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Kommentar: Auslaufen der expansiven Geldpolitik in den USA belastet Europa

Trotz der Zusage Mario Draghis, die Europäische Zentralbank (EZB) werde „alles Notwendige zur Rettung des Euros tun“, haben nicht Worte die Renditeaufschläge (Spreads) in Europa sinken lassen. Der eigentliche Grund war die unbefristete quantitative Lockerung („QE Infinity“) der US-Notenbank. Ein weiterer Faktor waren die Pläne der Bank of Japan, die Geldmenge zu verdoppeln. Sie trugen dazu bei, die Schwankungen an den globalen Märkten zu dämpfen, und lösten eine letzte verzweifelte Suche nach höheren Renditen aus.

Stuart Thomson

Angesichts des lauten Nachdenkens der Federal Reserve über ein schrittweises Auslaufen der extrem lockeren Geldpolitik glauben wir, dass der Einstieg in eine solche Politik die Spreads in Europa erneut steigen lassen wird. Eine Reihe von Faktoren in Europa selbst dürften diesen Prozess in den Peripheriestaaten beschleunigen. Die größten Risiken sind: eine weitere Anpassung der Auflagen, die Griechenland und Zypern im Rahmen der jeweiligen Rettungspakete erfüllen müssen, der Verlust des Investment-Grade-Status spanischer Staatsanleihen sowie vorgezogene Wahlen in Italien. Hinzu kommt, dass sich die Konjunktur in den Randstaaten schlechter als erwartet entwickeln könnte.

Ein deutlicher Anstieg der Spreads in den peripheren Staaten wird die europäische Politik zwingen, ihre selbstzufriedene Haltung aufzugeben, die sie momentan an den Tag legt. Erleben würden wir dann wohl eine Rückkehr zum Zyklus von Krise, Reaktion, Fortschritt und erneutem Zurücklehnen, wie ihn Morgan Stanley ursprünglich auf Japan gemünzt hatte - doch jetzt passt er viel besser auf Europa.


Die europäische Staatsschuldenkrise ist überstanden!?
Frankreichs Präsident Hollande hat ein Ende der europäischen Staatsschuldenkrise ausgerufen, und die Europäische Zentralbank (EZB) dreht vorerst nicht weiter an der Zinsschraube, da sie die ausgedehnte Rezession in Europa für überstanden hält. Nach Ansicht der EZB wird sich die Wirtschaft in der Eurozone bis zum Jahresende schrittweise erholen, um dann 2014 behutsam weiter Fahrt aufzunehmen.

Hat Hollande Recht? Nein. Hat Mario Draghis Versprechen, „alles Notwendige zur Rettung des Euros“ zu tun, wirklich das Risiko beseitigt, das Staatsanleihen aus Peripheriestaaten bergen? Nein. Haben sich die Bedingungen an den Finanzmärkten so grundlegend verbessert, dass die Eurozone in der zweiten Jahreshälfte auf den Wachstumspfad zurückkehren kann? Auch hier: nein.


Warum die Spreads wirklich geschrumpft sind
Aus unserer Sicht ist der Rückgang der Renditeabstände seit August 2012 auf die gewaltigen Mengen an Liquidität zurückzuführen, die die Notenbanken in den letzten Jahren ins System gepumpt haben. Die unbefristeten Käufe von Hypothekenpapieren durch die Federal Reserve (Fed) im Umfang von 40 Mrd. US-Dollar pro Monat haben zusammen mit der Wiederanlage der Kuponzahlungen den Liquiditätsanreiz für internationale Anleger geschaffen, in Staatsanleihen aus Peripheriestaaten zu investieren. Noch einmal deutlich zugenommen haben die monatlichen Käufe, als die Fed ihre „Operation Twist“ durch ein weiteres Programm ergänzte, das den Aufkauf von US-Staatsanleihen (Treasuries) mit längeren Laufzeiten für 45 Mrd. US-Dollar im Monat umfasst. Unterdessen nahm in Japan die neue Wirtschaftspolitik unter Regierungschef Abe („Abenomics“) Gestalt an.

In der Kombination bewirkten diese Faktoren eine massive Zunahme der Liquidität, was eine Suche nach höheren Renditen an den Staatsanleihemärkten der Peripheriestaaten auslöste.


