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Interview Hannover Rück – Insurance-Linked Securities aus Sicht eines Investors

Insurance-Linked Securities, oder besser gesagt: Katastrophenanleihen, bieten nach wie vor interessante Renditen – ungeachtet der Niedrigzinspolitik der Notenbanken. Das macht sie für institutionelle Investoren interessant, Tom Beckmerhagen, Senior Underwriter bei Hannover Rück SE, beschreibt im Interview mit unserem Kooperationspartner HEDGEWORK NEWS, wie solche Anleihen strukturiert sind und worauf Anleger achten sollten. Das Gespräch fand im Rahmen des 135. Hedgeworks am 10. Mai 2016 in Frankfurt statt.

Tom Beckmerhagen

Hedgework: Herr Beckmerhagen, können Sie bitte erklären, was hinter Insurance-Linked Securities steckt?
Beckmerhagen: Bei Insurance-Linked Securities oder Katastrophenanleihen handelt es sich um Anleihen, bei denen die Verzinsung sowie Rückzahlung davon abhängt, ob schwere Naturkatastrophen eintreten. Ereignisse wie die Erdbeben Mitte April in Japan sind hierbei, trotz der hohen Schäden an Gebäuden sowie der zahlreichen Todesfälle, allerdings nicht annähernd relevant. Die Schäden müssen um ein Vielfaches höher sein. Im besagten Fall lag das zum einen daran, dass die Epizentren in einer eher ländlichen Region waren und das schwerste Erdbeben „nur“ eine Magnitude von 7,0 erreichte. Damit ein Erdbeben in Japan für Investoren in Katastrophenanleihen gefährlich wird, müsste die Magnitude eher 7.9 bis 8.0 aufweisen und entweder sein Epizentrum im Großraum Tokio oder etwas weiter westlich haben. Sogar der Tsunami im März 2011, durch den große Teile der Präfektur Sendai überschwemmt und die Nuklearkatastrophe in Fukoshima ausgelöst wurden, hat nur zum Ausfall einer einzigen Anleihe geführt – weil mit den Bonds Risiken abgesichert werden, die modelltechnisch nur etwa alle 50 bis 100 Jahre eintreten.

Hedgework: Was macht diese Bonds für Investoren interessant?
Beckmerhagen: Unter dem Strich ist die Verzinsung von Katastrophenanleihen bislang recht interessant gewesen und hat eine Überrendite über vergleichbar bewerteten Anleihen geliefert. Zudem sind die Anleihen einseitig unkorreliert zum Kapitalmarkt. Einseitig, weil etwa Aussagen von Janet Yellen oder Mario Draghi Tsunamis am Kapitalmarkt auslösen können, aber keine Naturkatastrophen. Anderseits können ein Erdbeben in Tokyo oder ein schwerer Hurrikan nicht nur verheerende Zerstörungen an Gebäuden verursachen, sondern auch die Kapitalmärkte unter Druck bringen.

Hedgework: Was bedeutet das für die Initiatoren der Anleihen?
Beckmerhagen: Die Modelle mit denen Katastrophenanleihen modelliert werden, sind Anfang der 1980er-Jahre entstanden und seitdem ständig weiter entwickelt worden. Ereignisse wie Hurrikan Andrew haben bestehende Schwachstellen aufgedeckt und zu Optimierungen geführt. Zudem hat es aufgrund von schlechten Erfahrungen in der Finanzkrise 2008 eine Strukturanpassung bei Katastrophenanleihen gegeben, sodass der Emissionserlös, der beim Ausbleiben einer Katastrophe an die Investoren im Rahmen der Rückzahlung der Anleihe ausgezahlt wird, nur noch in erstklassige Investments angelegt wird. Dies sind entweder US Money Market Treasuries, wo alle Investments durch den amerikanischen Steuerzahler garantiert sind, oder eine speziell für die Katastrophenanleihe emittierte Anleihe der Internationalen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau.

Hedgework: Das Marktvolumen von Cat-Bonds erscheint mit rund 25 Mrd. US-Dollar überschaubar. Was schränkt das Marktsegment ein?
Beckmerhagen: Katastrophenanleihen stehen im Wettbewerb zur traditionellen Rückversicherung. Dies führt dazu, dass bisher eher nur die weltweiten Spitzenrisiken in den Kapitalmarkt transferiert worden sind. Bei diesen Risiken handelt es sich um „Florida Wind“ sowie „Kalifornien und Japan Erdbeben“. Bei diesen Risiken gibt es eine Knappheit an Rückversicherung, sodass die Preise für die Übernahme dieser Risiken interessant sind. Durch das Ausbleiben von größeren Naturkatastrophen insbesondere geringeren Hurrikanschäden in den USA sowie durch Fusionen haben viele Erstversicherer ihren Selbstbehalt erhöht. Des Weiteren haben Rückversicherer in den letzten Jahren ihr Eigenkapital aufgrund der schadenärmeren Jahre ausbauen können, wodurch nun mehr traditionelle Rückversicherungskapazitäten zur Verfügung stehen, weshalb weniger Risiken in den Kapitalmarkt transferiert werden können.

