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Gastbeitrag: Zu neuen Ufern am US-Kreditmarkt

Im Zuge der aktuellen Jagd nach guten Renditen verstärken derzeit Investoren weltweit ihr Engagement in US-amerikanische Hochzinsanleihen. Dieser Schritt ist Teil einer Strategie, die Portfoliodiversifikation im gesamten Kreditspektrum zu erhöhen. Unternehmenskredite bestehen zwar bereits seit geraumer Zeit als eigenständige Anlageform, finden aber erst seit kurzer Zeit Beachtung bei Investoren, die einen Schritt weiter gehen wollen. Das gegenwärtige Marktumfeld bietet vielfältige Gründe für das erneute Anlegerinteresse. Damit gibt es zahlreiche Argumente für die Investition am Unternehmenskredite.

Ghislain Périsse

In der Kapitalstruktur einer Kapitalgesellschaft stellen Darlehen die in höchstem Maße besicherten Verbindlichkeiten dar. Unternehmen greifen in erster Linie zu Darlehen, um ihre Weiterentwicklung, ihre Investitionen und ihre Strategie insgesamt zu finanzieren. Traditionell werden Darlehen vor allem von Banken vergeben. Mittlerweile strukturieren Banken die auszureichenden Unternehmenskredite gemeinsam mit Investoren und dem Kreditnehmer. Dabei behalten sie – wenn überhaupt – nur einen kleinen Teil des Darlehens in ihren Büchern und veräußern den größten Teil der Kreditforderungen an Investoren.

Die derzeitige Kreditkrise sowie die neuen bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften beschleunigen diesen Prozess der Disintermediation noch. Auf europäischer Ebene scheint man den Zugang zu Krediten vereinfachen zu wollen. Der US-amerikanische Kreditmarkt hat bereits einen hohen Reifegrad erreicht und die europäischen Märkte dürften folgen. Im Ergebnis rücken diese Faktoren eine interessante Anlagechance in den Vordergrund.

Kredite versus Anleihen
Investoren unterziehen ihre Kreditanlagen, unter Berücksichtigung der Unternehmensfinanzierung und den Grundsätzen der Unternehmensführung, einer gründlichen Überprüfung. Kredite ermöglichen einen tieferen Einblick in das Geschäft des betreffenden Unternehmens, da sie durch Vermögenswerte unterlegt sind und durch die entsprechenden Kreditbedingungen untermauert werden. Sie ergänzen hochverzinsliche Anleiheinvestitionen, da dasselbe Unternehmen je nach Renditeniveau und Finanzierungskonditionen entweder für eine Anleiheemission oder die Kreditaufnahme optiert. Aufgrund ihrer Stellung im Verhältnis zu Anleihen und Aktien sind Kredite die ranghöchsten Forderungen.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen Krediten und Anleihen sind: Rangfolge (Kredite haben Vorrang vor Anleihen), Auszahlung (Libor + Risikoaufschlag gegenüber einem Festsatz), Kapitalrückflussquote (höher bei Krediten), Abrechnungsperiode (Wochen bei Krediten gegenüberTagen bei Anleihen) sowie Verzinsung (variabler Zinssatz für Darlehen gegenüber Festzins für Anleihen).  Aktuelle Daten von Moody’s Investor Services belegen, dass der Rückführungsprozess bei Krediten wegen der Besicherung und der Rangfolge schneller vonstatten geht: Geht ein Unternehmen pleite, so liegt die Kapitalrückflussquote im Durchschnitt bei 80 %; bei unbesicherten Anleihen sinkt diese Quote auf 40%.

Zum Aspekt der Wertentwicklung
Die realisierten Erträge liegen etwas unter denen von Hochzinsanleihen; den Prognosen zufolge sollen Kredite im laufenden Jahr zyklisch das Tempo angeben. Die Erträge der letzten beiden Jahre zeigen, dass hochverzinsliche Forderungen – ob Anleihen oder Kredite – bessere Renditen als Staats- und Investment-Grade-Anleihen abgeworfen haben. Der Unterschied zwischen Anleihen und Krediten besteht im Wesentlichen in der höheren Rangfolge von Krediten.

