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Gastbeitrag: Taktische Asset Allocation – über den Einfluss der Marktstimmung

Zu den größten Herausforderungen für Anleger gehört seit jeher die Suche nach Investmentstrategien, die einerseits solide Renditen versprechen, andererseits das Risiko von Kursverlusten beschränken – und zwar in jedem Marktumfeld. Zukunftsorientierte Stimmungsbarometer wie der Market Regime Indicator (MRI) können bei der Auswahl einer geeigneten Strategie helfen.

Wolfgang Hötzendorfer

Im vergangenen Jahrzehnt haben viele Anleger einige schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Eine davon war die Erkenntnis, dass die weit verbreitete Annahme, es gebe eine symbiotische positive Korrelation zwischen Risiko und Rendite, nicht Bestand hat. Die Theorie basiert auf Modellen, die der spätere Nobelpreisträger Harry Markowitz in den 50er Jahren entwickelte, und besagt, dass risikoreichere Anlagen langfristig zu höheren Renditen führen sollten als Anlagen mit geringem Risiko.

Studien der SSgA Investment Solutions Group zeigten jedoch, dass während der vergangenen 33 Jahre seit 1980 besonders volatile Titel am Aktienmarkt keine nachhaltig bessere Rendite aufwiesen als solche mit besonders niedriger Volatilität. Vielmehr war über den Gesamtzeitraum sogar eine negative Korrelation von Rendite und Risiko zu beobachten.


Analyse der Marktstimmung
Die Problematik der von Markowitz entwickelten Erklärungsmodelle besteht darin, dass diese zwar die historische Volatilität heranziehen, jedoch die Markterwartungen bezüglich der künftigen Volatilität unberücksichtigt lassen. Auch mögliche Veränderungen des Marktumfelds werden nicht in die Überlegungen einbezogen. Bei eingehender Analyse verschiedener Marktszenarien wird jedoch deutlich, dass in Krisenzeiten besonders risikoreiche Anlagen überdurchschnittlich stark an Wert verlieren, während sie sich in Zeiten positiver Grundstimmung durch eine außergewöhnlich hohe Performance auszeichnen.

Diese Tatsache ist in erster Linie auf das zyklische Verhalten der Marktteilnehmer zurückzuführen: So investieren Anleger bei zunehmend optimistischer Marktstimmung verstärkt in risikoreichere Titel, stoßen diese aber bei einer Verschlechterung des Markumfelds auch bevorzugt wieder ab. Dabei kann es zu Übertreibungsphasen an den Märkten kommen, was sich in einer Über- oder auch Unterbewertungen von einzelnen Titeln oder Assetklassen manifestiert. Drängen dann noch unzureichend informierte Anleger in den Markt, so dass keine angemessene Neubewertung der Vermögensgegenstände stattfindet, sind eine Blasenbildung oder im anderen Extremfall Panikverkäufe mögliche Konsequenzen. Solch extreme Marktphasen haben nur vorübergehend Bestand und können daher als Indiz für eine bevorstehende Trendumkehr gewertet werden.


Der Market Regime Indicator
Die gegenwärtige Marktstimmung kann somit als Indikator für die erwartete Wertentwicklung verschiedener Assetklassen herangezogen werden. Um diese Erkenntnis für taktische Anlageentscheidungen nutzbar zu machen, hat SSgA einen eigenen Indikator, den so genannten „Market Regime Indicator (MRI)“, entwickelt, der auf Basis von drei verschiedenen, zukunftsorientierten Faktoren ermittelt wird:
1. Implizite Volatilität von Aktienindexoptionen - ein Anstieg deutet auf eine erhöhte Risikoaversion hin
2. Implizite Volatilität von Währungspaaren - ein Anstieg deutet auf eine erhöhte Risikoaversion hin
3. Zinsaufschläge für risikoreichere Anleihen gegenüber risikoarmen Staatsanleihen - ein Anstieg deutet auch hier auf eine erhöhte Risikoaversion hin.

SSgA unterscheidet fünf verschiedene Szenarien innerhalb eines Marktzyklus:
- Krise – Extreme Risikoaversion („Angst“) – in der Regel verbunden mit einer sehr hohen Volatilität
- Hohe Risikoaversion – starke Abneigung Risiken einzugehen
- Normal – Neutrale Marktstimmung
- Geringe Risikoaversion – starke Neigung Risiken einzugehen
- Euphorie – Extreme Risikobereitschaft („Gier“). Ein solches Szenario ist in der Regel von sehr niedriger Volatilität gekennzeichnet.

Um eine Einschätzung treffen zu können, ob die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer in der näheren Zukunft steigen oder sinken wird, zieht der Market Regime Indicator die implizite Marktvolatilität und die Spreads eines möglichst breiten Universums von Anlageklassen heran und vergleicht diese mit den jeweiligen Werten aus der jüngeren Vergangenheit. Diese Methode ist im Vergleich zu den gängigen Volatilitätsindikatoren weitaus aussagekräftiger, da hier zukunftsorientierte Kennzahlen betrachtet werden, und die Datenanalyse auf relativer statt auf absoluter Basis erfolgt.

SSgA hat den Indikator eingehend getestet, um dessen Aussagekraft zu überprüfen. Insgesamt erzielte der Market Regime Indicator weitaus bessere Ergebnisse als eine einfache vergangenheitsbezogene Volatilitätsbetrachtung: So erfasste der Indikator zuverlässig sowohl Marktbewegungen, die durch ein plötzliches Ereignis ausgelöst wurden (11.September 2001, Platzen der Subprime Blase), als auch solche, die ein länger anhaltendes Marktszenario widerspiegeln (Phase der lockeren Geldpolitik in den Jahre 2003-2005).


Fazit
In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden die Limitierungen traditioneller, statischer Portfolioansätze besonders deutlich. Selbst eine vernünftige (aber statische) Diversifizierung in verschiedene Assetklassen bot nur unzureichenden Schutz vor Portfolioverlusten. Der Market Regime Indikator von SSgA ermöglicht es nun, die aktuelle Marktstimmung zu erfassen und kann so dabei helfen, ein Portfolio taktisch optimal im jeweiligen Marktumfeld zu positionieren.

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*) Wolfgang Hötzendorfer ist Geschäftsführer der State Street Global Advisors GmbH. Nach seinem Eintritt bei SSgA im Jahre 1998 war er zunächst als Geschäftsführer und Chief Investment Officer tätig und leitete das Portfolio Management. Seit Oktober 2008 ist Wolfgang Hötzendorfer alleiniger Geschäftsführer und zuständig für die Geschäftsentwicklung in Deutschland und Österreich. Vor seinem Eintritt bei SSgA war er in verschiedenen Positionen im Asset Management bei der Bayerischen Vereinsbank tätig und dort verantwortlich für das Team strategische Eigenhandelsposition sowie für Strukturierte Produkte. Wolfgang Hötzendorfer ist diplomierter Volkswirt (LMU München).