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Invesco-Marktausblick: Von defensiv zu zyklisch

Während die größten Volkswirtschaften des Westens in den kommenden Monaten zwar keine Rezession, aber eine „holprige Landung“ erleben könnten, steht China nach Ansicht der Experten des Global Market Office von Invesco vor einem „holprigen Start“ seiner Wirtschaft. Wie diese in ihrem Marktausblick für die zweite Jahreshälfte 2023 schreiben, spricht das für eine kurzfristige Fokussierung auf defensive Anlagen, gefolgt von einer Umschichtung in zyklischere Anlagen. Dabei halten die Invesco-Experten die Emerging Markets – und vor allem China – für besonders attraktiv.

Kristina Hooper

„Wir glauben, dass der Zinshöchststand erreicht ist oder kurz bevorsteht, die Inflation nachlässt und wir es mit einem kurzlebigen konjunkturellen Abschwung zu tun haben werden. Die Märkte dürften darüber schon bald wieder hinwegsehen und eine künftige Konjunkturerholung einpreisen“, sagt Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist bei Invesco. Während sich große Industrieländer in einer Spätphase des Zyklus befänden, sei China in einer Frühphase und das Bild für die anderen Schwellenländer gemischt.

Im Basisszenario geht Invesco von einem Wachstum unter Trend und einer kurzfristigen Wachstumsabschwächung in den großen Industrieländern aus. In der zweiten Jahreshälfte werde dann bereits wieder eine Erholung einsetzen. Die Entwicklung in der Eurozone und Großbritannien werde mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ähnlich wie in den USA verlaufen, wo der Zinshöchststand erreicht sei oder kurz bevorstehe. Dementsprechend rechnen die Invesco-Experten auch mit weiteren Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE). China werde seine Wiederöffnung voraussichtlich fortsetzen, wobei der Dienstleistungssektor die Erholung anführen werde, während sich die produzierende Industrie aufgrund der globalen Wachstumsverlangsamung schwächer entwickeln werde.

In diesem Umfeld rechnet man bei Invesco mit einer kurzfristigen Outperformance defensiver Anlagen und einer Rotation in zyklische Anlagen, wenn die Märkte beginnen, eine Erholung der Wirtschaft einzupreisen. „Nach der unterdurchschnittlichen Performance globaler Value-Aktien bieten sich jetzt attraktive Anlagemöglichkeiten in Bereichen wie den Schwellenmärkten, Europa und dem Small-Cap-Segment“, so Alessio de Longis, Senior Portfolio Manager und Head of Investments, Invesco Investment Solutions. „Die Anleger trennen sich seit mehr als zwei Jahren von risikoreicheren Anlagen. Der Pessimismus hat jedoch extreme Ausmaße angenommen und die Stimmung könnte schnell umschlagen.“ Im verarbeitenden Gewerbe sei die Talsohle bald erreicht; in der Vergangenheit sei dies häufig ein Vorbote einer positiven Kursentwicklung an den Aktienmärkten gewesen.

Besonders attraktiv seien chinesische Aktien, und zwar unabhängig vom Anlagehorizont. „Gemessen an ihrem zyklusbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis sind chinesische Aktien so günstig wie selten zuvor. Damit befinden sie sich in einer deutlich besseren Ausgangsposition als zum Beispiel die viel teureren US-Aktien, da die Bewertungen in der Regel ein wichtiger Faktor für die langfristigen Renditen sind“, so de Longis weiter.

Außerdem habe die chinesische Zentralbank (PBoC) ihre Geldpolitik in den vergangenen Jahren gelockert, während die Fed einen aggressiven Straffungskurs verfolgt hat. Unter anderem habe dies zu einem sehr unterschiedlich starken Geldmengenwachstum in beiden Ländern geführt. „Unserer Ansicht nach verspricht dies eine höhere Wachstumsdynamik in China, das sich momentan von einer schwachen Performance im Jahr 2022 erholt, unterstützt durch die Abschaffung der pandemiebedingten Beschränkungen. Wenn das monetäre Umfeld ein Indikator für die künftige Entwicklung der Wirtschaft ist, erscheint China gut aufgestellt. Auf Sicht der nächsten zwölf Monate könnte das für chinesische Aktien sprechen“, meint Hooper.

Was die Anleihemärkte angeht, ist Rob Waldner, Chief Strategist und Head of Macro Research, Invesco Fixed Income, davon überzeugt, dass der deutliche Anstieg der realen Renditen im zurückliegenden Jahr gute Möglichkeiten für Anleger eröffnet hat, in einem zunehmend förderlichen gesamtwirtschaftlichen Umfeld attraktive Gesamtrenditen aus Anleihen zu realisieren. „Unternehmensanleihen dürften von den lockereren Finanzierungsbedingungen infolge der Fed-Zinspause profitieren. Die Bewertungen von Kreditanlagen liegen in der Nähe ihres längerfristigen Medians, aber die Kreditfundamentaldaten sind positiv“, so Waldner. Er bevorzugt hochwertige Papiere wie IG-Unternehmensanleihen und Kommunalanleihen sowie bestimmte verbriefte Anlageklassen.