Unternehmenskredite als eigenständige Anlageform
Die fundamentale Triebkraft für das langfristige Wachstum am Kreditmarkt liegt auf der Hand: Unternehmen werden immer auf externe Finanzierung angewiesen sein. Gerade in den USA stellen die Business-Pläne von Unternehmen in erster Linie auf Finanzierungs-Tools ab. Mit knapp 1,4 Bio. US-Dollar per 31.03.2011 stellt der Kreditmarkt eine eigenständige Anlageform mit beträchtlicher Tiefe dar. Im Jahr 2011 machten US Senior Secured Corporate Loans 4% des gesamten US-amerikanischen Rentenmarktes aus und übertrafen damit sogar den US-Markt für Hochzinsanleihen, dessen Anteil bei 3% liegt. Neben diesem Primärkreditmarkt besteht ein anhaltend liquider Sekundärmarkt, an dem jährlich über 400 Mrd. US-Dollar umgesetzt werden.

Dieser Markt verfügt im gesamten Zyklus über ein erhebliches Liquiditätspotenzial. Damit ist auch bei Marktturbulenzen dynamisches Risikomanagement von Kreditportfolios sichergestellt; zugleich bietet dies den Anlegern tägliche Liquidität.

Heute schon für morgen investieren
Nach Jahren der Krise konzentrieren sich Investoren bei der Suche nach Werthaltigkeit jetzt wieder auf die Fundamentaldaten. Kredite bieten dank der flankierenden Konditionen und der höheren Recovery Rates mehr Sicherheit als Aktien und Anleihen. Vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschuldenkrise und der damit einhergehenden Verwerfungen an den aktuell hochvolatilen Staatsanleihemärkten sowie dem verstärkten Drang nach Liquidität haben sich die Credit-Spreads im Hochzinsbereich – ob bei Krediten oder Anleihen – deutlich ausgeweitet. Strukturell begünstigen variable Zinssätze solche Investitionen am Kreditmarkt, die positiv sensibel auf steigende Zinsen reagieren. Das gilt beispielsweise für Unternehmenskredite. Ist die Kreditkrise vorbei, besinnt sich der Markt wieder auf Inflationsrisiken und steigende Zinsen. Eine solche Situation schafft eine günstige Gelegenheit zum Einstieg in diese Asset-Klasse, da die betreffenden Unternehmen liquiditätsstark sind.

Für wen eignet sich diese Anlageform?
Investoren außerhalb der Vereinigten Staaten sind bei US-Darlehen und US-Hochzinsanleihen eher unterinvestiert. In Anbetracht des Risiko-Ertrags-Profils und der Solvabilitätsanforderungen geben Versicherungsgesellschaften Krediten wahrscheinlich den Vorzug vor Aktien. Credit-Spreads und ein von einer geringen Ausfallrate gekennzeichneter Markt lassen eine positive Gewinnprognose zu, bei der die Eigenkapitalunterlegungsquote weit unter dem vorhandenen Eigenkapital liegt. US-amerikanische Unternehmensanleihen sind aus Gründen der Risikostreuung und wegen ihres Risiko-Chancen-Profils attraktiv. Zwar bietet der US-Kreditmarkt derzeit interessante Gelegenheiten. Nach unserer Einschätzung wird indes als Nächstes der europäische Kreditmarkt in den Vordergrund rücken, gefolgt von den Kreditmärkten in den Schwellenländern.

Fazit:
US-Anleger verwalten ihre Kreditportfolios aus hochverzinslichen Anleihen und Unternehmensanleihen nach branchenspezifischen sowie opportunistischen Strategien und im Sinne des Risiko-Ertrags-Profils. Institutionelle Investoren in der ganzen Welt könnten durchaus davon profitieren, wenn sie diesem Beispiel folgen würden. Zu beachten ist, dass sowohl Anleihen als auch Kredite der Unternehmensfinanzierung dienen und dass das Verhältnis zwischen Kredit und Ertrag der wichtigste Entscheidungsfaktor ist – nicht etwa die Unterschiede zwischen Kredit und Anleihe. Falls Anleger sich hier engagieren wollen, sind die Marktbedingungen derzeit günstig.

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Ghislain Périsse (ghislain.perisse@axa-im.com) ist Senior Clients & Markets Analyst bei AXA Investment Managers.