„OMT“ hat das Blatt nicht gewendet
Mit seiner dramatischen Intervention vom vergangenen Juli, die anschließend in Form der so genannten „Outright Monetary Transactions“ (OMT) konkret wurde, ergriff Draghi zwar die Initiative an den Finanzmärkten, war unserer Ansicht nach aber kein wirklicher „Game Changer“, der alles veränderte. Das Programm weckte die Bereitschaft, kurz laufende Staatsanleihen von Ländern der Eurozone in begrenztem Umfang zu kaufen, sofern die betreffenden Länder mit dem Euro-Rettungsschirm ESM kooperierten und dessen Auflagen erfüllten. Bei diesem „Rettung light“-Programm wurden unpräzise definierte Bedingungen angewandt, und im Gegenzug gab es Mittel in „unbegrenzter“ Höhe für den Kauf von Staatsanleihen mit bis zu 3-jähriger Laufzeit.

Die Zentralbank wurde hierdurch in ihrem Handeln eingeschränkt. Draghis ursprüngliche Zusage wurde durch das Mandat der EZB relativiert. Die deutsche Bundesregierung hat unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es keinesfalls zulässig sei, die Politik der quantitativen Lockerung, wie sie andere Länder praktizieren, nachzuahmen. Weitere Maßnahmen, die dazu dienen könnten, den Transmissionsmechanismus zu stärken, dürften unterdessen bis zu den Wahlen in Deutschland am 22. September in der Schublade bleiben. Wenn in Karlsruhe über Verfassungsbeschwerden gegen das OMT-Programm entschieden wird, könnten der EZB zusätzliche Beschränkungen auferlegt werden.


Neue Konditionen für die Peripheriestaaten?
In Europa hat sich tatsächlich einiges zum Positiven gewandelt. Die Regierungen der Peripheriestaaten nutzten den verringerten Druck der Finanzmärkte, um auf günstigere Bedingungen für den geforderten Defizitabbau und die Sparprogramme zu pochen. Das so genannte „Re-profiling“ dämpft die unmittelbaren negativen Konjunktureffekte der Kürzungspolitik, sodass die Eurozone in der Lage sein sollte, nach mehreren Quartalen der Rezession wieder zu Stabilität zurückzufinden.

Das Wachstum in der Eurozone wird die Vorhersagen verfehlen
Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone im zweiten Quartal erneut um 0,2 % geschrumpft ist, bevor sie sich im dritten Quartal stabilisiert und im vierten um lediglich 0,1% wächst. Das ergäbe fürs Gesamtjahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,9% und würde die Wachstumsdynamik im kommenden Jahr weiter schwächen. Somit dürfte die aktuelle Wachstumsprognose der EZB für 2014 von 1,1% nicht in Erfüllung gehen. Unsere Wachstumsprognose für 2014 von nur 0,3%, mit der wir unter den Erwartungen der meisten Marktteilnehmer liegen, geht dabei vom Einstieg in negative Einlagezinsen zwischen Dezember 2013 und April 2014 aus.

Negative Einlagezinsen sollen den Euro schwächen
Die EZB hat deutlich gemacht, dass eine eventuelle Absenkung der Einlagezinsen in den negativen Bereich dazu dienen soll, den Euro zu schwächen. Absicht der Notenbank ist es, die externe Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, um den schleppenden Fortschritt im Inneren der Eurozone auf diese Weise auszugeichen. Vor den Wahlen in Deutschland ist eine Reduzierung der Einlagezinsen jedoch undenkbar.

Die nächste Eurokrise wartet schon
Mehrere potenzielle Auslöser der nächsten Krise sind schon jetzt absehbar. Wir glauben, dass die schrittweise Verringerung der Liquiditätszufuhr in den USA dazu führen wird, dass die Marktteilnehmer eine erste Zinserhöhung schon vor Ende 2014 einpreisen werden. Zwar sind wir nicht der Ansicht, dass die Fed die Zinszügel so früh anziehen wird, doch der fortgesetzte Anstieg der an den Terminmärkten erwarteten realen Zinsen dürfte dazu führen, dass die Renditeaufschläge bei Staatsanleihen aus Peripheriestaaten weiter in die Höhe getrieben werden. Demnach ist die nächste Minikrise schon vorprogrammiert.

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*) Stuart Thomson ist Co-Manager des Ignis Absolute Return Government Bond Fund und Chefökonom von Ignis Asset Management.