und den umsichtigen Einsatz von Fremdkapital erreicht. Wir halten es hierbei auch für sinnvoll, die Dimensionen Nachhaltigkeit und Digitalisierung strategisch mit einzubeziehen, doch dies ist nicht entscheidend für die generelle Argumentation.
Im Gegensatz zu traditionellen Private-Equity-Drawdown-Fonds (PEDF), bei denen der schnelle Exit im Vordergrund steht, konzentriert sich eine Industrieholding auf eine nachhaltige Entwicklung und starke freie Cashflows in den Unternehmen. Die unbefristete Struktur ermöglicht kontinuierliche Kapitalzuflüsse und die Reinvestition von Erlösen aus dem Verkauf von Vermögenswerten. Beides kann dabei helfen, konstantere Renditen für die Investoren abzuliefern.
Die Vorteile einer Industrieholding
Im Gegensatz zu traditionellen PEDFs, bei denen das zugesagte Kapital oft ungenutzt bleibt, bis es abgerufen wird, bedeutet eine Investition in eine Industrieholding eine unmittelbare Allokation des Kapitals in ein bestehendes Portfolio und damit ein Engagement in Vermögenswerte, deren Qualität vor der Anlageentscheidung durch den Investor genau analysiert werden kann. Außerdem kommt das investierte Kapital direkt dort zum Einsatz, wo Maßnahmen der Renditesteigerung bereits in der Konzeption oder Umsetzung sind, was im Laufe der Zeit zu höheren Gesamtmultiplikatoren auf das investierte Kapital (Multiple On Invested Capital, MOIC) führt.
Vor allem durch die Tatsache, dass ein Investment ein bestehendes Portfolio erfolgt, entstehen langfristig erhebliche Vorteile in der Wertentwicklung des Kapitals. Das lässt sich an einer Beispielrechnung nachvollziehen (siehe folgende Abbildung). Nehmen wir an, ein PEDF schafft es, 20% der erhaltenen Kapitalzusagen pro Jahr zu investieren, während die Industrieholding von Beginn an zu 85% investiert ist. Nehmen wir ferne an, beiden Vehikeln gelingt es, eine Rendite von 15% p.a. auf jeden in ein Portfoliounternehmen investierten Euro zu erwirtschaften, und auf die gehaltenen liquiden Mittel 5% durch Investments in Anleihen oder Cash-Äquivalente zu erhalten.
In dieser Rechnung werden aus 100 Euro investiertem Kapital in einem traditionellen PEDF nach 10 Jahren 244 Euro. Eine Industrieholding kann durch ihre strukturellen Vorteile hingegen das bereitgestellte Kapital von 100 Euro auf 355 Euro steigern. Selbst wenn die Industrieholding eine Dividende in Höhe von 5% des Werts ihrer Beteiligungen pro Jahr ausschüttet, liegt der Endbetrag mit 316 Euro noch immer deutlich über der Wertentwicklung des PEDF.
Daraus lässt sich noch eine andere wichtige Erkenntnis ableiten: Um ein MOIC von 3,0x über 10 Jahre zu erreichen, müsste ein traditioneller Private-Equity-Fonds eine wesentlich höhere Rendite auf das in Beteiligungen investierte Kapital in Höhe von rund 20 erwirtschaften. Indes kann ein Industrie-Holding-Vehikel das gleiche MOIC mit einer Rendite auf das investierte Kapital von nur 13% erreichen.
Bei dieser Beispielrechnung ist zu beachten, dass die Haltedauer bei einer Industrieholding nicht auf eine bestimmte Laufzeit limitiert ist. Der Vorteil kann sich also durchaus auch über noch deutlich längere Zeiträume materialisieren – und dabei der Höhe nach noch an Bedeutung gewinnen.
Ein weiterer Grund, warum die Evergreen-Struktur einer Industrieholding gut zu langfristigen Anlagestrategien passt, ist die Freiheit des Managements von unnötigem Zeitdruck. Ohne ein festes Enddatum können die Manager einen geduldigen, wertorientierten Ansatz bei der Steuerung der Beteiligungen verfolgen, der durchdachte Entscheidungen begünstigt und das Potenzial der langfristigen Wertsteigerung noch erhöht.
