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Kommentar: Bei Schwellenländeranleihen gibt es kein schlechtes Timing

Der Trend bei europäischen Zinsen zeigt weiter nach unten: Die Schweizerische Nationalbank hat im Januar ihre Negativzinsen noch weiter gesenkt, nachdem ähnliche Maßnahmen von der Europäischen Zentralbank bereits 2014 ergriffen worden waren. Aus der Perspektive von Anleihe-Anlegern empfehlen sich in einer solchen Situation Schwellenländerpapiere, die immer noch solide Renditen versprechen. Insbesondere Staatanleihen, die in Hartwährungen herausgegeben werden, bieten sich an, denn damit lassen sich Währungsrisiken vermeiden. In diesem Segment ist eine sorgfältige Auswahl wichtig, wobei der Blick durchaus auch auf Länder „außerhalb der Benchmark“ fallen darf.

Luc D’hooge

Im Zuge der vielfach schlechten Nachrichten aus Schwellenländern im Jahr 2014 – ein kriegerischer Konflikt in der Ukraine, die Ausbreitung der Seuche Ebola in Westafrika, negative Konsequenzen der Talfahrt des Ölpreises auf Länder wie Nigeria oder Venezuela – weiteten sich die Risikoprämien für EM-Anleihen aus. Per Saldo hob sich dieses Segment im abgelaufenen Jahr aber mit einer absoluten Rendite von 7,4% (J.P. Morgan EMBI Global Diversified) von den anderen Anleihensektoren ab. Ausschlaggebend hierfür war eine von nur wenigen professionellen Investoren vor einem Jahr prognostizierte Entwicklung, nämlich der deutliche Rückgang der risikofreien Renditen. Da Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern US-Staatsanleihen als Referenz haben, konnten Investoren in diesem Segment von der Rally am US-Anleihenmarkt profitieren.

Umgekehrt heißt das selbstverständlich auch, dass sich ein Rückschlag am US-Anleihenmarkt negativ auf Hartwährungsanleihen auswirken könnte, beispielsweise bei einer Zinserhöhung infolge besserer Wirtschaftszahlen in den Vereinigten Staaten, Langfristig orientierte Anleger können aber darauf setzen, dass sich die positiven Wachstumsimpulse aus den USA auch auf die Schwellenländer übertragen. Dies wiederum könnte schnell zu einer Einengung der Risikoprämien führen.

Für das Segment der Hartwährungsanleihen aus den Emerging Markets sind wir generell optimistisch – nicht zuletzt, weil die Wirtschaftsdynamik der Schwellenländer weiterhin beachtlich ist. Ihre Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) ist insgesamt deutlich geringer als jene der entwickelten Länder – eine Tatsache, die von den großen Ratingagenturen wie Standard & Poor’s bisher kaum honoriert wird. Zudem steht die wirtschaftliche Bedeutung der Schwellenländer (mehr als die Hälfte des globalen BIP) in keinem Verhältnis zum Anteil, den sie in den meisten Portfolios ausmachen. Und zu guter Letzt: Nach dem deutlichen Rückgang der Bewertungen im Dezember, bei dem sich vor allem spekulative Investoren aus dem Markt verabschiedeten, bestehen wieder günstige Gelegenheiten für einen Einstieg.

Verluste in der Regel schnell wettgemacht
Diese Aussage könnte noch zugespitzt werden: Unabhängig von den Verwerfungen an den Märkten haben Emerging Markets für uns aus Sicht des Anleihen-Anlegers nie aufgehört, attraktiv zu sein. Wie aus der Grafik im Anhang hervorgeht, fielen Verluste in dieser Anlageklasse - auf Jahresbasis gerechnet - in den vergangenen zwei Dekaden nur drei Mal an. Besonders interessant ist, dass keine zwei „negativen“ Jahre hintereinander zu verzeichnen waren. Zudem konnten Anleger die Einbußen regelmäßig - und bereits im ersten Jahr nach einer Verlustperiode - wieder mehr als wettmachen, sofern sie geduldig blieben und nicht absprangen. Ruft man sich diese Entwicklung in Erinnerung, dürfte das Vorurteil, Anleihen aus Schwellenländern seien besonders risikoreich, verblassen.