Die Investmentexperten von Invesco sehen auch Möglichkeiten, mittelfristig hohe Renditen aus EM-Anlagen zu erzielen, die sie im Vergleich zu ihren Industrieländer-Pendants für attraktiv bewertet halten. Beispielsweise sei der Spread zwischen auf US-Dollar lautenden Staatsanleihen von Schwellenländern und US-Staatsanleihen höher als normal.

In der Vergangenheit sei es zwar infolge einer Lockerung der Fed-Geldpolitik häufig zu einer unterdurchschnittlichen Performance von EM-Anlagen gekommen – die Invesco-Experten führen die schwache Performance von EM-Anlagen in den letzten 18 Monaten jedoch auf den starken Anstieg der US-Anleiherenditen und die Aufwertung des US-Dollars zurück und rechnen mit einem weiterhin untypischen Zyklus. „Die Lockerung der Fed-Geldpolitik und der dadurch schwächere US-Dollar dürften positiv für risikoreichere Anlagewerte, einschließlich der Emerging Markets, sein“, sagt Mo Haghbin, Head of Solutions, Invesco Investment Solutions. Dabei dürften die EM-Anlagen auch von der Erholung der chinesischen Wirtschaft profitieren.

Wie er anmerkt, notiert der reale handelsgewichtete US-Dollar immer noch deutlich über seinem historischen Durchschnitt. „Aufgrund des hohen Leistungsbilanzdefizits der USA dürfte die aktuelle Dollarstärke jedoch nicht haltbar sein“, meint er. Wie er erläutert, sind Renditedifferenzen häufig die Ursache für kurzfristige Währungsschwankungen. Dabei sei der US-Dollar im Jahr 2022 durch die aggressive Straffung der Fed gestützt worden: Dadurch habe sich der Renditeabstand zwischen US-Staatsanleihen und Staatsanleihen in anderen Währungen vergrößert. Nachdem sich die Märkte jetzt auf eine Lockerung der Fed-Politik einstellen, bewege sich dieser Renditeabstand jedoch gegen den Dollar. Daher rechnen die Invesco-Experten auch mit einer Abwertung des US-Dollars.

Dank höherer Renditen, rekordhoher Summen an noch nicht investiertem Private Equity-Kapital („Dry Powder“) und starker Bilanzen rechnen sie im Direct Lending-Bereich mit anhaltend robusten und attraktiven Anlagemöglichkeiten. „Die Ausfälle dürften zwar etwas zunehmen. Durch die vorrangige Stellung der Anlageklasse in der Kapitalstruktur sollten Anleger für die eingegangenen Risiken jedoch mehr als kompensiert werden“, sagt Jeffrey Bennett, Senior Portfolio Manager und Head of Manager Selection. Wenn mehr Verwerfungen erkennbar würden, dürften Distressed Debt und Special Situations wieder attraktiver werden.

Die Invesco-Experten reduzieren ihr Private Equity-Rating auf leicht untergewichtet, da die Bewertungen vor dem Hintergrund der höheren Kreditkosten moderater werden. Im Bereich der Private-to-Private-Transaktionen eröffnen sich ihrer Ansicht nach selektive Anlagechancen.

Nach den jüngsten Belastungsfaktoren sind die Invesco-Experten kurzfristig vorsichtiger, was den Ausblick für Gewerbeimmobilien - vor allem den Bürosektor - angeht. Dank attraktiver Fundamentaldaten und gesetzlicher Initiativen, die eine hohe Verfügbarkeit von Projektfinanzierungen erwarten lassen, bleibe Infrastruktur ein interessanter Bereich.

Rohstoffe würden zwar weiterhin von positiven langfristigen Treibern wie der Nachfrage nach sauberer Energie und Angebotsengpässen durch Unterinvestitionen profitieren. Der kurzfristige Ausblick für die Anlageklasse hänge jedoch weiterhin vor allem von der Wahrscheinlichkeit und dem Ausmaß einer potenziellen weltweiten Rezession ab.

In ihrem Negativszenario einer „harten Landung“ käme es zu Rezessionen in den USA und Europa, während China und die Schwellenmärkte eine Rezession gerade noch vermeiden würden. In diesem Szenario rechnet man bei Invesco mit einer Outperformance defensiverer Anlagen rechnen und den Schwerpunkt auf Cash, Staatsanleihen mit langer Duration, defensive Aktien wie Basiskonsumgüter- und Gesundheitswerte sowie Gold legen. In einem positiveren Szenario einer „sanften Landung“ wird die beste Performance von mittzyklischen Titeln erwarten. Die bevorzugten Anlageklassen wären dann Hochzinsanleihen sowie europäische Aktien und Schwellenländeraktien.