Außerdem können sich die Manager einer Industrieholding fokussierter ihrer Kernaufgabe – der Identifikation, Akquisition und Steuerung von Beteiligungen – widmen anstatt immer wieder kraftraubende Fundraising-Zyklen durchlaufen zu müssen. Denn eine Industrieholding kann, im Falle einer Aktiengesellschaft zum Beispiel durch Kapitalerhöhungen aus dem genehmigten Kapital unter Bezugsrechtsausschluss, immer wieder Kapital aufnehmen.
Bedenken von Investoren sind leicht auszuräumen
Durch diesen gut justierbaren Kapitalzufluss wird es möglich, der Herausforderung zu begegnen, die Investoren bei vielen Private Equity-Managern sehen: eine Fundraising-Pipeline aufzubauen, die mit der Deal-Pipeline im Einklang ist. Einerseits müssen ausreichend liquide Mittel vorhanden sein, um attraktive Opportunitäten am Markt nutzen zu können. Andererseits muss die Versorgung mit Akquisitionsmöglichkeiten sichergestellt sein, damit investiertes Kapital nicht ungenutzt bleibt. Denn nur dann wird sichergestellt, dass die Vorteile des Industrieholding-Modells – höhere Renditen durch die Wirkung des Zinseszins-Effekts – gut zur Geltung kommen.
Zu den häufig genannten Bedenken von Investoren zählt außerdem, dass der mangelnde Exitdruck durch die theoretisch unbegrenzte Haltedauer dazu führen kann, dass Verkäufe nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt würden. Ob der Fokus auf eher langfristige – und dafür kontinuierlichere – Wertsteigerungen ein Vorteil oder ein Nachteil ist, liegt sicherlich im Auge des einzelnen Investors. Unzweifelhaft ist aber, dass eine Industrieholding bei entsprechender Strukturierung der Governance und der Anreizstrukturen sehr klar darauf ausgerichtet ist, langfristig hohe Renditen für die Eigentümer abzuliefern, und dies im Sinne der oben erwähnten Berechnung auch liefern kann. Exits können diese These stützen, sind aber dafür nicht einmal nötig.
Ein ernst zu nehmender Aspekt ist auch die Governance. Eine Evergreen-Struktur kann durchaus dazu führen, dass Investoren den Eindruck mangelnder Kontrolle bekommen, wenn sie nicht auf geeignete Art eingebunden werden. Deswegen ist es wichtig, funktionsfähige Gremien zu schaffen, die den Anforderungen des internationalen Kapitalmarkts standhalten können, und sie mit Top-Personal zu besetzen. Das beinhaltet nicht nur einen Vorstand und einen Aufsichtsrat nebst Ausschüssen, sondern zum Beispiel auch ein leistungsfähiges Investment Committee. Die Strukturen sind zu flankieren mit Prozessen, die klare und strenge Rechenschaftspflichten gegenüber den Anteilseignern sicherstellen und engmaschige Berichtspflichten vorsehen. Nicht zuletzt geht es darum, ein Vergütungssystem zu etablieren, dass den Gleichlauf der Interessen von Management und Anteilseignern sichert – und zwar auf lange Sicht, also im Einklang mit dem Anlagehorizont einer Industrieholding.
Technische Unterschiede sauber erläutern
Es gibt weitere Themenfelder, bei denen Industrieholdings in der Regel anders arbeiten als PEDFs: die Nutzung von Fremdkapital, Bewertungsmethoden und Gebührenstrukturen. Gerade letzteres müssen Industrieholdings ihren Investoren unbedingt transparent erläutern, da eine Holding keine Gebühren für das Management eines Fonds einzeln ausweisen kann, sondern sich die Gebühren aus den Holdingkosten ergeben, die im Jahresabschluss sowie in Quartalsberichten ersichtlich sind. Das Transparenzniveau ist hier aufgrund der Rechnungslegungsvorschriften mindestens ebenbürtig, erfordert jedoch auch mehr Erläuterungen.
Letztlich handelt es sich bei einer Industrieholding unseres Erachtens um ein ökonomisch überlegenes Modell für privates Beteiligungskapital, das jedoch strukturell und prozessual schlicht anders funktioniert als die landläufig gelernten Fondsstrukturen. Der große Vorteil von Holdingstrukturen ist, dass sie Funktionen bieten, die die Hauptprobleme traditioneller Fonds lösen. Vor allem die Tatsache, dass sie das Kapital „an die Arbeit bringen“ und nicht erst lange Anlaufphasen benötigen, macht sie zu einem unschätzbar wichtigen Instrument in modernen Portfolios.
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*) Olivier Weddrien, Vorstand, und Andrès Gevert, Investmentmanager, E3 Holding SE