Auch ein Vergleich mit anderen Segmenten des Anleihenmarktes zeigt, dass Schwellenländer-Papiere gut abschneiden. Mit Blick auf die Spreads, also die Renditeabstände zwischen Emerging-Markets-Anleihen in Hartwährung und einer Referenzgröße, lässt sich Folgendes feststellen: Selbst wenn ein Anleger Anfang Juni 2007 in Schwellenländer-Anleihen investierte – zu einer Zeit also, als die Spreads gegenüber US-Staatsanleihen mit rund 1,5% sehr „eng“ und Schwellenländeranleihen entsprechend teuer waren – hat sich sein Einsatz gelohnt. Mittelfristig wog nämlich der Vorteil einer höheren Rendite den Nachteil eines schlecht gewählten Einstiegszeitpunkts auf. Dies gilt umso mehr, da der Spread gegenüber US-Staatspapieren mittlerweile mehr als 3,5% beträgt.

Eigene Entscheidungen treffen statt auf Indizes schielen
Aus dem oben beschriebenen Sachverhalt könnte man schließen, dass es genügt, beispielsweise einen Bondindex zu „kaufen“. Ein solcher „passiver“ Investmentstil mag leichte Kostenvorteile bieten, doch die Anleger verzichten dabei auf Chancen, die sich aus besonderen Situationen ergeben. „Aktive“ Vermögensverwalter versuchen hingegen, den Markt zu schlagen. Drei Punkte sind dabei entscheidend: Bond Picking, also die sorgfältige Auswahl von Kandidaten für ein Portfolio, die Konzentration auf Themen, von denen man überzeugt ist, sowie das Denken außerhalb der Benchmark.

Was heißt dies konkret? Dieser Ansatz lässt sich am Beispiel Brasilien erläutern. Innerhalb dieses Marktes haben wir uns in zwei auf US-Dollar und auf Pfund lautenden Anleihen des staatsnahen Ölförderers Petrobras engagiert. Dies ist sinnvoll, weil die beiden Wertschriften unterschiedlich auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen reagieren. Als beispielsweise im Vorfeld der Präsidentenwahlen im Herbst 2014 an den Märkten Hoffnungen auf einen Regierungswechsel aufkamen, spiegelte sich dies zuerst in den US-Dollar-Anleihen wider, die besonders schnell auf derartige Nachrichten reagierten. Gleichzeitig blieb die Risikoprämie der Pfund-Anleihe praktisch unverändert. Dies lässt sich auf unterschiedliche Investoren in den jeweiligen Marktsegmenten zurückführen: Die US-Dollar-Anleihen werden tendenziell von spekulativen Anlegern gehalten, die bei politischen Veränderungen schnell nervös werden. Die auf Pfund lautenden Anleihen befinden sich hingegen eher in festen Händen. Je nach der Gewichtung solcher Papiere in einem Portfolio lässt sich also ein Markt nachbilden. Zur Erinnerung: Der Referenzindex setzt sich ausschließlich aus in US-Dollar emittierten Papieren zusammen, wir als aktiver Manager können aber auch Anleihen in anderen Hartwährungen erwerben. Das Zins- und Wechselkursrisiko lässt sich dann separat wieder in den US-Dollar überführen.

Bei der Länderauswahl gegen den Strom schwimmen
Was wäre ein aktiver Vermögensverwalter ohne den Mut zu Entscheidungen, die der Marktmeinung zuwiderlaufen? Bei uns äußert sich ein solcher „Contrarian“-Ansatz auch auf Länderebene. Das heißt, dass wir ein Land wie Kasachstan, das derzeit aufgrund der rückläufigen Ölpreise kaum in der Gunst der Investoren steht, „übergewichten“. Darüber hinaus können aktive Manager auch Gelegenheiten ergreifen, die sich aus einem Engagement außerhalb des Referenzindexes ergeben. Dies gilt beispielsweise für ein Land wie Marokko, das im Hartwährungsbereich zeitweise nur auf Euro lautende Staatsanleihen emittiert hat und deshalb nicht in der Benchmark enthalten war.

Das Fazit lautet: Die Bewertungen für Schwellenländer-Anleihen in Hartwährung sind weiterhin attraktiv. Dabei ist es angesichts der hohen laufenden Rendite nicht entscheidend, ob Anleger einen günstigen Zeitpunkt für den Einstieg in dieses Anleihesegment erwischen. Vielmehr ist eine fundierte Titelauswahl und ein sorgfältig zusammengestelltes Portfolio entscheidend – ebenso ein langfristiger Investmenthorizont. Mit Blick auf die vielversprechenden Chancen, das internationale Marktumfeld und die oben genannten Voraussetzungen, sollte die Anlageklasse der Schwellenländer-Anleihen einen Eckpfeiler in jedem langfristig aufgestellten Portfolio darstellen.


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*) Luc D’hooge ist Leiter Portfoliomanagement Emerging Markets Fixed Income bei Vontobel Asset Management in Zürich.