Hedgework: Allerdings mangelt es nicht gerade an Naturkatastrophen…
Beckmerhagen: Stimmt. Aber es sind leider noch immer zahlreiche Risiken nicht versichert. In den USA gibt es beispielsweise eine gesetzliche Verpflichtung bei einer Hausfinanzierung, die Immobilie gegen Windgefahren abzusichern. Trotz des Erdbebenrisikos in Kalifornien gibt es demgegenüber dort keine solche Verpflichtung. So sind nur rund 15% der Gebäude in Kalifornien gegen die Zerstörung durch ein Erdbeben versichert. Ähnliches gilt für Deutschland. Hier sind zahlreiche Immobilien, die an Flüssen gelegen sind, nicht gegen Hochwasser abgesichert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nach dem Eintreten einer „Jahrhundertflut“ regelmäßig die Frage auftaucht, wer für die Schäden bezahlt und rasch der Ruf nach staatlicher Unterstützung laut wird.

Hedgework: Bei einigen Cat-Bonds ist es in der Vergangenheit zu Totalausfällen gekommen. Das belastet die Investoren. Wie kann man dem vorbeugen?
Beckmerhagen: Ein Vorbeugen gegen einen Totalausfall ist schwierig, da der Eintritt eines Erdbebens nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vorhersehbar ist. Bei einem Hurrikan gibt es die Möglichkeit, über den Sekundärmarkt Positionen zu optimieren. Es dürfte aber klar sein, dass umso sicherer ein Schadeneintritt ist, desto niedriger wird der Preis sein, den ein Käufer zu zahlen bereit ist.

Hedgework: Cat-Bonds weisen in der Regel Laufzeiten von drei bis 5 Jahren auf. Welche Möglichkeiten gibt es, schon vor Fälligkeit zu verkaufen?
Beckmerhagen: Es gibt einen liquiden Sekundärmarkt, über welchen Positionen veräußert oder erworben werden können. Für seine Größe ist er als sehr liquide anzusehen. Die Händler dort kennen die derzeitig etwa 60 Direktinvestoren, die in diesem Markt aktiv sind und bringen somit das Angebot und die Nachfrage effizient zusammen. Des Weiteren war dieser Markt auch zu Zeiten der Finanzmarktkrise neben US Treasuries, einer der wenigen Märkte, an welchem weiterhin ein Handel stattfand.

Hedgework: Stichwort Risikostreuung: Was sehen Sie hier als geeignete Strategie?
Beckmerhagen: Im derzeitigen Umfeld gibt es zwei Investorenlager – die einen nehmen nur die am besten bezahlten Risiken in ihr Portfolio. Dies wäre „Hurrikan Florida“. Für diese Gruppe ist ein Investment in Katastrophenanleihen bereits diversifizierend genug. Das zweite Lager investiert konservativer, indem eine Anlage in Katastrophenanleihen breiter gestreut wird. Hierdurch sinkt der maximale Verlust durch ein Ereignis deutlich.

Hedgework: Neben der Direktanlage können Cat-Bonds auch via Fonds erworben werden. Wie ist Ihre Erfahrung hier?
Beckmerhagen: Es gibt zahlreiche Anbieter mit unterschiedlichen Strategien bezüglich des eingegangenen Risikos sowie der Form der Anlage. Generell erwirbt man über ein Fondsinvestment die Expertise bezüglich des Marktes. Deutsche Investoren sollten jedoch kritisch hinterfragen, ob der Fonds steuerlich transparent bezüglich § 5 InvStG ist und die notwendigen Kennziffern und Zahlen liefert, damit Solvency-II-Meldungen fristgerecht abgeben werden können. Nur so ist auch gewährleistet, dass eine korrekte Eigenmittelunterlegung erfolgt.

Hedgework: Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Markt für Cat-Bonds in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Beckmerhagen: Ich glaube, dass sich dieser Markt weiter etabliert und fester Bestandteil in Rückversicherungsprogrammen von großen Erst- und Rückversicherern sein wird. Somit wird es auch weiterhin die Möglichkeit für Investoren geben, interessante Beta-Investments einzugehen.


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Tom Beckmerhagen ist Senior Underwriter bei Hannover Rück SE sowie Geschäftsführer von Leine Investment, einem Spezialfonds in Luxemburg mit AIFM-Lizenz, der in Insurance-Linked Securities investiert und bei welchem Hannover Rück SE der Ankerinvestor ist. Davor war er bei FitchRatings sowie einigen deutschen Finanzinstituten, wo er eigenkapitalentlastende Finanzmarktprodukte strukturiert und später geratet hat. Die Hannover Rück SE ist der weltweit drittgrößte Rückversicherer, der mit seinen ca. 2.500 Mitarbeitern Geschäfte mit über 5.000 Versicherungskunden in ungefähr 150 Ländern betreibt und in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert.