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Kommentar: Artikel 50 des EU-Vertrags wurde gezogen

Die nächsten Schritte beim „Brexit“ und die Folgen für Investoren.

Dr. Jens Bies

Nun ist es offiziell. Aus 28 werden 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die britische Regierung hat am 30.3.2017 offiziell den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union beantragt. Das Austrittsgesuch wurde höchstpersönlich vom britischen EU-Botschafter Tim Barrow an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben. Damit beginnen nun offiziell die auf zwei Jahre angesetzten Austrittsverhandlungen.

Wie geht es nun weiter? Tusk hatte angekündigt, dass der EU-Rat innerhalb von 48 Stunden auf den Austrittsantrag reagieren und einen Entwurf der Verhandlungsleitlinien an alle restlichen Mitgliedsstaaten zirkulieren werde. Ziel ist es, diese Richtlinien zum EU-Gipfel am 29. April zu finalisieren, damit die formellen Verhandlungen mit Großbritannien im Mai beginnen können. Michel Barnier, der oberste Brexit-Verhandlungsführer der EU, hatte bereits darauf hingewiesen, dass ein Abkommen wohl bis Oktober 2018 ausgehandelt werden müsse, damit einzelne EU-Mitgliedsstaaten noch genügend Zeit hätten, dieses Abkommen in ihren jeweiligen Parlamenten zu verabschieden. Diese Tatsache reduziert die Verhandlungszeit auf gerade einmal eineinhalb Jahre. In dieser kurzen Zeit den Austritt aus der EU und ein neues Handelsabkommen auszuhandeln, ist mehr als sportlich. Doch worauf müssen Investoren nun in der kommenden Zeit achten?

Neben den Inhalten ist zweifellos wichtig, wie gut oder schlecht die Verhandlungen laufen, denn daran werden die Kapitalmärkte messen, wie hoch die Erfolgsaussichten auf ein Abkommen sind, das die realwirtschaftlichen Folgen für beide Seiten möglichst minimiert. Beim Austrittsgesuch hat die britische Regierung zunächst mal einen kooperativen Ton angeschlagen. Selbigen konzilianten Ton beinhaltet das Antwortschreiben der EU.

Das lässt zumindest hoffen, dass beide Seiten einen geordneten Austritt und eine spezielle Partnerschaft anstreben. Allerdings gibt es bereits ein Problem, die sogenannte „Exit-Bill“ – die Rechnung, die die EU den Briten zum Abschluss präsentieren wird. Weil die EU ihren Haushalt im Sieben-Jahres-Rhythmus plant und diesen zuletzt 2016 beschlossen hat, ist die Regierung in London zu Ausgaben verpflichtet, die weit über das mutmaßliche Austrittsdatum im März 2019 hinausreichen. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, beziffert diese auf etwa 60 Mrd. Euro. Gemeint sind damit unter anderem gemeinsam eingegangene Projekte und finanzielle Verpflichtungen wie Pensionszahlungen.

Der oberste britische Verhandlungsbeauftragte David Davis hatte jedoch seinerseits bereits abgelehnt, eine solche Summe zu zahlen. Die EU hat bereits deutlich gemacht, dass die genaue Höhe der Rechnung erst feststehen muss, bevor die Verhandlungen beginnen. Droht die Partnerschaft am Geld zu scheitern? Zumindest nicht unwahrscheinlich. Den Marktteilnehmern scheint so langsam zu dämmern, was für eine Mammutaufgabe der Brexit trotz aller Bemühungen werden wird.

Welche Auswirkungen sind nun zu erwarten?
Bei SKALIS FUNDS sehen wir, dass das Brexit-Thema ist in den letzten Monaten nicht zuletzt aufgrund der noch wenig spürbaren makroökonomischen Auswirkungen des britischen und europäischen Datenkranzes im Anschluss des „Brexits“ etwas in den Hintergrund geraten ist. Zu Beginn des Verhandlungsprozesses dürften die Auswirkungen auf die Vermögenspreise eher moderat sein, so dass sowohl das britische Pfund als auch die risikoreicheren Vermögenspreise wie Aktien oder Rohstoffe vom weltwirtschaftlichen Reflationsszenario profitieren sollten. Selbiges gilt für den europäischen Markt. Negativ betroffen sollten bei anhaltend guten Konjunkturdaten die Rentenmärkte sein.

Eine Abweichung dieser Markteinschätzung sehen wir lediglich, wenn sich herausstellt, dass entweder der „Soft-Exit“ in Gefahr ist oder unzureichende Verhandlungsergebnisse in Anbetracht der geringen Zeit präsentiert werden. Schlimmstenfalls treffen beide Szenarien ein. Schließlich ist das Vereinigte Königreich ökonomisch durch die Handelsströme und aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Bankensektor eng mit der EU verbunden. Speziell ein Nichtzustandekommen eines zufriedenstellenden Freihandelsabkommens wäre für beide Seiten negativ zu bewerten, insbesondere aber für das Vereinigte Königreich. Potenzielle Auswirkungen wären dann Abschläge bei riskanteren Vermögenswerten und dem britischen Pfund. Das dürfte in 2017 allerdings noch eine untergeordnete Rolle spielen.

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*) Dr. Jens Bies ist Vorstand SKALIS Asset Management AG. Das Unternehmen ist eine unabhängige Investmentboutique und Anbieter von Mischfondskonzepten.