Foundation | Welcome

Menu


„In der jetzigen Marktsituation müssen Anleger das Portfoliomanagement neu denken“

IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Simon Klein, Leiter Vertrieb Passive Investments, EMEA & Asien, Deutsche Asset Management, über das aktuelle Niedrigzinsumfeld und die Folgen bzw. Investmentalternativen für institutionelle Anleger.

Simon Klein

IPE Institutional Investment: Herr Klein, warum ist das Niedrigzinsumfelds aus Ihrer Sicht für institutionelle Investoren so gravierend?
Klein: Institutionelle Investoren in Deutschland haben in der Vergangenheit stark im Anleihebereich investiert. Es gibt Investorengruppen wie Versorgungswerke, Versicherer oder Stiftungen, die besonders stark unter dem Zinsverfall leiden. Viele Asset-Liability-Studien zeigen auf, dass die grundsätzliche Erfüllbarkeit ihrer Verpflichtungen nicht mehr über die bisherige Kapitalanlage dargestellt werden kann. Ein Beispiel dazu aus unserer Untersuchung: Aus einem breiten Portfolio von Euro-Staatsanleihen über alle Laufzeiten hinweg mit einem Volumen von 100.000 Euro konnten 1999 noch jährliche Erträge von 5.357 Euro bezogen werden, um zum Beispiel laufende Verpflichtungen zu erfüllen. Diese Summe ist, Stand Mitte 2015, auf 1.519 Euro geschrumpft. Die Zinsen für viele Rentensegmente liegen mittlerweile unterhalb der aktuellen Inflationsrate.


IPE Institutional Investment: Was sollten Investoren in einer solchen Situation konkret machen?
Klein: In der jetzigen Marktsituation müssen Anleger das Portfoliomanagement neu denken. Sie sollten ihre Gewichtung in der Portfolioaufteilung anpassen, stärker in ertragreiche sowie alternative Anlageklassen investieren und zudem ihre Anlagen international streuen – um einen Home-Bias zu überwinden.


IPE Institutional Investment: Wie sehen Sie speziell die Situation für institutionelle Adressen?
Klein: Sie stehen in der Tat vor einer weiteren Herausforderung – der nächsten Regulierungswelle durch Solvency II und Basel III. Ein stärkeres Investment zum Beispiel in Aktien bedeutet eine höhere Hinterlegung mit Eigenkapital. Das kann sich nicht jeder lnvestor leisten. Konkret geht es also darum, solche Investments zu wählen, die einen Mehrertrag bringen können, aber das Risiko bzw. die Volatilität idealerweise reduzieren. Nur ein ertragsschwaches Portfolio gegen ein risikoreiches Depot zu tauschen, ist keine sinnvolle Alternative. Die Deutsche Asset Management hat in einer detaillierten Studie ermittelt, wie die Balance zwischen Ertrag und Kursrisiken besser gestaltet werden kann. Hier können Portfolios konstruiert werden, die beispielsweise durch Zinsen und Dividenden eine laufende Rendite von drei bis vier Prozent bieten.

IPE Institutional Investment: Wie setzen sich solche Portfolios konkret zusammen?
Klein: Solche Portfolios setzen sehr stark auf Income-Investments, also Anlagen, die laufende Zinsen und Dividenden liefern. Historisch betrachtet liefern diese Ertragsbestandteile einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtertrag. Allerdings müssen Income-orientierte Investoren auch eine mögliche höhere Volatilität berücksichtigen. So zeigen wir beispielsweise auf, dass – rückblickend betrachtet über 15 Jahre – die laufende Rendite in US-Unternehmensanleihen mit Investmentgrade bei 4,11% liegt, mit einem maximalen Drawdown von rund 12,5%. Vergleicht man dazu die laufende Rendite von europäischen Hochzinsanleihen, liegt diese nur unwesentlich höher bei 4,70% – allerdings bei einem deutlich höheren maximalen Drawdown von knapp 50%. Die Erkenntnis ist also, dass die Relation zwischen höheren Erträgen und höherem Risiko nicht immer linear ist. Anders ausgedrückt: Es gibt Segmente, die einen höheren Ertrag bieten, ohne im gleichen Maße das Kursrisiko zu steigern. Im Ergebnis wäre ein Portfolio mit einer Zielrendite von vier Prozent unter anderem mit rund einem Drittel in europäische und globale Dividendenindizes sowie Infrastruktur-Aktienindizes angelegt. Zudem gibt es eine Beimischung von Kreditindizes. Der Rentenanteil des Portfolios beträgt rund 40% und besteht aus Indizes auf Hochzins-Unternehmensanleihen, Schwellenländeranleihen und höher verzinslichen Euro-Staatsanleihen.

IPE Institutional Investment: Wie lassen sich aus einem breiten Universum attraktive Segmente herausfiltern?
Klein: In der genannten Untersuchung wurde konkret die aktuelle Rendite besonders ertragreicher Segmente mit der historischen Schwankungsbreite bzw. den aufgetretenen Kursrückschlägen ins Verhältnis gesetzt. So kann man im Vergleich mit dem breiten Markt sehen, ob der Renditeaufschlag mit einem vertretbaren Risiko erreicht wurde. Eine wichtige Risikokennzahl dafür ist die Sharpe Ratio, also wie viel Überrendite ein Segment bzw. Index im Verhältnis zum eingegangen Risiko erreicht. Auch dazu ein Beispiel anhand hochverzinslicher Dividendenindizes: Wir zeigen auf, dass die Sharpe Ratio für den breiten globalen Aktienindex STOXX 1800 bei rund 0,09 liegt. Für den STOXX Global Select Dividend 100, der die weltweit dividendenstärksten Titel abbildet, ergibt sich eine Sharpe Ratio von 0,4. Dieser Index erreicht damit mehr Rendite pro Risikoeinheit und sollte bevorzugt werden.

IPE Institutional Investment: Demnach ist es ausreichend, wenn ausschließlich die Indizes mit einer hohen Sharpe Ratio gewählt werden?
Klein: Das wäre zu kurz gegriffen. Das Ziel ist ein ausgewogenes Portfolio mit Märkten, bei denen die Wertentwicklungen möglichst niedrig zueinander korreliert sind. Eine Kombination entsprechender niedrig oder sogar gegenläufig korrelierter Segmente kann im Idealfall dazu beitragen, dass die Schwankungen im gesamten Depot insgesamt geringer ausfallen. Hierzu haben wir eine Korrelationsmatrix über hochverzinsliche Income-Assetklassen aufgestellt. Als wirksames Element zur Diversifikation erweisen sich zum Beispiel höher verzinsliche Euro-Staatsanleihen aus Peripheriestaaten wie Spanien oder Italien. Auch Kreditindizes und US-Unternehmensanleihen weisen in dieser Hinsicht positive Kennzahlen auf.

IPE Institutional Investment: Warum werden für diese Segmente ausschließlich ETFs gewählt?
Klein: Eine Stellschraube, um Vermögen in Zeiten des Niedrigzinses zu erhalten bzw. zu vermehren, ist die veränderte Portfolioallokation. Eine andere Stellschraube sind die Kosten für die Kapitalanlage. Je niedriger diese Kosten sind, desto weniger belasten sie die Rendite des Portfolios. ETFs bilden nahezu alle Anlageklassen und -segmente ab und bieten eine hohe Liquidität und Flexibilität. Sie sind zudem in der Regel sehr preiswert. So liegen die durchschnittlichen Kosten für die untersuchten, breit über verschiedene Anlageklassen gestreuten Portfolios bei rund 0,27% beziehungsweise 0,32% pro Jahr. Passive Mandatelösungen können häufig mit noch geringeren Pauschalgebühren punkten.

IPE Institutional Investment: Sie setzen stark auf Dividenden-ETFs. Gerade im vergangenen Jahr haben Produkte hohe Zuflüsse gesehen. Warum sind diese ETFs so interessant?
Klein: Dividendenindizes, bei denen Aktien mit höheren Ausschüttungen ein größeres Gewicht im Index erhalten, bieten langfristig gesehen eine um 64% höhere Dividendenrendite als der vergleichbare breite Markt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Aktien mit hohen Dividenden langfristig auch eine bessere Wertentwicklung aufweisen als Aktien mit unterdurchschnittlichen Ausschüttungen. Der Einsatz von Dividenden-ETFs anstatt der Benchmark-Indizes liefert oftmals ein verbessertes Rendite-Risiko-Profi.

IPE Institutional Investment: Wie sieht ihr Fazit aus, gibt es Alternativen für Investoren im Niedrigzinsumfeld?
Klein: Absolut. Es ist auch heute möglich, ein Portfolio mit einer attraktiven laufenden Rendite zu bilden, das auf die Anforderungen des Investors hinsichtlich Risiko und Ertrag zugeschnitten ist. Allerdings sollte das grundsätzlich gestiegene Risiko von höher verzinslichen Segmenten durch eine entsprechende Auswahl der Indizes beachtet werden. Dazu sollten unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Renten und Kreditindizes gemischt werden, um Diversifikationseffekte zu nutzen.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese Einblicke.